2. Die Dynamik des Managens
Ich will es nicht gut – ich will es Dienstag.
Werfen Sie einen Blick auf die verbreiteten Vorstellungen vom Manager – vom Dirigenten auf seinem Podest oder vom CEO hinter seinem Schreibtisch, wie er in den Cartoons des New Yorker erscheint – und Sie erhalten einen Eindruck von dem Job: wohlgeordnet und höchst kontrolliert. Beobachten Sie Manager bei der Arbeit und Sie finden vermutlich etwas ganz anderes: ein hektisches Tempo, viele Unterbrechungen, mehr Reagieren als Initiieren. Dieses Kapitel beschreibt diese und verwandte Charakteristika des Managens: wie Manager arbeiten, mit wem, unter welchem Druck und so weiter – die nicht wegzudenkende Dynamik des Jobs.
Wie bereits erwähnt, habe ich diese Charakteristika erstmals in meinem Buch von 1973 beschrieben. Für all diejenigen, die selbst als Manager arbeiten oder schon einmal einen Manager beobachtet haben, waren sie nicht besonders überraschend. Dennoch löste die Beschreibung bei den meisten etwas aus, vor allem bei den Managern selbst – vielleicht weil sie unsere Lieblingsmythen zur Praxis des Managens infrage stellte. Immer wieder, wenn ich meine Schlussfolgerungen vor Managern präsentiere, lautet eine verbreitete Reaktion: »Es tut mir gut, was Sie sagen! Während ich immer dachte, dass die anderen Manager planen, organisieren, koordinieren, lenken und kontrollieren, werde ich ständig unterbrochen, springe von einem Thema zum nächsten und versuche, das Chaos irgendwie in Grenzen zu halten.«1
Wissen ist nicht dasselbe wie wissen. Warum sollte etwas, was den Managern bereits bekannt war, solche Reaktionen auslösen? Meine Erklärung lautet, dass Menschen Dinge auf unterschiedliche Weise »wissen« können. Manches wissen wir bewusst, explizit; wir können es verbalisieren, weil wir beispielsweise schon so häufig davon gelesen oder gehört haben. Anderes wissen wir intuitiv, implizit, weil unsere Erfahrung es uns sagt. Natürlich funktionieren wir am besten, wenn beide Arten des Wissens einander verstärken. Was die Tätigkeit des Managens betrifft, so widersprechen sie sich jedoch häufig, sodass die Manager einerseits mit dem Mythos des Planers, Organisators und so weiter leben, während ihre alltägliche Realität ganz anders aussieht. Wollen wir also die Praxis des Managens entscheidend verbessern, müssen wir die Wirklichkeit und das Bild, das wir uns von ihr machen, miteinander in Einklang bringen. Das ist das Anliegen dieses Kapitels.
Die Charakteristika einst und jetzt
In diesem Kapitel komme ich ausführlich auf die Ergebnisse meines früheren Buches zu sprechen, weil sie in der Folgezeit fast ausnahmslos von weiteren Untersuchungen bestätigt wurden. In einer zehn Jahre später durchgeführten Parallelstudie mit vier hochrangigen Führungskräften beispielsweise, von denen drei aus denselben Branchen stammten wie die Kandidaten in meiner Studie, berichten Kurke und Aldrich von einem »erstaunlichen Grad an Übereinstimmung« und bezeichnen die ursprünglichen Ergebnisse als »überraschend robust« (1983: 977).2 Ich werde später einige dieser Studien zitieren und auch die 29 Beobachtungstage zur Illustration dieser Charakteristika heranziehen. Die Charakteristika sind die folgenden:
•Das unbarmherzige Tempo des Managens
•Die kurze Dauer und die Vielfalt der einzelnen Tätigkeiten
•Die Fragmentierung und Diskontinuität des Jobs
•Die Handlungsorientierung
•Die Vorliebe für informelle und mündliche Kommunikationsformen
•Die laterale Natur des Jobs (mit Kollegen und Partnern)
•Die eher verdeckt als offen erfolgende Lenkung und Kontrolle
Wie im letzten Kapitel gesagt wurde, hat sich der grundlegende Prozess des Managens kaum verändert, und dies gilt vielleicht erst recht für die Charakteristika. Gegen Ende dieses Kapitels werde ich auf eine Entwicklung eingehen, die eigentlich sehr folgenreich sein sollte – die neuen Informationstechnologien (IT) und insbesondere die E-Mail. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass diese Technologien das Managen kaum verändert haben, vielmehr haben sie die seit Langem bestehenden Charakteristika eher noch verstärkt – häufig bis ins Extrem.
Ich werde an gegebener Stelle auf einige mit diesen Charakteristika zusammenhängende Dilemmata hinweisen, um dann in Kapitel 5 genauer auf sie einzugehen.
