ZWEI MEERE, VIELE GESICHTER
So eng Nord- und Ostsee auch beisammenliegen, so unterschiedlich sind sie. Eines haben jedoch beide Meere gemeinsam: Egal wohin man schaut, es wimmelt nur so vor Leben!
Riesige Meere umschlingen die Kontinente dieser Welt und bilden einen großartigen Lebensraum, welcher an Vielfältigkeit kaum zu übertreffen ist. Kein Wunder – etwas mehr als 70 Prozent der Erde sind schließlich mit Wasser bedeckt und von rund 20.000 Fischarten leben drei Viertel im Meer. Dabei stellen lediglich die lichtdurchfluteten, flachen Küstenzonen und Meeresabschnitte bis etwa 200 Meter Tiefe den für Lebewesen ökologisch wertvollsten Raum dar. Denn nur unter dem Einfluss des Sonnenlichts gelingt es Algen und Gräsern in ausreichender Zahl zu wachsen, um den Lebensraum für Lebewesen interessant zu gestalten. In den oberen Wasserschichten entsteht mit steigender Erwärmung und einer guten Durchmischung mit nährstoffreichem Wasser das überlebenswichtige pflanzliche Plankton, welches vielen Lebewesen als Nahrung dient. Dabei handelt es sich um eine riesige Schar von teils winzigen und kaum sichtbaren Braun-, Grün-, Rot- oder Blaualgen. Nur unter dem Einfluss von Sonnenlicht können sich diese Algen zu einer prächtigen Blüte entwickeln und trüben das Wasser in kurzen Zeitspannen. In Nord- und Ostsee ist es die Grünalge, welche das Wasser im Frühjahr für ein paar Wochen eintrübt. Eben diese Fotosynthese ist es, welche das Leben im Meer ermöglicht. Vor deutschen Küsten in Ost- und insbesondere der Nord-see herrscht vorwiegend Flachwasser mit Unmengen an pflanzlichem Leben, sowohl am Grund wie auch im Freiwasser. Dieses pflanzliche Leben ist die Grundlage für den schieren Überfluss an tierischem Leben in unseren Breitengraden. Denn: Das pflanzliche Plankton dient dem tierischen Plankton als Futter! Während das tierische Plankton das pflanzliche Plankton in den oberen Wasserschichten vertilgt und sich ununterbrochen ausbreitet, gilt Selbiges als Basis zur Entwicklung von Fischen. Als Eier und Larven treiben diese in den ersten Lebenswochen gemeinsam mit dem Plankton umher, ehe sie als frisch geschlüpfte Kleinfische mit nur wenigen Millimetern Körperlänge beginnen, erste Nahrung aufzunehmen – tierisches Plankton! In nur wenigen Monaten wachsen die Kleinfische wie Dorsche zu handlangen Fischen heran und erreichen nach nur einem Lebensjahr schon Größen, in denen sie problemlos kleine Krabben, Garnelen, Würmer und andere Kleinfische als Nahrung aufnehmen. Dabei dreht sich die ewige Spirale aus Fressen und Gefressen werden immer weiter nach oben: Der Spierling frisst den kleinen Hering, die Makrele den Spierling und der Hundshai die Makrele. Erst hier endet in der Nordsee diese Spirale. Deutlicher wird’s bei folgenden Zahlen: Ein ausgewachsenes Dorschweibchen laicht bis zu acht Millionen Eier. In klimatisch ungünstigen Jahren genügt dies gerade so, dass ein einziges Ei davon zu einem Dorsch heranwächst, welcher die Geschlechtsreife erreicht!
Die Meere bieten uns unzählige Arten von Fisch.
© Jörg Strehlow
DIE NATUR REGELT SICH SELBST
Doch zum Glück stehen die Chancen auf ordentliche Bestände in den Meeren gut – zumindest im Hinblick auf äußere Einflüsse hat die Natur alles im Griff. Die Zahlen der Dorsche in der Ostsee, beispielsweise, steigen enorm. Nicht zuletzt wegen den neuen Fanglimits für Berufsfischer und Angler in der westlichen Ostsee. Zwar war der Dorschbestand nie bedroht, erreicht aufgrund dieser Maßnahmen jedoch neue Topbestände. Doch generell hat Mutter Natur das Gleichgewicht der Meere im Blick. So ziehen beispielsweise die besonders gefräßigen Dorsche der Nordsee nur im Winter an die Küsten, um sich fortzupflanzen. Direkt danach wandern sie wieder zurück in die offene See, weit in den Norden und noch weiter von flachen Küstenregionen entfernt. Dieses Verhalten sichert den Jungdorschen das Überleben und nimmt ihnen die Gefahr vor den gefräßigen Eltern. Bis zu ihrem Zurückkehren im nächsten Winter haben die Jungdorsche eine Größe erreicht, welche ihnen bei der Flucht vor den eigenen Eltern verhilft.
Doch nicht nur Dorsche sind gefräßig – auch bei Makrelen und Hornhechten, zwei Räubern der oberen Wasserschichten, ist dieses Verhalten durchaus zu beobachten. Sie kommen nur im Frühjahr zum Laichen an die Küste und verschwinden schon im Sommer wieder in die Tiefen der Meere. Ihre Brut hat derweil Ruhe und kann getrost aufwachsen, bis ein Jahr später die Elterntiere zum erneuten Laichen an die Küste kommen – bis dahin sind sie jedoch aus dem Gröbsten raus und können sich ebenfalls schnell in Sicherheit bringen.
Rustikaler kann man sich das Abenteuer Angeln kaum vorstellen.
