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E-Book

Erinnerungen

Erlebt - Gelebt - Überlebt

AutorHelmut Burkey
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl480 Seiten
ISBN9783741249150
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
In diesen "Erinnerungen" trifft der Leser auf die Autobiographie Helmut Burkeys, eines heute 86jährigen Zeugen einer turbulenten, in großen Abschnitten sogar dramatischen, Zeitepoche. Geboren im Jahre 1930 beschreibt er das Leben der "kleinen Leute" im saarländischen, idyllischen Köllertal. Wie lebten, arbeiteten, dachten und fühlten jene Menschen damals, in der Vorkriegszeit, unter den Vorzeichen des größten Unheils des vergangenen Jahrhunderts? Wie erlebten und durchlitten sie den Krieg und die unmittelbare Nachkriegszeit? Helmut Burkey gibt uns darauf Antworten über das rein Sachliche hinaus, denn seine Ausführungen berühren manches Mal unser Gefühl und setzen einige Gedanken in Bewegung. Dieses Buch ist sowohl ein zeitgeschichtliches Dokument als auch eine Inspiration, das "Heute" mit dem "Damals" zu vergleichen. Wir werden vieles neu und anders verstehen, vielleicht sogar etwas lernen, für uns, unsere Gegenwart, und unsere Zukunft.

Helmut Burkey wurde 1930 im saarländischen Köllerbach geboren, als jüngstes von drei Kindern einer Malerfamilie. Er wuchs in einer ländlichen Region auf, erlebte als Kind und Jugendlicher den Aufstieg und Fall des Hitler-Regimes. Nach dem Krieg absolvierte er die kaufmännische Laufbahn, heiratete und gründete eine Familie. Auch heute noch schreibt er immer weiter an seinen Erinnerungen, wobei er aus einem reichhaltigen Fundus schöpfen kann.

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Leseprobe

*

Unsere Sellerbacher Schule

Meine lieben Leser werden es bemerkt haben:

Von meinem weiter oben geschilderten Weg zur Schule bin ich ganz gewaltig abgekommen. Nun will ich doch wieder zu meiner ersten Klasse der Volksschule Sellerbach zurückkehren.

Die Eingewöhnungszeit war recht kurz und verlief ohne Probleme. Bald hatte ich meine ersten Freunde gefunden.

Mein Klassenlehrer war der Herr Ulrich. Er war ein ganz lieber Mensch, der mich offenbar sehr ins Herz geschlossen hatte.

Weitere Lehrpersonen waren Fräulein Detzler, Fräulein Riehm, Fräulein Wolmeringer, Herr Spoten und Herr Ewen, der gleichzeitig der Leiter der Volksschule Sellerbach war. Er gründete damals ein Mundharmonika Orchester. Hier spielte auch mein Bruder mit, der mich später das Spielen auf der Mundharmonika lehrte. Leider verstarb Herr Ewen sehr bald, sodass ich in sein Orchester nicht mehr eintreten konnte.

Ganz am Anfang erlernten wir das Schreiben. Das machte mir sehr viel Spaß, zumal unser Klassenlehrer, Herr Ulrich das Ganze von der spielerischen Seite her anging. Damals wusste ich noch nicht, dass sich die Schriftart „SÜTTERLIN“ nannte. So bezeichnet nach dem Graphiker Sütterlin, 1863 – 1917, der diese Schriftart geschaffen hat. Sie wurde zuerst 1915 in Preußen, später auch in anderen Regionen in den Volksschulen eingeführt.

Als wir gerade diese Schriftform einigermaßen beherrschten, kam schon ab dem zweiten Schuljahr die Änderung. Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, dass am ersten Schultag zur zweiten Klasse unsere Deutschlehrerin, Frl. Detzler uns mitteilte, dass wir ab heute eine neue Schrift erlernen würden. Sie meinte, wir hätten das große Glück gehabt, als letzte Klasse diese schöne Schrift namens Sütterlin noch gelernt zu haben. Ich war mir dessen natürlich nicht bewusst. Als ich mich jedoch in späteren Jahren ein wenig mit unserer Familien-Chronik befasste, war ich froh, die verschiedenen alten Urkunden ohne Schwierigkeiten lesen zu können. Was wir nun neu erlernen mussten war die „Lateinische Schreibschrift“.

