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E-Book

Enzyme

Struktur, Kinetik und Anwendungen

AutorHans Bisswanger
VerlagWiley-VCH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl308 Seiten
ISBN9783527695867
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis46,99 EUR
Hans Bisswanger präsentiert eine zugängliche Einführung in ein Gebiet, das zu den traditionellen Angstfächern der Studenten der Naturwissenschaften gehört. Kein anderes Buch bietet eine leichter verständliche Einführung in die Enzymkinetik und die verschiedenen Enzymfamilien.

Prof. Dr. Hans Bisswanger ist Emeritus am Interfakultaren Institut fur Biochemie in Tubingen. Er war langjahriger Mitarbeiter am Institut und hat dort eine Reihe von Kursen zur Enzymkinetik und Enzymtechnologie entwickelt und geleitet, u. a. ein einsemestriges Enzymologie-Praktikums fur Biochemie-Studenten. Seine wissenschaftliche Expertise liegt in der Struktur und Kinetik des Pyruvat-Dehydrogenase-Komplexes, bei thermophilen Enzymen wie der Xylose-Isomerase und bei der Immobilisierung von Enzymen fur deren technische Anwendung.
Hans Bisswanger ist der Autor von zwei au?erst erfolgreichen Buchern zur Enzymkinetik, die in mehreren Sprachen und Auflagen erschienen sind.

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Leseprobe

1
Einleitung


1.1 Historische Entwicklung und Bedeutung der Enzyme, ein Überblick


Enzyme zählen zweifellos zu den wirkungsvollsten Substanzen dieser Erde. Zellen als Grundbausteine lebender Organismen enthalten eine Vielfalt wichtiger Verbindungen: zur Aufrechterhaltung der Strukturen, zur Abschirmung nach außen, zur Regulation, genetisches Material zur Weitergabe der Erbinformation. Alle diese Komponenten sind für das Funktionieren der Zelle und damit des Lebens unentbehrlich. Die Arbeit aber erledigen Enzyme. Sie halten den Stoffwechsel im Gang, bewirken Auf- und Abbau wichtiger Zellbestandteile wie Membranen und Organellen, bewerkstelligen die Weitergabe der Erbinformation sowie deren Umsetzung zu Genprodukten und damit auch ihre eigene Synthese. Somit sind sämtliche Lebensvorgänge direkt von Enzymen abhängig. Sie sind in der Lage, Reaktionen in einem teilweise unvorstellbaren Maße zu beschleunigen, die Umsatzgeschwindigkeit wird um Faktoren zwischen 105−1012 erhöht. Reaktionen, deren Dauer die Lebenszeit von Organismen um ein Vielfaches übersteigt, benötigen in Gegenwart des Enzyms derart kurze Zeit, dass sie in einen normalen Stoffwechsel einzuordnen sind. Die spontane Decarboxylierung von Orotidin-5′ -phosphat hat eine Halbwertszeit von 78 Millionen Jahren, die Orotidin-5′ -phosphat-Decarboxylase, ein besonders effektives Enzym, steigert die Umsatzgeschwindigkeit um den Faktor 1, 4 × 1017. Die Hydratisierung von Kohlendioxid zu Hydrogencarbonat hat mit fünf Sekunden zwar eine wesentlich kürzere Halbwertszeit, doch wäre diese Reaktion immer noch so langsam, dass sich Kohlendioxid im Blut als Gas freisetzt, würde nicht die Carboanhydrase diesen Prozess neunmillionenfach beschleunigen.

