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Anforderungen
2.1 Geschichtliche Entwicklung
2.1.1 Vorgeschichte
In den 1930er Jahren des letzten Jahrhunderts existierten in Deutschland zunächst noch keine zentralen Vorschriften zum Schallschutz in Bezug auf das Baurecht. Zum Beispiel konnte man in der Bauordnung des Regierungsbezirks Köln [11] von 1932 lediglich folgendes zu Wohnungstrennwänden finden:
D Scheidewände
Die Scheidewände, die verschiedene Wohnungen desselben Geschosses voneinander trennen, müssen mindestens ½ Stein stark und in der Regel feuerbeständig herstellt sein, jedoch sind auch Wände aus doppelten Gips- oder Zementdielen, doppelten Schlackenbetonplatten und dergleichen, mit ausgefülltem Zwischenraum (Koksasche, Torfmull) in gleicher Stärke zulässig.
Zum Glück waren die meisten Wohnungstrennwände jedoch auch Brandmauern, die mindestens 25 cm dick sein mussten!
1938 erschien die DIN 4110 „Technische Bestimmungen für Zulassung neuer Bauweisen“ [12], die für Wohnungstrennwände eine Mindestdicke von 25 cm und eine Flächenmasse von 450 kg/m2 forderte.
Anhand erster schalltechnischer Messungen, die an derartigen Wänden seit Mitte der 1930er Jahre durchgeführt worden waren, haben sich dann in dieser Zeit einige Akustiker in Berlin zusammengesetzt und ihre Kurven miteinander verglichen. Mit genialer Vereinfachung wurde in die Kurven dann eine abstrakte Kurve eingezeichnet (im unteren Bereich der Streuung), die uns heute noch als Bezugskurve vertraut ist. Die Bezugskurve ergab eine arithmetisch über die einzelnen Terzwerte gemittelte Zahl von 50 dB, die man später Schalldämmmaß und noch später mittleres Schalldämmmaß nannte.
2.1.2 Die Entwicklung der DIN 4109 „Schallschutz imHochbau“
1944, mitten im Krieg und somit von vornherein praktisch zur Bedeutungslosigkeit verurteilt, erschien dann die erste DIN 4109 „Richtlinien für den Schallschutz im Hochbau“ [13]. Dem nach dem Krieg einsetzenden Wildwuchs in Bezug auf den Schallschutz, der insbesondere durch die notwendige Verwendung von Trümmer-schutt-Hohlblocksteinen für Wohnungstrennwände entstand, versuchte man 1952, mit relativ geringer Wirkung, durch ein Beiblatt zur DIN 4109 [14] sowie durch ergänzende Normen und Bestimmungen beizukommen. Durch fehlende Bauaufsicht entstanden dann noch bis Ende der 1950er Jahre Gebäude, die noch heute gelegentlich schalltechnisch saniert werden müssen.
Erst ab der Vorlage der neuen DIN 4109 im Jahr 1962 (Blätter 1 bis 4) sowie Blatt 5 zur DIN 4109 (1963), die dann bis Ende 1990 gültig blieb, entstand dann ein schalltechnisches Zahlenwerk mit auch heute noch respektabler Vollständigkeit und Praxisbezogenheit [15].
Die in der Norm enthaltenen Vorschläge für einen erhöhten Schallschutz wurden bereits damals bei öffentlichen Wohnungsbauten häufig realisiert und es gab von den Oberfinanzdirektionen mehrerer Bundesländer hierzu Förderungen. Die Förderungen waren jedoch gekoppelt an die messtechnische Abnahme, für die jeweils die Messungen mehrerer Wohnungstrennwände und mehrerer Wohnungstrenndecken (letztere sowohl luft- als auch trittschalltechnisch) für jedes größere Wohnungsbauvorhaben den Prüfstellen insbesondere in Nordrhein-Westfalen Arbeit verschaffte. Bereits damals waren diese Messungen den amtlich anerkannten Güteprüfstellen für den Schallschutz im Hochbau (heute zertifizierte Prüfstellen im Verzeichnis des VMPA) vorbehalten.
1963 wurde durch ergänzende Bestimmungen der bis dahin mit LA = 30 dB(A) (L = 30 DIN-phon) definierte Geräuschpegel von Wasserinstallationen auf LA = 35 dB(A) angehoben, da erste (wenngleich auch fachlich nicht begründete) Versuche einer Industrielobby, sich Sondervorteile zu Lasten der Bevölkerung zu beschaffen, zum Erfolg führten [16].
Um neu entwickelte pädagogische Konzepte, die z. B. den Einsatz variabler Wände zwischen Klassenräumen forderten, zu ermöglichen, wurden die Anforderungen an den Schallschutz im Schulbau durch ergänzende Bestimmungen zur DIN 4109 „Schallschutz bei Schulen“ gesenkt und durch die Einführungserlasse der Länder verbindlich, z. B. in Hessen 1976 [17]. Durch die seit Mitte der 1960er Jahre verstärkte Motorisierung der Deutschen wurde spätestens Anfang der 1970er Jahre die Notwendigkeit einer Anforderung zum Schallschutz gegenüber Außenlärm notwendig, die durch eine „Richtlinie für bauliche Maßnahmen zum Schutz gegenüber Außenlärm“ geregelt wurde, die als ergänzende Bestimmung zur DIN 4109 im Jahr 1975 herausgegeben wurde [18].