Immer wieder wurde meine Schulzeit jäh unterbrochen. Nach wie vor litt ich noch sehr an Asthma. Es kam dadurch zu einer größeren Anzahl von Fehltagen, wie man es aus den Zeugnis-Kopien der ersten beiden Schuljahren, welche nachstehend abgebildet sind, entnehmen kann.

Trotzdem; Im Alltagsleben konnte ich in der asthmafreien Zeit sämtliche Rumtobereien in vollem Umfange mitmachen. Einmal kam ein Mitschüler mir recht dumm, als er meinte: Du wirst keine 18 Jahre alt! Du stirbst vorher“! „du bist ja krank“!

Diese Unverschämtheit berührte mich in einer ganz besonderen, kränkenden Weise. Ich war nicht in der Lage, hierauf eine treffende Antwort zu geben.

Erst als ich wieder zu Hause war, brach es aus mir heraus wie eine Sturzflut.

„Mama, muss ich sterben“!?

So heulte ich bei meiner Mutter los. Sie hatte ihre liebe Mühe aus mir herauszukriegen, was denn

in der Schule passiert wäre. Natürlich fand sie die besten und tröstlichsten Worte, um mich aus dem depressiven Zustand wieder herauszuholen. Dies verstand sie meisterhaft.

Wenn ich heute an diesen Vorfall zurückdenke, fällt mir jedes Mal das Lied ein, das Lena Valaitis singt, in dem es heißt:

„…. Kinder können grausam sein „

Hier sehen Sie die Zeugnisse meiner beiden ersten Schuljahre als Kopien abgebildet.

Wie man den obigen Zeugniskopien entnehmen kann, fehlte ich im ersten Schuljahr an 61 Tagen, im Zweiten an 40 Tagen. Die Versetzung habe ich trotzdem geschafft.

Im Unterbewusstsein hat mich die Sache vom Sterben müssen nicht losgelassen. Oft war der unterschwellige Gedanke daran immer wieder bei mir.

An einem schönen Tag kam eine Zigeunerin zu uns ins Ladengeschäft. Ich war allein. Da nahm ich allen meinen Mut zusammen und fragte sie, wie früh ich sterben müsste. Sie meinte: Du wirst ein langes Leben haben; da werden die Leute noch staunen „!

Na ja, warten wie es einmal ab. Immerhin bin ich ja erst im vierundachtzigsten Lebensjahr.

Bis zur vierten Klasse lief der Schulbetrieb insgesamt sehr gut, bis ein besonderes Ereignis mich erneut aus dem Gleichgewicht brachte.

Eines Tages, die Zehnuhrpause war beendet, und wir hatten gerade wieder in unseren Bänken Platz genommen. Herr Lehrer Ulrich kam herein und stellte sich in einer, wie mir schien, feierlichen Pose vor die Klasse.

Er begann mit dem Aufruf folgender Namen, die ich versuche aus meinem Gedächtnis aufzuzählen:

Ilse Knappe, Hedwig Mohm, Inge Beck, Edmund Altmeyer, Berthold Walter, Werner Forster, Herbert Kirsch *(Aufzählung nicht unbedingt komplett)

Während der Aufzählung rief jemand aus den hinteren Bänken immer wieder: „ Helmut Burkey“.

Herr Ulrich jedoch schüttelte jedes Mal den Kopf. Als er mit seiner Aufzählung geendet hatte, stand einer der Mitschüler auf und fragt „Warum nicht Helmut Burkey“?

Herr Ulrich meinte erklärend „ nein, der nicht, der ist ja krank“!

Da war er wieder, der schreckliche, erniedrigende Satz!

Nun kam unser Herr Lehrer zur Erklärung darüber, was es denn auf sich hatte mit dem Aufruf.

Dies seien die Schüler, welche ab der nächsten Klasse die Oberschule besuchen würden. (heute etwa vergleichbar mit Realschule) Wegen der besonderen Anforderungen, die die Schüler dort zu erwarten hätten, sei es besonders wichtig, dass diese gesund sein müssen. Dies sagte er wohl mehr oder weniger als Entschuldigung mir gegenüber.

