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E-Book

Familiengründung mit Samenspende

Ein Ratgeber zu psychosozialen und rechtlichen Fragen

AutorPetra Thorn
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl180 Seiten
ISBN9783170243996
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Die Samenspende wird in Deutschland seit über 50 Jahren durchgeführt - dennoch sprechen nur wenige offen darüber. Es herrscht großer Informationsmangel. Der Ratgeber behandelt umfassend alle psychosozialen Fragen. Er beschreibt die Auswirkungen männlicher Unfruchtbarkeit, hilft bei der Entscheidungsfindung für oder gegen eine Samenspende, beschreibt die emotionalen Aspekte der medizinischen Behandlung und schildert den aktuellen Wissensstand hinsichtlich der Entwicklung der Kinder und Familien. Auch geht er auf die Situation lesbischer und alleinstehender Frauen ein. Einen Schwerpunkt bildet die Aufklärung der Kinder sowie rechtliche Fragen.

Dr. phil. Petra Thorn ist Familientherapeutin in eigener Praxis. Ihr klinischer und wissenschaftlicher Schwerpunkt ist die Familienbildung mit Spendersamen. Sie ist Vorsitzende des Beratungsnetzwerks Kinderwunsch Deutschland e.V. und Vorstandsmitglied des Arbeitskreises für donogene Insemination e. V. Dr. iur. Helga Müller ist, gleichfalls in eigener Praxis, Rechtsanwältin in Frankfurt/M. mit der künstlichen Fortpflanzung und dem Lebenspartnerschaftsrecht als Arbeitsschwerpunkte neben persönlichkeitsrechtlichen Fragen des Urheberrechts u. a.

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Leseprobe

Einführung


 

 

Die Spendersamenbehandlung wird in Deutschland seit über 50 Jahren durchgeführt – und dennoch sprechen nur wenige offen darüber. Ungewollte Kinderlosigkeit selbst ist noch immer ein schwieriges Thema. Auch wenn es mittlerweile viele Ratgeber dazu gibt, man fast regelmäßig in Zeitschriften darüber lesen kann und auch in Talkshows darüber gesprochen wird, wird es von vielen als ein mit Scham behaftetes Thema empfunden. Über die Behandlung mit Spendersamen gibt es wenig Öffentlichkeit und vor allem sehr wenig Information. Viele Paare, die diesen Weg der Familienbildung erwägen, empfinden daher ein Tabu und sind verunsichert, ob daraus wirklich eine stabile und harmonische Familie entstehen kann.

Um das Tabu zu verstehen, ist es wichtig, die geschichtlichen Hintergründe zu beleuchten. In vielen Ländern, auch in Deutschland, wurde die Samenspende bereits Anfang des letzten Jahrhunderts durchgeführt, aber streng geheim gehalten. Einer Frau den Samen eines Mannes einzusetzen, mit dem sie nicht verheiratet war, wurde einer außerehelichen Affäre gleichgestellt und dies wurde nicht nur von der Kirche, sondern auch von vielen medizinischen Berufsorganisationen vehement abgelehnt. In Deutschland wurde noch bis in die 1950er Jahre sehr kontrovers diskutiert, ob man diese Behandlung überhaupt zulassen sollte. Mediziner befürchteten berufsrechtliche Sanktionen, wenn bekannt geworden wäre, dass sie die Spendersamenbehandlung durchführen. Daher gab es zwar einige Ärzte, die die Samenspende anboten, aber in der Öffentlichkeit sprachen sie nicht darüber. Erst nachdem der Deutsche Ärztetag die Spendersamenbehandlung zwar weiterhin kritisierte, aber nicht mehr explizit ablehnte, entspannte sich in den 1970er und 1980er Jahren die Lage etwas. Nach und nach nahmen immer mehr Ärzte die Samenspende in ihr Behandlungsspektrum auf. Es fehlten allerdings gesetzliche und berufsrechtliche Regelungen. Letztere wurden Mitte der 1990er Jahre eingeführt und erst im Jahr 2002 wurde im Bürgerlichen Gesetzbuch eine Änderung vorgenommen, die die Vaterschaft in den Fällen regelte, in denen verheiratete Ehepaare auf die Samenspende zurückgriffen. Über viele Jahrzehnte wurde Eltern die Geheimhaltung empfohlen, da dies vor dem gesellschaftlichen Stigma schützen sollte. Darüber hinaus schützte die Geheimhaltung jedoch auch die Identität der Samenspender, denn der Mangel an gesetzlicher Regelung hätte dazu führen können, dass diese unterhaltspflichtig und erbberechtigt werden konnten. Das Tabu und die Angst vor gesellschaftlicher Ablehnung sind nach wie vor spürbar: Noch heute ist die Aufklärung der Kinder unter Ärzten nicht unumstritten und es gibt kaum Literatur zur dieser Familienbildung.