Im Prinzip sind die damals festgelegten praxisgerechten Regelungen noch heute Bestandteil der DIN 4109. Durch die erhöhte Wohndichte, den wachsenden Anteil der Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung sowie in Folge des allgemein verbesserten Wohlstandes (Fernseher, HiFi-Anlagen etc.) wurde der Wunsch nach höherem Schallschutz deutlich und durch zahlreiche Veröffentlichungen auch substantiiert. Durch die Energiekrise 1973 wurde jedoch der Fokus der Öffentlichkeit zunächst auf den Wärmeschutz gelenkt, so dass erst 1979 der Entwurf der DIN 4109 „Schallschutz im Hochbau“ [19] neu erschien.
Unter Fachleuten gilt dieser unter dem Obmann Prof. Karl Gösele erarbeitete Entwurf als „die beste DIN 4109 aller Zeiten“ (wobei leider auch die neue DIN 4109 hier eingeschlossen werden muss). Der Entwurf sah die Anhebung der wesentlichen Anforderungen vor und berücksichtigte auch die seit 1962 hinzugekommenen neuen Bauweisen und deren schalltechnischen Nachweis in praktikabler Form. Insbesondere die Anhebung der Anforderungen stieß jedoch auf den Widerstand der Bauindustrie, so dass 1984 ein neuerer Entwurf mit wiederum reduzierten Anforderungen (mit Ausnahme des Trittschallschutzes) erschien [20]. Danach begann das traurigste Kapitel bei der Normung des Schallschutzes. Die Einspruchsverfahren zur Norm wurden nicht zeitnah, sondern erst 1987 durchgeführt, der größte Teil der Einsprüche wurde überhaupt nicht abgehandelt. Zur Verblüffung aller erschien dann 1989 nicht etwa ein Weißdruck des Entwurfes 1984, sondern eine völlig anders gegliederte Norm mit neuen Inhalten (die somit nicht durch das Einspruchsverfahren gegangen waren) und fachlichen Fehlern, die im Einspruchsverfahren nicht behandelt worden waren (auch die neue E DIN 4109-2014 zeigt zum Teil noch die gleichen fachlichen Fehler wie 1984).
2.2 DIN 4109 „Schallschutz im Hochbau“ 11/1989 [21]
Die im November 1989 erschienene Neufassung wurde durch Einführungserlass (durch die Deutsche Einheit zeitlich etwas verzögert) für Bauanträge nach dem 01.01.1991 in allen Bundesländern einschließlich des Beiblattes 1 [22] rechtsverbindlich eingeführt. Beiblatt 2 [23] wurde dagegen nicht bauaufsichtlich eingeführt. Bis dahin galt die 1962er Fassung! Noch 1995 legten Investoren Wert darauf, dass die alte Norm realisiert wurde (von der neuen Norm erwartete man fälschlicherweise Mehrkosten), wenn der Bauantrag noch 1990 gestellt wurde. Die Kenntnis der Anforderungen der DIN 4109-89 ist insofern wichtig, als bis 2015 deren Anforderungen verbindlich waren und sicherlich noch bis 2020 Bauten aus dem Rechtsstand dieser Norm entstehen. Tabelle 2.2-1 zeigt für Geschosshäuser mit Wohn- und Arbeitsräumen eine verkürzte Fassung der Tabelle 3 aus DIN 4109. Die umfangreichen Fußnoten wurden weggelassen, hierzu wird auf die Norm verwiesen.
Tabelle 2.2-1 Erforderliche Luft- und Trittschalldämmung zum Schutz gegen Schallübertragung aus einem fremden Wohn- und Arbeitsbereich nach Tabelle 3 aus DIN 4109:1989, Fußnoten siehe dort
1 Geschosshäuser mit Wohnungen und Arbeitsräumen |
Decken | Decken unter allgemein nutzbaren Dachräumen, z. B. Trockenböden, Abstellräumen und ihren Zugängen | 53 | 53 |
Wohnungstrenndecken (auch -treppen) und Decken zwischen fremden Arbeitsräumen bzw. vergleichbaren Nutzungseinheiten | 54 | 53 |
Decken über Kellern, Hausfluren, Treppenräumen unter Aufenthaltsräumen | 52 | 53 |
Decken über Durchfahrten, Einfahrt von Sammelgaragen und ähnliches unter Aufenthaltsräumen | 55 | 53 |
Decken unter/über Spiel- oder ähnlichen Gemeinschaftsräumen | 55 | 46 |
Decken unter Terrassen und Loggien über Aufenthaltsräumen | – | 53 |
Decken unter Laubengängen | – | 53 |