Einführung
Diese Einführung soll Lust machen, sich mit der Europäischen Union zu beschäftigen. Das ist eine große Herausforderung, denn Politik hat den Ruf, trocken und langweilig zu sein. Und innerhalb der Politik ist Europapolitik das absolute Stiefkind. Krieg und Frieden weltweit, die internationalen Beziehungen, Globalisierung, Terrorismus, Populismus, alles hochinteressant, aber Europapolitik …
Dabei ist Politik in Europa und gerade auch in der Europäischen Union durchaus spannend. Hier prallen nationale Interessen aufeinander, unterschiedliche Mentalitäten begegnen sich, oft unüberbrückbar scheinende Gegensätze werden verhandelt und müssen einer Lösung zugeführt werden, der letztlich alle Beteiligten zustimmen können. Die Europäische Union ist nicht die einzige, aber sicher die wichtigste politische Organisation für Europa. Die europäische Einigung, für die die EU symbolisch steht, will nicht nur Staaten integrieren, sondern auch Menschen. Die EU ist kein Selbstzweck, die sich für viel Geld selbst verwaltet, sondern sie will Menschen zusammenführen, trennende Schranken überwinden und den Austausch in Europa für alle über alle nationalen Grenzen hinweg erleichtern.
Leider haben die »Architekten« der EU die Gemeinschaft so kompliziert angelegt, dass viele Menschen sich verschreckt abwenden. Die Organe der Gemeinschaft erscheinen abschreckend bürokratisch, die ausgegebenen Summen muten astronomisch an und der Nutzen wird oft als fragwürdig empfunden. Die EU wird als aufgeblähte Organisation wahrgenommen und der Euro als Teuro diskreditiert. »Brüssel« ist vom Alltag der meisten Menschen einfach sehr weit weg.
Dennoch ist die Europäische Union eine aufregende Organisation, in der jeden Tag etwas Neues entsteht. Praktisch alle eingangs erwähnten interessanten Politikfelder wie beispielsweise Globalisierung, Terrorismus und Populismus sind auch auf europäischer Ebene relevant und die Union kann mittlerweile in vielen dieser Bereiche aktiv werden. Viele Gesetze, die wir als deutsche Gesetze ansehen, haben ihren Ursprung in einer europäischen Regelung. Und trotz aller Undurchsichtigkeit und des geheimnisvollen, manchmal aber auch unheimlichen Dunkels europäischer Politik bildet die Union keine dämonische Parallelwelt, sondern es handelt sich um eine große Organisation, in der durchaus fehlbare Menschen Politik machen, die den Bürgern des Kontinents zugutekommen soll. Dieses Buch möchte ein wenig Licht ins Dunkel der Europapolitik bringen, Interesse wecken, Lust machen auf den Versuch, Politik in Europa zu verstehen, oder einfach nur einen europäischen Aha-Effekt auslösen.
Über dieses Buch
Dieses Buch soll Ihr Interesse an Europapolitik wecken und Ihnen die Europäische Union nahebringen. Ich habe versucht möglichst verständlich zu schreiben. Etwas »Eurosprech« ist leider trotzdem unumgänglich. Es ist nicht nötig, das Buch von Anfang bis Ende durchzulesen, auch wenn ich mich darüber freuen würde. Sie können jedes Kapitel in diesem Buch, das Sie besonders interessiert, einzeln lesen. Wer sich etwas mehr für einen Themenkomplex interessiert, kann einen ganzen Teil lesen, denn die Kapitel eines Teils gehören zusammen. Springen Sie ruhig zwischen den Kapiteln hin und her, lesen Sie intensiv oder kursorisch. Vielleicht ist die Lektüre jedoch so anregend, dass Sie sich auf die vorgegebene Struktur einlassen.
Nutzen Sie
- zur Orientierung das ausführliche Inhaltsverzeichnis,
- für einzelne Suchbegriffe das Stichwortverzeichnis am Ende des Buches,
- die Symbole für besondere Informationen,
- die grau unterlegten Kästen für Verweise auf die europäischen Verträge.
Törichte Annahmen über den Leser
Als ich dieses Buch geschrieben habe, habe ich mir Sie als Leser so vorgestellt: politisch interessiert, wissbegierig, aufgeschlossen für Vorgänge auch außerhalb der deutschen Politik und auch angesichts eines dicken Buches nicht verzagt sich durchzuarbeiten. Vorwissen müssen Sie nicht mitbringen, sondern Interesse und Neugier. Sie müssen auch kein überzeugter Europäer sein, der vorbehaltlos die Europäische Union unterstützt. Vielleicht sind Sie sogar ein ausgesprochener Europa-Skeptiker, der der europäischen Integration kritisch gegenübersteht und in der EU eine Form der Bevormundung der Bürger sieht. Auch dann sollten Sie dieses Buch lesen, denn es vermittelt Zusammenhänge und liefert Aufklärung über eine komplexe politische Organisation, die das Leben aller Bürger in Deutschland, Österreich und den anderen Mitgliedstaaten beeinflusst.
