Das Konzept des Führens mit Zielen ist nicht neu. Es gründet sich einerseits auf die bereits erläuterte Zielsetzungstheorie, andererseits auf das Konzept des Management by Objectives (MbO), dass seit über 50 Jahren in Organisationen eingesetzt wird. Wie die Ausführungen zur Verbreitung des Führens mit Zielen zeigen, ist es aber immer noch ein aktuelles Thema. Während die Annahmen der Zielsetzungstheorie, dass das Setzen herausfordernder, spezifischer Ziele motivations- und leistungssteigernd ist, in vielen Untersuchungen nachgewiesen werden konnten (siehe hierzu z.B. Locke, Shaw, Saari, Latham, 1981; Mento, Steel, Karen, 1987; Guzzo, Jette, Kastell, 1985), wurde dieser Effekt für das MbO nicht immer gefunden (Guzzo, Jette und Kastell, 1985). Das macht u.a. deutlich, dass die Generalisierbarkeit der Thesen der Zielsetzungstheorie unter den Bedingungen der Arbeitswelt eingeschränkt ist und weitere Einflussfaktoren berücksichtigt werden müssen. Dies kann z.B. das grundlegende Führungsverständnis einer Organisation, oder auch die spezifische Ausgestaltung des Führens mit Zielen in Form von Zielvorgaben vs. Zielvereinbarungen betreffen. Ergebnisse der aktuellen Führungsforschung legen außerdem nahe, dass bestimmten Verhaltensweisen des Führenden eine wesentliche Rolle bei der Gewinnung der Mitarbeiter für die Unternehmensziele, sowie bei der Erreichung der festgelegten Ziele zukommt.
Nicht nur im Rahmen der Modernisierung der öffentlichen Verwaltung spielt zielorientierte Führung eine wesentliche Rolle (Wewer, 1998). 1997 schätzte die Unternehmensberatung Kienbaum, dass in ca. 70% der deutschen Unternehmen Zielvereinbarungen durchgeführt werden. Auch wenn diese Schätzung als zu optimistisch eingestuft werden kann, belegen die folgenden Untersuchungen doch eine starke Verbreitung des Konzepts Zielvereinbarungen, die zweifellos von der untersuchten Hierarchieebene im Unternehmen abhängt. Eine Untersuchung von Bahnmüller (1999) zeigt, dass in der Metall- und Elektroindustrie, der Textilindustrie und im Bankensektor, je nach Qualifikationsniveau bei ca. 10- 20% der gewerblichen Arbeitnehmer, bei 40% der Angestellten und bei 76% der Führungskräfte Zielvereinbarungen eingesetzt werden (Hlawaty, 2000, S.140).
Hölzle (2000) fand bei einer Umfrage, die er bei allen in Deutschland ansässigen Unternehmen mit mehr als 2000 Mitarbeitern durchführte, dass 84% der Unternehmen angaben, mit individuellen Zielvereinbarungen zu arbeiten. Außerdem stellte sich heraus, dass die Initiative zur Zielvereinbarung in 73% der Fälle von der obersten Führungsebene ergriffen wird. Nur bei 27% der befragten Unternehmen initiierten Führungskraft und Mitarbeiter gemeinsam den Zielvereinbarungsprozess. Die Unternehmen, die Zielvereinbarungen durchführen, wollen vor allem das Erreichen der Unternehmensziele fördern (83%), die Mitarbeitermotivation erhöhen (87%) und die Qualität sichern (69%). Von immerhin noch 45% werden Zielvereinbarungen auch zur Mitarbeiterbeurteilung genutzt.
Der Versuch der Definition und Abgrenzung von „Führung“ erweist sich durch die Vielzahl an angebotenen Definitionen als schwierig, so dass auch Neuberger (1995) zu dem Schluss kommt, dass eine einheitliche Definition von Führung bis heute nicht vorliegt. Für zusätzliche Verwirrung sorgt die Neigung einiger Autoren, diesen Begriff generell mit Management gleichzusetzen (Staehle, 1994). Traditionell wird Management als Unternehmensführung verstanden, die im betriebswirtschaftlichen Sinn alle Prozesse der Zielsetzung, Planung, Organisation und Kontrolle, die in einer arbeitsteiligen Organisation auf Sachebene notwendig sind, umfasst. Im Gegensatz dazu beschreibt Führung (Leadership) personenbezogene Aufgaben und ist damit eine der wichtigsten Managementfunktionen (Ulrich & Fluri 1992). Daran knüpft beispielsweise die Definition an, die Führung als Beeinflussung von Einstellungen und Verhaltensweisen von Einzelpersonen oder Gruppen durch den Vorgesetzten mit dem Zweck, bestimmte Ziele zu erreichen, beschreibt (Staehle, 1994). Bereits aus dieser einen Definition wird ersichtlich, anhand wie viel verschiedener Spezifika (Bass, 1981) sich Führungsdefinitionen einordnen lassen: hier z.B. sowohl Führung als Einflussausübung, als auch Führung als Instrument der Zielerreichung.
