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Epilepsie und Psyche

Psychische Störungen bei Epilepsie - epileptische Phänomene in der Psychiatrie

AutorEvgeniy Perlov, Ludger Tebartz van Elst
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl230 Seiten
ISBN9783170238428
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Psychische Störungen bei Epilepsien sind häufig, werden aber oft nicht richtig erkannt und therapiert. Auch finden sich in der Psychiatrie oft EEG-Auffälligkeiten, deren Bedeutung unklar bleibt. Schließlich stellen nicht-epileptische, dissoziative Anfälle eine große Herausforderung für die klinischen Neurowissenschaften dar. Das Buch fasst den aktuellen Wissensstand zu Diagnose, Theorie und Therapie in diesen Bereichen zusammen. Es entwickelt Modelle zum Verständnis von psychischen Störungen im Kontext neuronaler Netzwerkinstabilität, die eine integrative Sichtweise dieser Phänomene im Grenzgebiet der Fächer Neurologie, Epileptologie, Psychiatrie und Psychotherapie erlauben. Diese neuropsychiatrische Perspektive auf das Thema 'Epilepsie und Psyche' hat weitreichende Implikationen für Diagnostik und Therapie in der Epileptologie, Psychiatrie und Psychotherapie.

Prof. Dr. med. Ludger Tebartz van Elst, FA für Psychiatrie und Psychotherapie, Leitender Oberarzt der Abt. für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsklinik Freiburg. Dr. med. Evgeniy Perlov, FA für Psychiatrie und Psychotherapie, Oberarzt o. g. Abteilung.

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Leseprobe

Geleitwort


Psychische Störungen im Kontext epileptischer Erkrankungen gehören zu den klassischen Themen der modernen Psychiatrie und Neuropsychiatrie. So standen epileptoforme Krankheitskonzepte etwa für bekannte Vertreter des Faches aus dem 19. Jahrhundert, wie Wilhelm Griesinger (1817–868) oder Benedict Augustin Morel (1809–1873), ganz im Zentrum ihres Denkens über psychische Störungen. Aber auch für Emil Kraepelin (1856–1926) repräsentierten psychische Störungen bei Epilepsie noch einen Kernbereich der Psychiatrie, mit denen er sich in seinen berühmten Lehrbüchern intensiv und ausführlich auseinandersetzt. So kann Kraepelin etwa als Erstbeschreiber der seit etwa zwei Dekaden wiederentdeckten dysphorischen Störung bei Epilepsie gelten.

Im Laufe des letzten Jahrhunderts geriet das Thema der psychischen Störungen bei Epilepsie zusehends ins Niemandsland zwischen den großen klinisch-neurowissenschaflichen Fächern der Neurologie auf der einen und Psychiatrie und Psychotherapie auf der anderen Seite. Auch war im Kontext der Epileptologie lange eine Tendenz erkennbar, das Krankheitskonzept der Epilepsie vom Themenbereich psychischer Erkrankungen abzugrenzen, in einem nachvollziehbaren Versuch, der Stigmatisierung der Epilepsie als Geisteskrankheit entgegenzuwirken.

Erst gegen Ende des letzten Jahrtausends geriet das klinisch sehr wichtige Thema der psychischen Gesundheit bei Epilepsie wieder mehr in den Fokus des wissenschaftlichen Interesses. Diese Bewegung nahm dabei am ehesten im Kontext der Epileptologie ihren Ursprung. Aber auch innerhalb der Psychiatrie und Psychotherapie ist eine Renaissance des Themas in Ansätzen zu erkennen, u.a. ein Zusammenhang mit dem wachsenden Wissen über die Bedeutung entzündlicher Hirnerkrankungen, die oft mit Epilepsien und neuronalen Netzwerkinstabilitäten einhergehen.

Dazu beigetragen haben sicher auch die neuen wissenschaftlichen Forschungsmethoden, wie insbesondere die quantitative, funktionelle und strukturelle Hirnbildgebung, aber auch Weiterentwicklungen neurophysiologischer Diagnostikverfahren, wie etwa hochauflösender EEG-Untersuchungen, magnetencephalagraphischer Untersuchungen oder aber auch der Hirnstimulationsverfahren.