Nun gut. Leichte „Schläge auf den Hinterkopf“, die ja sprichwörtlich dazu geeignet wären, das Denkvermögen zu erhöhen, war ich ja aus der Vergangenheit bereits gewohnt.

Meine Mitschüler hatten ja während der Aufzählung des Herrn Ulrich nur deswegen per Zwischenruf zu meinen Gunsten interveniert, weil ich zu den besten Schülern unserer Klasse zählte.

Über den genauen Stellenwert der genannten Oberschule bin ich mir nicht im Klaren gewesen.

Nach meiner damaligen Einschätzung war sie eine Art „Zwischending“ zwischen Volksschule und Gymnasium. Zudem erschien sie mir in erster Linie eine nationalsozialistische Einrichtung zu sein.

Mit dem Kapitel Volksschule will ich vorerst abschließen, und werde nochmals auf einige zeitnahe Begebenheiten in den letzten Schuljahren zurückkommen.

*

l

Foto: H.Burkey

Ortsteil Köln vom Landgraben aus gesehen Links die „Historische Evangelische Kirche“ – rechts die „Katholische Kirche Herz Jesu.“

Das Köllertal, wie es sich damals für mich darstellte Erst als ich groß genug war um über die Brüstung unseres Balkons sehen zu können, erschloss sich mir allmählich die Umwelt mit ihrer, aus meiner heutigen Sicht, herrlichen Landschaft. Ob diese nun schön oder etwas besonderes war, wird mir zu diesem frühen Zeitpunkt meiner Kindertage nicht so sehr aufgefallen sein.

Aber heute, wo in der Zwischenzeit über fünfundsiebzig Jahre über das Land hinweg gegangen sind, weiß ich um den besonderen Charme unserer Landschaft hier im Köllertal. Zumal ich später aufgrund vieler Geschäfts – und Urlaubsreisen einige Gebiete innerhalb Europas kennen lernte.

Mit meinen nachfolgenden Zeilen werde ich versuchen, das Land von damals zu beschreiben.

Der Blick des Kleinkindes ist zunächst noch sehr eng auf seine nächste Umgebung fixiert. Es gibt wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, in welchem Alter ein Kind wieweit sieht, um seine Umwelt zu registrieren. Doch darauf möchte ich in diesem Rahmen nicht besonders eingehen.

Es fällt mir durchaus nicht schwer, auch wenn inzwischen viele Jahre dahin geflossen sind, mich zurück zu versetzen auf unseren Balkon, um zu beschreiben, welchen Ausblick ich von hier hatte.

Aufmerksam und neugierig wurde ich, wenn ich zuerst auf den näher gelegenen, später dann auf den weiter entfernten Feldern, den Bauern bei ihren landwirtschaftlichen Tätigkeiten zuschaute.

Mein Blick, von unserem Balkon aus, nach rechts in östlicher Richtung: Unter mir liegt zunächst die Blumenwiese des Rittenhofer Landwirtes Peter Derr. Weiter, die Riegelsbergerstraße bergauf schauend, streift mein Auge zunächst die Streuobstwiese von Weilands (Lissjes), die im Frühling alljährlich in voller Blüte stand. Es ist ein schöner Anblick. Dann folgt bergauf das Aspenschacht mit dem deutlich sichtbaren Förderturm.

Richtung Horizont taucht der Riegelsberger Ortsteil Hixberg auf mit dem runden Wasserturm, den es heute nicht mehr gibt.

Ich wende den Blick nach links und es rückt der Riegelsberger Ortsteil Pflugscheid in mein Gesichtsfeld. Es liegt in der Gemarkung „In Pflügst“, landläufig Pliggscht genannt.

Es war damals eine kleine „Bergarbeiterkolonie“. Sie wurde 1852 gegründet und wurde 1882 nach Guichenbach eingemeindet.

Das gesamte Panorama des im unten zu sehenden „Bild-Quartett“, ergab damals im Jahres Verlauf ein recht buntes und unterschiedlich strukturiertes Bild....

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