Schon im Altertum bediente man sich der Wirkungsweise von Enzymen. Die Sumerer in Mesopotamien stellten bereits 6000 v. Chr. Bier durch Vergären von Getreide her, wie später auch die Germanen Met aus gärendem Bienenhonig gewannen. Die Konsumierung und damit die Kenntnis der Vergärung von Wein ist in der Genesis, dem ersten Buch der Bibel, beschrieben. Die Ägypter verwendeten Hefe zum Brotbacken. Die Herstellung von Essig als frühestes Beispiel mikrobieller Oxidation ist seit 2000 v. Chr. bekannt. Alle diese Fermentationsprozesse bedienten sich der Enzymausstattung lebender Mikroorganismen, doch von der Kenntnis einzelner Enzyme war man noch weit entfernt. Der Beginn der modernen Enzymologie geht zurück ins späte 18. Jahrhundert, als Lazzaro Spallanzani feststellte, dass Magensaft in der Lage ist, Fleisch zu verdauen. Die aktive Substanz bezeichnete Theodor Schwann 1836 als Pepsin. Anselme Payen konnte 1833 zeigen, dass eine in Gerstenextrakt enthaltene hitzelabile Komponente Stärke in Zucker verwandelt. Die wirksame Substanz, nach unserem heutigen Wissen ein Gemisch verschiedener Amylasen, nannte er Diastase. Friedrich Wöhler gelang 1828 die chemische Synthese von Harnstoff und widerlegte damit die bis dahin vorherrschende Auffassung, Substanzen lebender Organismen könnten nur sich mithilfe einer Lebenskraft (vis vitalis) bilden. Ein weiterer entscheidender Schritt in diese Richtung war die Darstellung der alkoholischen Gärung in einem zellfreien Hefeextrakt durch Eduard Buchner 1897. Die wirksame Komponente bezeichnete er als Zymase. Jacob Berzelius (1836) schrieb den Fermentationsprozessen eine katalytische Kraft zu. Eingehende Untersuchungen um 1894 über das Phänomens der Katalyse, bei der der Katalysator selbst an der Reaktion nicht teilnimmt, brachten Wilhelm Ostwald 1909 den Nobelpreis. Oscar Loew beschrieb 1899 die katalytische Funktion der Enzyme.

Die in den Fermentationsprozessen wirkenden Komponenten wurden zunächst als „Fermente“ bezeichnet, bis 1876 Wilhelm Friedrich Kühne den Begriff Enzym (von griech. ενζυμη, im Sauerteig) einführte. Trotzdem war man sich über die Natur der Enzyme lange nicht einig. Selbst noch bis 1920 war ihre Proteinnatur umstritten, auch wenn bereits Buchner feststellte, dass Enzyme ohne Zweifel als Proteine zu betrachten sind. Besonders Richard Willstätter bezweifelte die Proteinnatur von Enzymen und betrachtete sie vielmehr als kolloidale Teilchen mit prosthetischen Gruppen. Diese Ansicht vertrat er selbst noch 1927, ein Jahr nach der Reindarstellung der Urease durch J.B. Sumner. Emil Fischer, der dagegen schon frühzeitig die Proteinnatur der Enzyme erkannte, postulierte 1894 mit der Schlüssel-Schloss-Hypothese die Vorstellung einer spezifischen Wechselwirkung zwischen Enzym und Substrat. Er fand, dass Invertase zwar α-Methylglucosid, nicht aber β-Methylglucosid spalten kann, während Emulsin genau die umgekehrte Spezifität besitzt. Die allgemeine Akzeptanz der Proteinnatur der Enzyme erbrachte die Reindarstellung und Kristallisierung der Urease durch J.B. Sumner im Jahre 1926 und kurz darauf einiger proteolytischer Enzyme durch J.H. Northrop und seine Mitarbeiter.

In den folgenden Jahren wurden die wesentlichen Stoffwechselwege und deren Enzyme aufgeklärt, woran eine Vielzahl von Forscher beteiligt war, hier seien nur die bekanntesten Namen erwähnt. Die Glykolyse wurde durch Gustav Embden, Otto Meyerhof, Carl und Gerti Cori und Carl Neuberg (der auch den Begriff „Biochemie“ prägte) bis 1940 entschlüsselt. Auch Otto Warburg hatte daran einen wesentlichen Verdienst, daneben hatte er entscheidenden Anteil an der Erforschung der Atmungskette und deren Enzyme. Sein Schüler Hans Krebs entdeckte 1932 den Harnstoff-Zyklus und 1937 den auch als Krebs-Zyklus bekannten Citrat-Zyklus. In den fünfziger Jahren klärten schließlich Bernard Horecker, Fritz Lipman und Efraim Racker den Pentosephosphat-Zyklus auf.

