Verkaufen ist ein logischer und psycho-logischer Prozess zugleich.
WAS IST IM VERKAUF HEUTE WIRKLICH WICHTIG? DIE TOP TEN
DER DURCHSCHNITTSVERKÄUFER ist mit allen rhetorischen Wassern gewaschen. »Möchten Sie das Modell lieber in Rot oder in Blau?«, fragt er unentschlossene Kunden. »Sind Sie nicht auch der Meinung, dass …?«, versucht er Abwehrende auf seine Seite zu ziehen. »Möchten Sie Geld sparen?«, langweilt er Des interessierte mit Selbstverständlichkeiten. Ein »Nein« seines Gegenübers spornt den Verkäufer erst richtig an. Wozu hat er sich schließlich intensiv mit Abschlussfragen und Einwandsbehandlung auseinandergesetzt? Trotzdem stagnieren seine Umsätze, oder sie bröckeln gar.
DER AUSNAHMEVERKÄUFER weiß, dass er mit rhetorischen Tricks und jahrzehntealten Verkaufstechniken nicht mal mehr Blumentöpfe gewinnt. Die Kunden sind kritischer, sie sind besser informiert und sie haben Alternativen. Der Wettbewerb ist fast überall gnadenlos; fast alles kann man irgendwo noch günstiger bekommen. Auf plumpe rhetorische Kniffe fällt kaum jemand mehr herein; und wen die berüchtigte Verkäufergeschwätzigkeit nervt, der ordert gleich im Internet. Der Ausnahmeverkäufer positioniert sich als sachkundiger und fairer Berater. Er bietet seinem Kunden einen echten Mehrwert gegenüber der Anonymität des Internets oder der leeren Rhetorik seiner Mitbewerber. Er begegnet seinem Kunden auf Augenhöhe, nimmt dessen Wünsche und Werte ernst. Und er hat eine klare Strategie für das Gespräch, von der ersten bis zur letzten Sekunde. Er fühlt sich wohl beim Verkaufen. Und das Beste dabei: Seine Umsatzkurve kennt nur eine Richtung – steil nach oben.
Was macht Verkäufer heute wirklich erfolgreich? Auf Hard Selling folgten in den letzten Jahrzehnten Soft Selling, Love Selling, Emotion Selling, Sog-Selling, haptisches Verkaufen, gehirngerechtes Verkaufen und Neuro-Marketing, neues Hard Selling, um nur einige wenige Ansätze zu nennen. Es vergeht kaum ein Jahr, in dem nicht eine neue »ultimative« Verkaufstechnik angepriesen wird. Jede fokussiert das Verkaufen unter einem anderen Aspekt und jede bietet zweifellos nützliche Hinweise. Aber die Zukunft gehört genauso wenig den reinen Hard Sellern wie den Soft Sellern und weder Neuro-Marketing noch haptische Verkaufshilfen allein lösen alle Verkäuferfragen. Dabei ist die wichtigste Frage im Verkauf zugleich topaktuell und uralt: Wie führe ich ein erfolgreiches Verkaufsgespräch, an dessen Ende mein Kunde kauft?
Verkauf hat sich radikal geändert
Im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Fachhochschule Worms beschäftigt man sich seit Längerem mit der Frage, welche Aspekte im Kundengespräch aus der Sicht erfahrener Verkäufer besonders erfolgsrelevant sind. Federführend ist Professor Dr. Michael Zacharias, an dessen Lehrstuhl Roger Rankel seit vielen Jahren einen Lehrauftrag hat. Das Ergebnis der Studie sind zehn relevante Punkte, mit denen wir uns in diesem Buch eingehend auseinandersetzen. Überrascht hat uns keiner der Punkte, denn das Resultat aus der Auswertung von etwa 700 Fragebögen und Interviews deckt sich weitgehend mit unserer langjährigen Erfahrung aus der Verkaufspraxis.
Doch bevor wir Ihnen die Top Ten verraten, hier drei Aspekte, die es nicht unter die ersten Zehn geschafft haben – was mindestens ebenso spannend ist. Denn interessanterweise sind es just die Aspekte, an denen man sich in vielen Verkäuferschulungen nach wie vor abarbeitet und die man in alten Verkaufsbüchern findet:
1. Argumentationstechniken
2. Fragetechniken
3. Einwandsbehandlung
Deshalb werden Argumentationstechniken überschätzt
Früher hieß es: »Mit dem ersten Nein beginnt das Verkaufen« oder auch: »Nein ist die Abkürzung für ›Noch ein Impuls nötig!‹« Ein guter Verkäufer beherrschte suggestive Kniffe, mit denen er seine Kunden zum Kauf veranlasste. Kunden wurden mit Small Talk eingelullt, mit rhetorischen Fragen zur Zustimmung gedrängt, mit Alternativen überrumpelt (»Wann passt es Ihnen besser, am Mittwoch oder am Donnerstag?«), penetrant beim Namen genannt, mit dem Ziel, geschmeicheltes Wohlwollen zu erreichen. Und Einwände wurden nach allen Regeln verkäuferischer Kunst zerstreut.
