„Das menschliche Gegenüber ernstnehmen und ihm mit Achtung begegnen, ist Voraussetzung jedes positiven pädagogischen Wirkens und damit didaktischer Merkpunkt Nummer eins." [38]
Unter Didaktik wird die Wissenschaft vom Lehren und Lernen verstanden. Sie gibt vor, wie Bildungsinhalte vermittelt und Lernprozesse in Gang gesetzt werden können. Ihr Gegenstand ist der Unterricht; sie soll der erzieherischen Wirkung dienen und helfen, dem Lernenden etwas für sein Leben während und vor allem nach der Schule, Weiterbildungen, Kursen und Seminaren u.dgl. mitzugeben. Idealerweise kann sie Strategien zur Problemlösung dauerhaft internalisieren.
Die Aufgaben einer allgemeinen Didaktik bestehen somit darin,
Das Wesen und die Aufgabe des Unterrichts verstehen lernen (Schüler sollen erfahren wozu sie die Schule besuchen und warum sie sich weiterbilden sollen!) [39]
Ziele akzeptieren und begründen können (argumentieren lernen als Akt der Selbstständigkeit)
Handlungsmöglichkeiten der Interaktion zu verbessern (eigenständiges Erarbeiten von Problemlösungsstrategien)
Voraussetzung einer pädagogischen Handlung ist die Frage des Lehrenden, was er brauche, um planmäßig und erfolgreich agieren zu können. Er muss sich im Klaren sein, dass er sowohl Zieldefinitionen und eine Strukturierung der einzelnen Handlungsabläufe erstellen muss, gleichsam einem Plan, nach dem er sich orientieren kann. Er muss sein Tun so aufbereiten, dass die Interaktionen nachvollziehbar und die Ergebnisse, die geplanten Ziele also, überprüfbar werden. Um so mehr braucht handlungsorientiertes Lernen einen Lehrplan, ein Curriculum, wenn gewährleistet sein soll, dass Kindern, Jugendlichen aber auch Erwachsenen unmittelbare, alltagsrelevante und authentische Erfahrungsgrenzen vermittelt werden können.
Die Erlebnispädagogik orientiert sich dabei an folgenden didaktischen Prinzipien, die es ihr ermöglichen, konkrete Zielvorstellungen je nach Lernumgebung zu formulieren: [40]
Nicht nur reden, sondern vor allem selbst handeln
Aktiv mitgestalten, statt passiv konsumieren
Das Prinzip des unbedingten Befehls-Gehorsams ist aufgehoben
Der Pädagoge ist „Begleiter“, nicht mehr „Lehrer“ und kann als „Mensch“ wahrgenommen werden
Stärkung des Umweltbewusstsein und Erfahrbarmachen der „eigenen Natur“
Reflexion und Internalisierung (von neuen Einsichten)
Exemplarisches (neue Wege) und soziales Lernen (Überdenken der eigenen Rolle, Selbst- und Fremdwahrnehmung in einer Gemeinschaft)
Didaktik in der Erlebnispädagogik fragt nach dem Bildungssinn und den Kriterien für die Auswahl der Handlung, Struktur und damit auch Transfer.
Es geht um Ziele und Inhalte des erlebnisorientierten Handelns. Sind deren didaktischen Strukturierungen festgelegt, können Methoden entworfen und eingesetzt werden, wobei festzuhalten ist, dass ja jede Methodik, sei es bewusst oder unbewusst, didaktische Voraussetzungen stets miteinbezieht.
Eine didaktische Analyse kann je nach Lernumgebung (Wald oder Klettergarten) in verschiedene Fragen münden, welche an sich voneinander abhängig sind [41]:
Feststellung des Sinn- und Sachzusammenhangs eines Lerninhaltes (z.B. Umweltschutz und Bedeutung des Waldes)
Voranalyse der tatsächlichen und pädagogisch erstrebenswerten Ziele (z.B. Ausleben aggressiver Kraftakte im Alltagsleben und dauerhafte Verhaltensänderung durch Erlebnispädagogik)
Welche Rahmenbedingungen erlebnisorientierten Handelns sind nutzbar? (Zielgruppe, Lernort, Material, Fachkompetenzen u.ä.)
Wie kann der Lernerfolg bewusst gemacht werden? (Frage der Reflexion und des Transfers, siehe Pkt. 4.1)
Wie lässt sich der Lerninhalt strukturieren?
Wie lässt sich der Lerninhalt am effektivsten vermitteln?
Der Kernpunkt der Didaktik lautet, dass nicht nur alleine die Inhalte des Unterrichts entscheidend sind, sondern ebenso die Art und Weise, wie der Teamer [42] etwas vorträgt und vor allem veranschaulicht [43], also methodisiert.