Während insbesondere im wissenschaftlichen Bereich nicht zuletzt methodenbedingt sich die verschiedenen klinisch-neurowissenschaftlichen Disziplinen durchaus wieder aufeinander zu bewegen, ist die klinische Versorgung von Menschen mit psychischen Störungen bei Epilepsie im alltäglichen ärztlichen Handeln noch unklar verortet. So haben etwa behandelnde Psychiater und Psychotherapeuten meist nur wenige Erfahrungen mit den Epilepsien im Rahmen ihrer Ausbildung sammeln können. Gleiches trifft auf behandelnde Neurologen und Epileptologen in Hinblick auf die psychischen Störungen zu.

Im Fachgebiet der Psychiatrie und Psychotherapie ist darüber hinaus die Bedeutung der hohen Prävalenz von oft unspezifischen EEG-Auffälligkeiten bei den verschiedensten psychischen Störungsbildern nach wie vor unklar. Etwa die Frage, ob klare EEG-Auffälligkeiten im Kontext einer schizophrenen Erkrankung einen Behandlungs- oder Augmentationsversuch mit einer antikonvulsiven Substanz, wie Valproat rechtfertigen sollte, kann nach aktuellem Stand des Wissens empirisch nicht abschließend beantwortet werden.

Zu diesem Grenzgebiet neuropsychiatrischer Forschung legen die Autoren nun eine umfassende Buchpublikation vor. Dabei wird einleitend ein Überblick über die verschiedensten Anfallserkrankungen und insbesondere die Epilepsien vermittelt, um so eine Grundlage zu schaffen für die darauf aufbauende Frage nach dem Zusammenhang zwischen Epilepsie und psychischer Gesundheit.

ln einem zweiten Hauptteil der Arbeit werden dann die klassischen psychischen Störungen im Kontext der verschiedenen Epilepsien ausführlich beschrieben und teilweise auch kasuistisch illustriert.

ln einem weiteren Schwerpunktbereich wird der Frage nachgegangen, welche spezifischen Zusammenhänge zwischen EEG-Auffälligkeiten und verschiedenen psychiatrischen Störungsbildern, wie etwa Schizophrenien, den Depressionen, den autistischen Erkrankungen, der ADHS und der Borderline-Persönlichkeitsstörung zu erkennen sind. Darauf aufbauend werden theoretische Modelle vorgestellt, die die Bedeutung von neuronalen Netzwerkinstabilitäten für die verschiedenen psychischen Störungsbilder erklären könnten.

Die abschließenden Kapitel widmen sich der Therapie. Dabei werden zum einen differenzierte therapeutische Empfehlungen in Hinblick auf spezifische psychische Störungen bei Epilepsie vorgestellt. Darüber hinaus wird aber auch die Frage thematisiert, inwieweit die verschiedensten antikonvulsiven Substanzen in der Psychiatrie und Psychotherapie auch unabhängig von diagnostizierten Epilepsien etwa beim Vorliegen klarer, aber nicht epileptischer EEG-Auffälligkeiten sinnvoll eingesetzt werden könnten.

Zusammenfassend legen die Autoren ein wichtiges Buch zu einem in den letzten Dekaden ein wenig in Vergessenheit geratenen klassischen Thema der Psychiatrie vor. Es vermittelt eine umfassende Darstellung des aktuellen Wissens zum Themengebiet Epilepsie und Psyche. Es behandelt dabei nicht nur die psychischen Störungen bei diagnostizierten Epilepsien, sondern auch mögliche epileptische Pathomechaniken in Psychiatrie und Psychotherapie. Damit schließt das Buch eine Lücke im thematischen Grenzgebiet der klinisch-neurowissenschaftlichen Fächer.

München, den 22. August 2012

Prof. Dr. P. Falkai

Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie,

Psychosomatik und Nervenheilkunde DGPPN

Geleitwort


Mit dem vorgelegten Band zu Epilepsie und Psyche behandelt der Autor ein wichtiges Thema, das in den letzten Jahren wieder vermehrt das gemeinsame Interesse von Psychiatrie und Neurologie findet. Nachdem jahrzehntelang die stigmatisierende Zuschreibung einer spezifischen »enechetischen« Wesensänderung im Mittelpunkt stand und sich insbesondere die Neurologie ganz auf die organischen, medikamentösen und chirurgischen Behandlungsverfahren konzentriert hat, ist in den letzten Jahren aufgrund neuerer wissenschaftlicher Ergebnisse das Grenzgebiet zwischen Neurologie und Psychiatrie gerade im Bereich der Epileptologie wieder vermehrt in den Fokus gerückt.