In einigen Ländern treten Eltern und vor allem Erwachsene, die mithilfe der Samenspende gezeugt wurden, dafür ein, dass die Anonymität der Spender aufgehoben wird. In England gibt es beispielsweise seit 1982 das Donor Conception Network und mittlerweile sind über 1000 Familien Mitglied. Dieses Netzwerk hat zusammen mit psychosozialen und medizinischen Fachkräften dazu beigetragen, dass die Anonymität der Spender im Jahr 2004 aufgehoben wurde und alle Kinder das Recht haben, erfahren zu können, von wem sie abstammen. Auch sieht das englische Recht einen expliziten Schutz der Samenspender vor: Wenn Männer ihren Samen im Rahmen einer medizinischen Behandlung spenden, sind sie von Unterhalts- und Erbansprüchen freigestellt. Die öffentliche Arbeit des Netzwerks und die gesetzlichen Regelungen haben dazu beigetragen, dass das Tabu um die Samenspende (in England auch die Eizellspende) abgebaut wurde und diese Familienbildung in der Öffentlichkeit immer mehr gutgeheißen wird. In Deutschland gibt es ähnliche Entwicklungen. Auch bei uns haben sich vor einigen Jahren Familien zusammengeschlossen, die sich regelmäßig austauschen und sich gegenseitig unterstützen. Auch hier wurden 2004 berufsrechtliche Regelungen verändert, sodass nunmehr die medizinischen Unterlagen nicht mehr nur 10, sondern mindestens 30 Jahre lang aufbewahrt werden sollen und die Kinder, bzw. Erwachsene damit eine realistische Möglichkeit erhalten, die Identität des Spenders zu erfahren. Es gibt mittlerweile einen Zusammenschluss von Erwachsenen, die mithilfe der Samenspende gezeugt wurden, und seit 2013 das DI-Netz, eine Organisation von Familien nach Samenspende, die über die Samenspende informiert und sich für gesetzliche Änderungen einsetzt.

In Deutschland werden aktuell zwischen 1000 und 1200 Kinder jährlich mithilfe der Samenspende gezeugt (Thorn & Daniels 2000). Rund 10 000 weitere Kinder verdankten beispielsweise im Jahr 2005 ihre Zeugung anderen reproduktionsmedizinischen Behandlungen (Jahrbuch 2005). Bezogen auf die Geburtenrate des gleichen Jahres, in dem knapp 686 000 Kinder geboren wurden (Bundesamt für Statistik), ist dies ein kleiner Anteil. Häufig werde ich gefragt, ob das Tabu und die Tatsache, dass nur wenige Paare auf die Samenspende zurückgreifen, nicht Hinweise darauf sind, dass dies eine problematische Art und Weise ist, ein Kind zu bekommen. Ich denke, dass dies stimmen kann. Die Bewältigung aller Lebensumstände, die ungewohnt sind und über die wenige Informationen und kaum Erfahrungswerte vorliegen, kann durchaus schwierig sein. In der Regel sind jedoch vor allem die Dinge schwierig, die man im Vorfeld nicht bedacht hat, mit denen man plötzlich konfrontiert wird oder die man, vielleicht aus Angst oder Unsicherheit heraus, ignorierte. Die Spendersamenbehandlung bedeutet, dass man eine andere Möglichkeit der Familienbildung in Erwägung zieht, eine Möglichkeit, die sich von anderen Familienzusammensetzungen unterscheidet. Sie muss jedoch nicht unbedingt problematischer sein, wenn man sich im Vorfeld damit auseinandersetzt. Gleichzeitig ist es wichtig zu wissen, dass niemand alle potenziellen Schwierigkeiten im Vorfeld lösen kann. Man kann jedoch als Mann und Frau, bzw. als zukünftiger Vater und zukünftige Mutter eine Familienatmosphäre schaffen, in der Schwierigkeiten nicht ignoriert, sondern angesprochen und konstruktiv angegangen werden. Dies ist eine gute Basis, um in allen schwierigen Situationen passende Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln.