© Jörg Strehlow
FLUT ZUR RETTUNG
Damit das Gleichgewicht weiter Bestand hat und nicht nur die größten Räuber im Meer unangefochten alles in sich hineinschlingen und die Meere ungehindert leer fressen, hat sich Mutter Natur in die Geburtenrate eingemischt: Ein Hundshai gebärt nur etwa 20 bis 40 Jungtiere pro Jahr. Das ist genug, um die Art zu erhalten, aber zu wenig, um das Gleichgewicht unter Wasser außer Kontrolle zu bringen. Dabei bieten beide Meere vor unseren Küsten einen hohen Kontrast: Auf der einen Seite das glasklare Wasser der Ostsee, auf der anderen Seite das aufgewühlte und gräuliche Wasser der Nordsee. Während an der Nordsee bedrohlich brausende Weststürme das Wasser gegen den Deich peitschen, ist auf der gegenüberliegenden Seite der Ostsee dank ablandigem Wind kaum Welle zu vermelden. Und selbst die Kutterangler fahren mit ihren Gästen an Bord noch weit auf die See, um Dorschen nachzustellen. Während die Nordsee mit einer tollen sommerlichen Makrelenangelei besticht, bietet die Ostsee ganzjährig gute Angelmöglichkeiten, nur eben mit kaum Makrelen. Meterlange Hundshaie in der Nordsee gegen meterlange Hechte in der Ostsee um Rügen. Flache und schlickige, pflanzenlose Wattenlandschaften vor den Deichen im Westen, reizvolle Buchten mit grünen, waldigen Ufern und markanten Steilkanten im Osten, welche unter Wasser reich bewachsene Küstenlinien stellen. Nord- und Ostsee sind so dicht beieinander und doch so unterschiedlich, wie Kontraste nur sein können. Eines haben beide jedoch gemeinsam: Sie beherbergen tolle Fische!
Der berühmte Kreidefelsen
© Jörg Strehlow
WEITERE UNTERSCHIEDE
Die Nordsee ist ein flaches Randmeer des Atlantischen Ozeans und im Durchschnitt rund 80 Meter tief. Im deutschen und holländischen sowie im dänischen Küstengebiet jedoch nur 10 bis 20 Meter. Die tiefsten Stellen finden wir rund um Helgoland. Hier kann es bis auf 55 Meter in die Tiefe gehen! Der tiefste Punkt der Nordsee liegt südlich des Oslofjordes, im Skagerrak. Hier erstreckt sich die See in 705 Meter Tiefe! Generell fällt die Nordsee gen Norden langsam in größere Tiefen ab.
Dabei sind die meisten küstennahen Flächen eher schlickig oder sandig, weswegen es die ersten Pflanzen erst im tiefen und küstenfernen Wasser gibt. Die Ostsee hingegen ist flacher. Ihre Durchschnittstiefe beträgt 52 Meter, während die tiefste Stelle südlich von Stockholm liegt und 463 Meter misst. Der westliche Teil der Ostsee ist nur rund 10 bis 25 Meter tief. Der Meeresboden fällt von unseren flachen Küstenbereichen schwellenförmig und eher langsam in größere Tiefen nach Osten hin ab. Die meisten Küstenbereiche beherbergen ein ausgeprägtes Pflanzenspektrum auf steinigem und kiesigem Meeresgrund. Doch auch die Küstenregionen beherbergen so manche Unterschiede im Vergleich: Während die Nordsee oft ein schlickiges Ufer mit Watten und Prielen hat, durchziehen steinige Ufer die Ostsee.
Was für ein himmlischer Abend!
© Jörg Strehlow
Generell finden wir hier vielerorts kiesigen Untergrund mit großen Sandflächen, welche den üppigen Bewuchs der Ostseeufer auch bei Sturm festhalten. Der Salzgehalt der Nordsee beträgt rund 3,5 Prozent, obwohl stetig große Mengen Süßwasser durch große Flüsse wie Rhein, Weser, Ems oder Elbe einströmen. Dieses Wasser wird mit stark salzhaltigem Atlantikwasser stetig gemischt. Die Ostsee hingegen hat maximal 2 Prozent Salzgehalt in der nördlichen Kieler Bucht. Weiter nach Osten hin zur nördlichen Schwelle Rügens sinkt der Salzgehalt auf nur noch 0,8 Prozent. In den Boddenregionen um Rügen ist das Wasser fast völlig ausgesüßt – typisches Brackwasser!
Was für ein Fang! Wir können uns glücklich schätzen, dass es bei uns wieder Lachse gibt.
© Marcel Wiebeck
TIDE UND STRÖMUNGEN
Die Nordsee wird geprägt von Tidenhub. An der deutschen und niederländischen Küste kann die Differenz zwischen Hoch- und Niedrigwasser vier Meter betragen. Schwächer ist es vor der dänischen Küste. Entsprechend abhängig ist man als Angler auch von den Gezeiten – manche Sielhäfen sind nur bei Hochwasser mit dem Boot erreichbar. Mit der Tide setzen starke Strömungen von West nach Ost in die Deutsche Bucht ein. Bei Helgoland wendet der Strom nordwärts hin zur dänischen Küste. In der Ostsee ist ein Tidenhub kaum spürbar. Nur in der nördlichen Kieler Bucht sowie am Ausgang der Belte lassen sich 10 bis 20 Zentimeter Tidenhub ausmachen. Allgemein herrschen dadurch eher schwache Ströme, die nur durch starke Winde an Fahrt aufnehmen. Um Fehmarn herrschen nördlich gerichtete Strömungen, welche überschüssiges...