Von Rosenstiel (2003) betont zusätzlich, dass Führung der Erreichung von Unternehmenszielen gilt. Er definiert Führung allgemein als „zielbezogene Einflussnahme. Die Geführten sollen dazu bewegt werden, bestimmte Ziele, die sich meist aus den Zielen des Unternehmens ableiten, zu erreichen“ (S.4). Während die bisher genannten Definitionen eine einseitige Einflussnahme des Führenden auf die Geführten annehmen, sehen Wegge und v. Rosenstiel (2004) Führung als „einen Sammelbegriff für alle Interaktionsprozesse, […] denen eine absichtliche soziale Einflussnahme von Personen auf andere Personen zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben im Kontext einer strukturierten Arbeitssituation zu Grunde liegt“ (S. 476). Doppler & Lauterburg sehen die Funktion von Führung nicht mehr darin, Arbeit vorzubereiten und Aufgaben zu verteilen, sondern, „Rahmenbedingungen zu schaffen, die es Mitarbeitern ermöglichen, ihre Aufgaben selbstständig und effizient zu erfüllen“ (1994, S.54). In dieser Führungsdefinition werden der Aspekt der direkten Einflussnahme und der Zielorientierung ausgeklammert und vielmehr die Fragen nach den für die Mitarbeiter nötigen Qualifikationen, Informationen und Unterstützung in den Mittelpunkt gerückt.
Aufgrund der Vielzahl, der unterschiedlichen Blickwinkel und Qualitäten der Führungsdefinitionen wird Führung in dieser Arbeit als Interaktion verstanden, der eine bewusste Beeinflussung von Personen zugrunde liegt, um bestimmte Ziele zu erreichen. Diese Definition schließt sich der grundlegend interaktionell ausgerichteten Sichtweise vieler Autoren (Vgl. Steinle, 1995) an und betont ganz bewusst den Zielaspekt im Hinblick auf das dieser Arbeit zugrunde liegende Thema. Aus diesem Grund wird Führung auch im Sinne von Leadership als eine von vielen Managementaufgaben verstanden.
Das Setzen von Zielen wird als eine wesentliche Führungsaufgabe angesehen (Locke und Latham, 1995). In der Praxis lassen sich zwei grundlegende Formen unterscheiden: die autoritäre Variante der Zielvorgabe und die Zielvereinbarung als kooperatives Element der Führung zur Steigerung der Arbeitsleistung, aber auch der Mitarbeiterzufriedenheit (Schmidhammer & Arendt, 2000). Häufig wird der Begriff der Zielvereinbarung synonym mit Begriffen wie „MbO“, „Führen mit Zielen“ oder auch „Führen mit Zielsetzung“ verwendet (Kohnke & Reimann, 2002). Im Folgenden wird unter einer Zielvereinbarung „eine mehr oder weniger verbindliche dezentrale Absprache über Leistungsziele zwischen Leistungspersonen und Beschäftigten(gruppen), die in einem bestimmten Zeitraum zu erreichen sind“ (Tondorf, 1998, S. 368), verstanden. Das zentrale Merkmal ist die gemeinsame Festlegung von Zielen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern (Breisig, 1997). Diese Variante der Zielfindung ist durch die notwendigen Abstimmungsprozesse wesentlich zeitaufwendiger, kann aber im Vergleich zu einer reinen Zielvorgabe zu einer größeren Zielbindung und letztlich erhöhten Leistung der Beteiligten führen. Es hat sich dabei in der Praxis herausgestellt, dass es für die Mitarbeiter besonders irritierend ist, wenn Zielvorgaben als Zielvereinbarungen „verkauft“ werden. (Vgl. Mutafoff & Glatz, 2001; Becker, 1997; Schwaab, 2002)
Ein in der öffentlichen Verwaltung weit verbreitetes Konzept ist neben dem Harzburger Modell (Höhn, 1956) das Management by Objectives (MbO). Handelt es sich beim Harzburger Modell (HM) primär um ein aufgabenorientiertes Delegationskonzept, treten im Rahmen des nach Wunderer (2001) als zielorientiertes Delegationskonzept einzuordnenden Management by Objectives (Wunderer, 2001; Wunderer, 1995a) Zielvorgaben oder Zielvereinbarungen an die Stelle konkreter Aufgaben. Hierzu ist anzumerken, dass die Zielorientierung des MbO im Sinne der von Wunderer verwendeten Einordnung als zielorientiertes Delegationsprinzip durch einen delegativen Führungsstil ergänzt werden muss, was auch nach Gebert (1995, Sp. 431) „eine wichtige ergänzende Aufgabenstellung für den Führenden dar[stellt].“ Auf diese Weise wird der Handlungsspielraum der Mitarbeiter erweitert, da sie die Wahl haben zu entscheiden, auf welche Weise sie festgelegte Ziele erreichen (Gebert, 1995).
Höhn empfiehlt, statt des in der öffentlichen Verwaltung vorherrschenden autoritären Führungsstils, die „Führung im Mitarbeiterverhältnis“. Im Mittelpunkt seines in den 60er und 70er Jahren verbreiten Harzburger Modells steht die Delegation von Verantwortung, die in Handlungs- und Führungsverantwortung aufgeteilt wird. Die Handlungsverantwortung liegt beim Mitarbeiter. Sie umfasst den normalen Ablauf des Betriebsgeschehens. Dem Mitarbeiter wird ein fest definierter Aufgabenbereich zugeteilt, für den er die Verantwortung übernehmen und innerhalb dessen er selbstständig handeln und entscheiden soll. Ein Eingreifen der...