Als Sozialarbeiterin und Familientherapeutin berate ich seit vielen Jahren Paare und Einzelpersonen, die eine Samenspende beabsichtigen. Darüber hinaus führe ich seit Mitte der 1990er Jahre Informationsseminare durch, die ausführlich über diese Art der Familienbildung und über die Aufklärung von Kindern informieren. Der Ratgeber fasst die Erfahrungen zusammen, die ich in der Beratung und während der Seminare machen konnte und ergänzt sie mit wissenschaftlichen Erkenntnissen. Er ist in mehrere Kapitel gegliedert. Das erste Kapitel beschreibt die psychologischen und sozialen Auswirkungen männlicher Unfruchtbarkeit auf den Mann und das Paar. Danach wird auf die Entscheidungssituation für oder gegen eine Samenspende eingegangen und es werden Möglichkeiten der Unterstützung für diesen Entscheidungsprozess aufgezeigt. Die Themen, die im Rahmen der medizinischen Behandlung entstehen, werden im nächsten Kapitel erläutert. Viele fragen sich, wie sich Kinder und Erwachsene, die mithilfe der Samenspende gezeugt wurden, entwickeln und wie sie über ihre Situation denken. Diesen Fragen ist das anschließende Kapitel gewidmet. Die Frage der Aufklärung von Kindern ist für die Meisten ein sehr zentrales Thema. Hier stellt sich nicht nur die Frage, wann aus entwicklungspsychologischer Sicht das beste Alter dafür ist, sondern auch, wie die Umwelt auf das Kind reagiert, wenn es selbst offen über seine Zeugungsart spricht. Dieser Themenkomplex wird im vorletzten Kapitel aufgegriffen. Da in den letzten Jahren die Behandlung mit Eizellspende und auch die Leihmutterschaft in Deutschland immer häufiger diskutiert werden, wird im letzten Teil auch auf diese Möglichkeiten der Familienbildung eingegangen. Alle Kapitel in diesem Teil des Ratgebers enthalten Fragestellungen oder Anregungen, die Sie dazu motivieren sollen, über bestimmte Aspekte nachzudenken oder mit Ihrer Partnerin/Ihrem Partner zu diskutieren. Die anonymisierten Zitate, die ich in diesem Teil des Ratgebers verwendet habe, sind typische Aussagen, die Männern und Frauen im Rahmen der Beratung oder Seminare, bzw. wissenschaftlicher Untersuchungen mir gegenüber gemacht haben.

Das letzte Kapitel befasst sich ausführlich mit den rechtlichen Aspekten der Samenspende. Dieser Teil wurde von Dr. Helga Müller geschrieben, die viele Jahre lang während der Seminare als Referentin für die juristischen Fragen zur Verfügung stand. Den Abschluss bilden vier Erfahrungsberichte. Im ersten Bericht beschreiben Andrea und Markus ihren Weg der Entscheidungsfindung und ihren Familienalltag mit zwei Kleinkindern. Anschließend berichten Claudia und Marion über ihre Erfahrungen als lesbische Familie. Der dritte Bericht handelt von...

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