Ich gebe zu, dass ich der europäischen Integration aufgeschlossen gegenüberstehe und auch die Europäische Union gut finde. Aber das heißt nicht, dass ich gegenüber falschen Entwicklungen die Augen verschließe und blinden Europaenthusiasmus verbreiten will. Tatsächlich hat die Europäische Union keineswegs nur positive Seiten. Es gibt Effizienzprobleme, Sand im Getriebe, durchaus auch Betrug dort, wo viel Geld im Spiel ist, aber das kommt in jedem politischen System vor und stellt es nicht grundsätzlich infrage. Wo etwas schiefläuft, sollte korrigiert und nicht gleich das ganze System abgeschafft werden. Mit diesem Buch soll der Blick geschärft werden für die positiven, aber auch die kritischen Seiten der Europäischen Union.
Wie dieses Buch aufgebaut ist
Dieses Buch ist in sechs Teile untergliedert, in denen jeweils bestimmte Themenbereiche abgehandelt werden.
Teil I: Europa verstehen
Nach einem kurzen Überblick über die wichtigsten Daten der Europäischen Union werfe ich einen Blick zurück. Erstaunlicherweise machen sich Politiker, Gelehrte und Schriftsteller seit Jahrhunderten Gedanken darüber, wie Europa verfasst sein könnte. Doch so richtig ging es erst nach dem Zweiten Weltkrieg los. In nur wenigen Jahren entstanden die wichtigsten Organisationen, die bis heute existieren und im Laufe der Zeit weitere Zuständigkeiten und Kompetenzen erhielten. Im Zentrum steht dabei natürlich die Europäische Union.
Teil II: Wo Politik gemacht wird
In diesem Teil stelle ich die Orte und Akteure der Politikgestaltung in Europa vor: die zentralen Institutionen der Europäischen Union, darunter die Europäische Kommission als »Regierung« der EU, der Rat als Vertretung der Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament mit seinen von den Bürgern der Union gewählten Abgeordneten sowie der Europäische Gerichtshof als Hüter der europäischen Rechtsordnung. Darüber hinaus gibt es noch weitere Institutionen mit speziellen Aufgaben.
Teil III: Wie Politik gemacht wird
Politik entsteht im Zusammenspiel vieler Akteure. Nach demokratischen Vorstellungen beruht die Gestaltung von Politik auf dem Willen und der Zustimmung der Bürger. Ich stelle Formen der Bürgerbeteiligung und Versuche, die EU bürgernäher zu machen, vor. Das eigentliche Gesetzgebungsverfahren beruht auf den völkerrechtlichen Verträgen, die die Mitgliedstaaten geschlossen haben. Im Zusammenwirken aller europäischen Akteure entstehen europäische Gesetze, die das Leben aller Bürger in Europa betreffen. Und schließlich geht es ums Eingemachte, um das Geld der Europäischen Union, das im Rahmen des Haushalts eingenommen und ausgegeben wird.
Teil IV: Welche Politik gemacht wird
Der Europäischen Union wurden in den vergangenen Jahrzehnten von den Mitgliedstaaten immer mehr Kompetenzen zugesprochen. Sie wird mittlerweile auf praktisch allen Politikfeldern aktiv. Allerdings sind ihre Befugnisse je nach Bereich reglementiert. In der Gestaltung des europäischen Binnenmarkts und in der Wirtschafts- und Währungspolitik verfügt die Europäische Union über große Kompetenzen. In der Beschäftigungs-, Sozial- und Bildungspolitik teilt sie sich die Befugnisse mit den Mitgliedstaaten oder unterstützt sie nur. In der Innen- und Justizpolitik, aber vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik dominieren die Mitgliedstaaten, die in diesem Bereich der Politik der Europäischen Union ihren Stempel aufdrücken.
Teil V: Ein Blick in die Zukunft
Schließlich wird ein Blick in die Kristallkugel geworfen. Eine große Herausforderung für die Europäische Union ist die Gestaltung der Nachbarschaftsbeziehungen. Die südosteuropäischen Staaten wollen mittel- und langfristig der Europäischen Union beitreten. Daher wird mit einigen Ländern dieser Region über einen Beitritt verhandelt. In Osteuropa sind bereits viele Staaten mit der Europäischen Union assoziiert. Sie suchen nach einer engen Bindung zur EU, doch womöglich wollen auch sie beitreten. Andere Länder kehren sich bewusst ab von der EU. Neben der Erweiterung und den Nachbarschaftsbeziehungen will sich die Union auch weiterentwickeln. Zur Vertiefung der EU liegen zahlreiche Vorschläge auf dem Tisch, die von einer losen Kooperation bis zu einer vollen europäischen Staatlichkeit reichen. Alles ist möglich.
Teil VI: Der Top-Ten-Teil
Wie in jedem...