Das Ergebnis: Viele Kunden sind mittlerweile genervt. Sie kennen die plumpen Tricks längst. Das Image der Verkäufer ist schlecht; sie gelten als Schwätzer. »Versicherungsvertreter« ist der mit Abstand unbeliebteste Beruf in Deutschland, so die Süddeutsche Zeitung im März 2010. 45 Prozent der Deutschen würden ihn auf keinen Fall ergreifen. Die meisten wären lieber Straßenkehrer, Putzfrau, ja, sogar Politiker! Kennzeichnend für den Außendienst ist es, »andere übers Ohr zu hauen«, meinen drei Viertel der Kritiker. Und es kommt noch schlimmer: Das meint auch jeder Dritte von denen, die sich vorstellen können, im Außendienst zu arbeiten. Und jeder Zweite in dieser Gruppe ist der Ansicht, beim Verkauf ginge es ums »Aufquatschen« und »Klinkenputzen«. Ein Selbstbild zum Haareraufen! ( – so man welche hat, Roger Rankel )
Wir fragen uns ernsthaft, wie erfolgreich jemand seinen Beruf ausüben kann, der jeden Morgen mit dem Gefühl aufwacht, wieder Klinken putzen und Kunden übertölpeln zu müssen. Hinzu kommt: Selbst wer mit der klassischen Verkäufertaktik im Reinen ist, muss damit rechnen, mehr und mehr auf Skepsis zu stoßen. Nie hatten Kunden mehr Alternativen als heute und niemals zuvor waren diese Alternativen müheloser zugänglich. Im Zweifelsfall genügen wenige Mausklicks. Die Märkte haben sich verändert und die Kunden haben sich verändert. Es wird höchste Zeit, dass sich auch der Verkauf verändert.
Das bedeutet nicht, dass alle verkäuferischen Ansätze der Vergangenheit völlig nutzlos sind. Oft geht es um kleine, aber entscheidende Justierungen: um mehr Fairness und Offenheit dem Kunden gegenüber, um spannende Einkaufserlebnisse statt leerer Rhetorik, um kleine Kompetenzdemonstrationen statt Small Talk. Kurz: Es geht darum, etwas »etwas anders« zu machen. Rationale Argumentationssiege bedeuten keinen emotionalen Konsens. Und der ist elementar, wenn Ihr Kunde sein halbherziges Ja später nicht bereuen, sondern stattdessen Stammkunde werden und Sie sogar weiterempfehlen soll.
KURZINFO Etwas etwas anders machen – so lautet die Erfolgsformel für erfolgreichen, modernen Verkauf. Es sind die kleinen Dinge, die den Spitzenverkäufer vom Durchschnitt trennen. Dazu gehört der Abschied von überholten Floskeln und leerer Rhetorik. Dazu gehört vor allem jedoch eine durchdachte Gesprächsstrategie, die dem Kunden durch kleine Impulse immer wieder vermittelt, dass dieser Verkäufer anders ist: authentischer, interessanter, kompetenter, offener. Sie müssen also nicht alles vergessen, was Sie bisher über das Verkaufen gelernt haben – aber doch einiges. Und Sie sollten bereit sein, einige Dinge ein wenig anders zu machen, damit Ihrem Kunden schnell klar wird: Sie sind anders als der Durchschnitt!
Warum ist die AOK seit vielen Jahren die »Gesundheitskasse«? Ganz einfach: Krankenkassen gibt es wie Sand am Meer, Gesundheitskassen nur eine einzige. Die Versicherung änderte nur ein halbes Wort, doch das lässt potenzielle Kunden aufhorchen. Der Unternehmensclaim ist ein Beispiel dafür, dass es sich lohnt, über Nuancen nachzudenken. Dazu werden wir Sie in diesem Buch immer wieder anregen, mit einem einzigen Ziel: dadurch besser zu verkaufen!
Deshalb werden Fragetechniken überschätzt
Wie viele Fragetypen fallen Ihnen spontan ein? Nehmen Sie sich einen Moment Zeit …
… und noch einen …
… und noch einen letzten …
Wenn wir im Seminar diese Frage stellen, werden selten mehr als sechs, sieben Fragetechniken genannt. Angeblich gibt es über 30. Viele Verkäufer gleichen einem Pianisten, der nicht die ganze Klaviatur, sondern lediglich ein paar Tasten zur Verfügung hat. Da schadet es nicht, die Bandbreite des Spiels ein wenig zu erweitern, und es wird in diesem Buch immer wieder auch um angemessene und zielführende Fragen im Kundengespräch gehen (eine Übersicht der Fragetypen finden Sie übrigens im zweiten Kapitel »Entdeckungsreise«).
Dennoch sind Fragen ein verkäuferisches Instrument, das wohldosiert eingesetzt werden muss. Warum ist das so? Wie fühlen Sie selbst sich eigentlich, wenn jemand Sie fragt und fragt und fragt? Könnte es sein, dass Sie sich ausgefragt fühlen? Warum sollte es Ihren Kunden da anders gehen? (Das waren jetzt vier Fragen hintereinander. Sie merken: Es nervt!) Fragen ist immer Nehmen. Und das kostet Ihren Kunden auf Dauer Kraft. Die beliebte Phrase...