Wie bereits ausgeführt, hat das Erlebnis nach W. Neubert Geschenkcharakter, kann also nicht erzwungen, sondern nur didaktisch und methodisch klar vorbereitet werden. Eine ganz wesentliche Aufgabe der Erlebnispädagogik besteht ja nicht zuletzt darin, nur Erlebnisse zu ermöglichen, sondern das Erlebte auch zu reflektieren, „damit der Einzelne nicht bei Erlebnissen stehen bleibt, sondern zur Einsicht gelangen kann.“ [44]
Die Aufgaben der Erlebnispädagogik sind darin begründet, vor allem die Schule zu mehr als nur einem Hort des Wissens und deren Vermittlung zu machen. Schüler der verschiedensten Anstalten und Bildungsformen sollen nicht nur die Möglichkeit erhalten, sich mit ihrer Persönlichkeit und allen dazugehörigen Fähigkeiten und Schwierigkeiten einzubringen, sie sollen auch vor allem die Bewusstwerdung erfahren, dass sie ein wichtiger und unabkömmlicher Teil eines funktionierenden Systems Schule werden können. Die Schule soll sich zu einer Art Lebensraum wandeln, abseits von z.B. folgendem stattgefundenen Dialog:
„Wie geht es dir?“
„Schlecht.“
„Warum das?“
„Weil morgen wieder Schule ist!“
In der Sozialpädagogik etwa kann dieser Lebensraum Schule durch Zusammenarbeit mit Institutionen der Jugendarbeit und der Schule erreicht werden.
Foto: Seeger
Das kann aber auch dadurch erreicht werden, indem den Schülern im Klassen- oder Gruppenverband die Möglichkeit geboten wird, sich außerhalb des schulischen Schutzraumes zu profilieren und sich in gemeinschaftlicher Kooperation zu beweisen.
Denn Jugendliche wünschen sich im Grunde ihres Seins spannende Lernformen, sie möchten sich selbst kennen lernen und Grenzen erfahren.
Sie wollen vor allem neue und eigene Wege gehen.
Sie sind, wie ein Schüler sich auszudrücken pflegte, actiongeil. Das Wort hat etwas Aggressives, drum sollen sich Schüler auch im Rahmen des Unterrichts austoben können. Vom abwechslungsreicheren Sportunterricht in die innere Erfahrungswelt durch kognitive und handwerkliche Tätigkeit im Schoße der Natur. Diese Erfahrungen können in der Schule von heute möglich sein, allerdings stehen den Bestrebungen der Pädagogen rigide und unflexible Vorgaben des heimischen Schulsystems entgegen (bürokratische und organisatorische Hürden). Abgesehen davon, dass es eine Chance für jeden Pädagogen wäre, sich einen neuen, vielleicht tieferen und menschlicheren Zugang zu den einzelnen Kindern und Jugendlichen zu verschaffen.
Vor allem bei lernschwachen oder sozial auffälligen Schülern können erlebnispädagogische Unternehmungen ungeahnte verborgene soziale Kompetenzen oder andere bisher nicht erkannte Fähigkeiten zum Vorschein bringen. Somit wird den Schülern die für sie selbst neuen und wichtigen Handlungsfelder im haptischen und sozialen Verständnis eröffnet.
Im Allgemeinen wird das Klima in Schulklassen dadurch positiv beeinflusst, soziale Probleme verringern sich erheblich und als Resultat kann nicht zuletzt eine um einiges höhere Motivation bei Lehrern und Schülern im Schulalltag festgestellt werden. [45]
Auf die Erlebnispädagogik umgelegt, heißt das, dass von empirisch bestimmten Grundannahmen ausgegangen werden kann, die in ein didaktisches und methodisches Konzept einfließen können, vor allem aber die praktische Handlungsebene bestimmen. Nach A. Reiners lauten diese Annahmen [46] wie folgt:
Menschen haben mehr Ressourcen und Kompetenzen als sie denken.
Eine kleine heterogene Gruppe kann erfolgreich mit physischen und mentalen Herausforderungen fertig werden.
Junge Menschen sind genauso wie Erwachsene in der Lage kritische Entscheidungen zu fällen und Verantwortung zu übernehmen.
Durch die Präsentation eines Problems wird mehr gelernt als durch die Darreichung von Lösungen und Methoden.
Stress und gemeinsam Erlebtes sind wichtige Katalysatoren im Selbstfindungsprozess.
Der entscheidende Faktor für die Zukunft eines Menschen ist, was er von sich selbst hält.
Bedeutungsvolles, langfristiges Lernen kann durch intensive, kurzfristige Erlebnisse herbeigeführt werden.
Ein Beispiel möge verdeutlichen, welcher Sinnlichkeit vor...