MYTHOS:
Der Manager ist ein überlegter, systematischer Planer.
Wir pflegen diese stereotype Vorstellung vom Manager, der an seinem Schreibtisch sitzt, sich großartige Gedanken macht, weitreichende Entscheidungen trifft und vor allem systematisch die Zukunft plant. Zu dem Thema gibt es eine Menge Anschauungsmaterial, aber nichts davon stützt dieses Bild.
FAKT:
Wie Untersuchungen immer wieder ergeben, arbeitet der Manager (a) in einem gnadenlosen Tempo, sind seine Tätigkeiten (b) in der Regel durch Kürze, Vielfalt, Fragmentierung und Diskontinuität gekennzeichnet und geht er (c) streng handlungsorientiert vor.
Das Arbeitstempo des Managens Die Berichte von der Hektik der Managertätigkeit sprechen eine einheitliche Sprache, vom Vorarbeiter, der für jede Tätigkeit im Schnitt 48 Sekunden hat (Guest 1956: 478), über den mittleren Manager, der nur alle zwei Tage einmal eine halbe Stunde oder länger ohne Unterbrechung arbeiten kann, bis zum CEO, von dessen Aktivitäten fünfzig Prozent nicht länger als neun Minuten dauern (Mintzberg 1973: 33). »Über vierzig Studien aus den Fünfzigerjahren zur Managertätigkeit zeigen, dass ›Führungskräfte ständig vom einen zum anderen springen‹.« (McCall, Lombardo und Morrison 1988: 55)
In meiner ersten Studie gab ich zu Protokoll, dass das von mir beobachtete Arbeitstempo des CEO gnadenlos war. Er war von morgens bis abends damit beschäftigt, Anrufe entgegenzunehmen und Post zu bearbeiten. Kaffee- und Mittagspausen standen unweigerlich im Dienst der Arbeit und die allgegenwärtigen Mitarbeiter usurpierten jeden freien Augenblick. Wie einer meinte: Managen heißt »Nervkram ohne Ende«.
In seiner Studie über Manager fasst John Kotter (1982a) die Anforderungen dieses Jobs insgesamt als »eine besonders stressige Situation und ein sehr schwieriges Zeitmanagementproblem« in einem »hektischen Hochdruckumfeld« zusammen. Ein Manager formulierte es so:
Ich fühle mich schuldig, weil ich nicht die Dinge tue, die zu tun mir Coachs, Trainer und entsprechende Bücher nahelegen. Wenn ich aus einer dieser Sitzungen komme oder nachdem ich die neueste Managementabhandlung gelesen habe, bin ich gewillt, die Anregungen umzusetzen. Dann erreicht mich der erste Anruf eines erbosten Kunden oder ein neues Projekt duldet keinen Aufschub und ich gerate wieder ins alte Gleis. Zum Zeitmanagement fehlt mir die Zeit. (Barry, Cramton und Carroll 1997: 26f.)
Eine Organisation zu managen, ist die reinste Strapaze. Morris u.a. beispielsweise fanden heraus, dass die meisten Schulleiter ihre Tage »im Sprint« verbringen. (1982: 689) Die Quantität der zu erledigenden Arbeit ist beträchtlich, und dennoch scheinen die Manager nicht in der Lage zu sein, sich aus Situationen zurückzuziehen; sie können nicht aufhören, sich den Kopf über offene Fragen zu zerbrechen.
Warum setzen sich Manager einer solchen Hektik und einem solchen Pensum aus? Ein Grund dafür muss in der Unbestimmtheit des Jobs liegen. Jeder Manager ist für den Erfolg seiner Einheit verantwortlich, aber es gibt keine konkreten Meilensteine, die es ihm gestatten würden, innezuhalten und zu sagen: »Das wäre geschafft.« Der Ingenieur vollendet den Entwurf einer Brücke an einem bestimmten Tag; der Anwalt gewinnt oder verliert einen Prozess in einem genau definierten Augenblick. Der Manager hingegen muss stets weitermachen; er kann sich eines Erfolgs niemals sicher sein und muss ständig damit rechnen, dass der Laden im nächsten Augenblick über ihm zusammenbricht. (Vgl. Hill 2003: 50) Beim Managen handelt es sich um einen Job, der einen unentwegt beschäftigt: Der Manager kann seine Arbeit niemals auf sich beruhen lassen, kann sich niemals, auch nicht für einen Augenblick, zufrieden zurücklehnen, weil gerade nichts zu tun wäre.
Fragmentierung und Unterbrechungen Für die meisten Tätigkeiten in der Gesellschaft bedarf es der Spezialisierung und der Konzentration. Ingenieure und Programmierer verbringen Monate mit der Konstruktion eines Gerätes oder mit der Entwicklung einer Software; Verkäufer...