Eine Vielzahl von Befunden spricht dafür, dass psychiatrische Expertise und psychiatrische Therapie, psychotherapeutische Therapie und sozialtherapeutische Therapie einschließlich der Epilepsieberatung eine hohe Bedeutung für diese Patienten haben.

So bilden depressive Störungen insbesondere bei Patienten mit Temporallappenepilepsie eine wichtige und häufige Komorbidität. Auch Angststörungen, Psychosen (vor allem postiktale aber auch interiktale und iktale) stellen einen wichtigen Aspekt in der Diagnose und Therapie bei Patienten mit Epilepsie dar.

Es liegt mittlerweile ausreichende Evidenz vor, die zeigt, dass bei Patienten, die nicht anfallsfrei sind, nicht die Anfallsfrequenz, sondern Depressivität und Nebenwirkungslast die Lebensqualität maßgeblich beeinflussen.

Schon die frühe epileptologische Forschung, z. B. von Wilder Penfield, hat maßgeblich zu unserem Verständnis der funktionellen Anatomie beigetragen. Die Hinwendung der psychiatrischen Forschung zu bildgebenden Verfahren macht deutlich, dass einige der bei Epilepsien häufig betroffenen oder mit einbezogenen Hirnareale und Netzwerke auch für die Emotionsverarbeitung und psychische Prozesse insgesamt von großer Bedeutung sind.

Darüber hinaus hat die neueste genetische Forschung gezeigt, dass sich auch diesbezüglich erhebliche Überschneidungen ergeben. So finden sich z. B. Mikrodeletionen auf Chromosom 15q13.3 bei ca. 1 % der Patienten mit idiopathisch generalisierter Epilepsie, aber eben auch überzufällig häufig bei Patienten mit autistischen Störungen und Schizophrenie. In der Summe wächst die Evidenz, dass es in der Neurobiologie der Epilepsie und der Neurobiologie psychischer Erkrankungen gemeinsame Determinanten gibt und dass für beide Krankheitsgruppen ähnliche Hirnstruktur- bzw. Netzwerkstörungen zugrunde liegen können. Neben diesen gemeinsamen neurobiologischen Faktoren spielt aber auch, und vor allem in der Behandlung der Betroffenen, die Kenntnis psychischer Störungen und deren Epidemiologie bei Epilepsiepatienten eine große Rolle. Teile der antiepileptischen Medikation haben negativ psychotrope Nebenwirkungen, die gerade in Kenntnis der häufigen psychischen Komorbidität beachtet werden müssen. Neben einer rein medikamentös organischen Therapie spielen zunehmend auch psychotherapeutische und sozialberatende Aspekte in einer ganzheitlichen Therapie eine Rolle.

Aus Sicht der Neurologie ist es sehr begrüßenswert, dass die beiden Fachgebiete Neurologie und Psychiatrie sich gemeinsam wieder vermehrt der Erforschung der Epilepsie zuwenden. Gewonnene Erkenntnisse helfen bei dem Verständnis von Hirnfunktionen und deren Grundlagen, können zu einer Verbesserung der Patientenversorgung führen und erschließen einen wichtigen gemeinsamen Interessenbereich beider Fächer, der exemplarisch für eine fruchtbare Zusammenarbeit stehen kann und wird.

Mit dem vorgelegten Buch »Epilepsie und Psyche« legen Herr Professor Dr. Tebartz van Elst und Dr. Perlov eine Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse und eine Kartographie dieses Grenzgebietes der beiden Fächer vor. Er fasst die Vielzahl von Befunden zusammen, die eine Notwendigkeit einer engen Kooperation in der Erforschung der Epilepsie klar darlegen. Das vorgelegte Buch ist ausgesprochen lesenswert, fasst den aktuellen Wissenstand zusammen und regt...

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