Die ersten Enzyme, deren Aminosäuresequenz entschlüsselt wurde, waren Ribonuklease und Lysozym 1963. Lysozym war auch das erste Enzym, dessen dreidimensionale Struktur durch Röntgenstrukturanalyse von D.C. Phillips (1967) aufgeklärt wurde, der seinerseits auf den Pionierarbeiten der Strukturaufklärung des Myoglobins und des Hämoglobins durch John Kendrew und Max Perutz (1962) aufbauen konnte.

Die Geburtsstunde der Enzymkinetik liegt um die Wende zum 20. Jahrhundert, als Victor Henri in Paris und Adrian Brown in Birmingham (1902) eine Formel für das Sättigungsverhalten von Enzym und Substrat unter Bildung eines Enzym-Substrat-Komplexes veröffentlichten. Diese in etwas modifizierter Form als Michaelis-Menten-Gleichung bekannte Beziehung ist nach wie vor die zentrale Gleichung der Enzymkinetik. Sie beschrieb zunächst Bindung des Substrats an das Enzym, mit der Einbeziehung der Steady-State-Theorie unter Berücksichtigung der Umsatzgeschwindigkeit durch G.E. Brigg und J.B.S. Haldane 1925 erhielt sie ihre heute noch gültige Form. Leonor Michaelis und Maud Menten erkannten, dass die Reaktionsgeschwindigkeit der Konzentration des Enzym-Substrat-Komplexes proportional ist. In ihrer wegweisenden Arbeit von 1913 stellten sie die Abhängigkeit von Enzymreaktionen von äußeren Bedingungen, wie Temperatur und pH-Wert, heraus und zeigten damit Wichtigkeit der Standardisierung bei Messungen von Enzymreaktionen. Ein Meilenstein in der Erforschung regulatorischer Effekte war 1965 die Postulierung des Symmetrie-Modells allosterischer Enzyme durch J. Monod, J. Wyman und F. Changeux. Es erklärt, wie mittels Hemmung und Aktivierung von Enzymen durch Metaboliten, die selbst nicht an der Reaktion beteiligt sind, verschiedene Stoffwechselwege miteinander verknüpft werden und somit Quervernetzungen des gesamten Stoffwechsels entstehen.

Die fortschreitende Erforschung der Enzyme ergab, dass es sich dabei um hochkomplexe Gebilde handelt. In ihrer Grundstruktur sind sie aus einer Vielzahl von Aminosäuren zusammengesetzte Proteine. Trypsin als noch vergleichsweise kleines Protein besteht aus 224 Aminosäuren, zur Katalyse sind aber nur drei davon, die sog. katalytische Triade, notwendig, also kaum mehr als 1 %. Dies mag zunächst als ein unnötiger Aufwand erscheinen, führt man sich aber vor Augen, dass in der Natur durchgehend das Prinzip höchster Sparsamkeit gilt, ahnt man, dass keine einzige Aminosäure überflüssig ist, eine solche wäre längst wegmutiert. Die hohe Effizienz der Enzymkatalyse wird nur durch ein äußerst exaktes Zusammenwirken aller erforderlichen Komponenten erreicht. Jede am katalytischen Prozess mitwirkende Komponente muss eine genaue Position einnehmen. Um dies zu gewährleisten, sind die umgebenden, für die Katalyse nicht unmittelbar essenziellen Aminosäuren verantwortlich. Sie formen ein stabiles Gerüst, in dem die essenziellen Komponenten passgenau eingebettet sind. Weiterhin muss die Umgebung des aktiven Zentrums derart aufbereitet werden, dass die katalytisch wirksamen Gruppen in reaktiver Form vorliegen, so muss der Ionisierungsgrad genauestens eingestellt sein. Die 20 proteinogenen Aminosäuren bieten nicht gerade ein breites Spektrum reaktionsfähiger Gruppen, wenn man noch bedenkt, dass einige davon, vor allem die aliphatischen Aminosäuren, als unreaktiv gelten und überhaupt nicht zur Katalyse beitragen. Die Reaktivität anderer Amino säuren hängt dagegen stark von Einflüssen durch ihre unmittelbare...

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