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E-Book

Familienkonferenz

Die Lösung von Konflikten zwischen Eltern und Kind

AutorThomas Gordon
VerlagHeyne
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl416 Seiten
ISBN9783641072605
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Thomas Gordons Elternratgeber ist längst zu einem Standardwerk für viele Väter und Mütter geworden, die sich um ein entspanntes offenes Verhältnis zu ihren Kindern bemühen, das sich auf gegenseitige Achtung und liebevolles Verständnis füreinander gründet. Die Vielzahl seiner Fallbeispiele, seine wohlbegründeten taktischen Ratschlägen für den Umgang miteinander machen dieses Buch zu einem Nachschlagwerk, das sehr konkret auf die wesentlichen Erziehungsprobleme eingeht.

Thomas Gordon (1918-2002) war praktizierender Psychologe in den USA. Er gehörte zu den Pionieren der humanistischen Psychologie und war der Überzeugung, dass Menschen, die in einem fürsorglichen und freiheitlichen Klima aufwachsen, in hohem Maße fähig werden, Verantwortung zu tragen und ein selbstbestimmtes, erfülltes Leben zu führen. Durch seine Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen erkannte er die große Bedeutung der Kommunikation und gewaltfreien Konfliktlösung für die zwischenmenschliche Beziehung. Schon früh entwickelte er hierzu ein konkretes, im Alltag anwendbares Modell, das bis heute nichts von seiner Gültigkeit verloren hat. Thomas Gordon ist Bestsellerautor zahlreicher Bücher zum Thema Kommunikation, Erziehung und Beziehungen. Sein bekanntestes Buch Familienkonferenz wurde weltweit millionenfach verkauft. Für seine Arbeiten wurde er zudem mehrfach ausgezeichnet. Seine Methode ist durch ihr Ziel, Beziehungen zu verbessern und Konflikte gewaltfrei und ohne Verlierer zu lösen, auch als Friedensarbeit im eigentlichen Sinne anzusehen, was seine dreifache Nominierung für den Friedensnobelpreis 1997, 1998 und 1999 unterstreicht. Sein umfangreiches Werk ist bei Heyne erhältlich.

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Leseprobe

2. Eltern sind Menschen, keine Gottheiten

Wenn aus Menschen Eltern werden, geschieht etwas Seltsames und Bedauerliches. Sie übernehmen eine Funktion oder spielen eine Rolle und vergessen, dass sie Menschen sind. Jetzt, da sie das heilige Reich der Elternschaft betreten haben, glauben sie, sich den »Elternmantel« umlegen zu müssen. Sie versuchen nun, sich auf eine bestimmte Weise zu verhalten, weil sie glauben, »dass sich Eltern so verhalten sollen«. Frank und Helen Müller, zwei menschliche Wesen, werden unvermittelt in Herrn und Frau Müller, Eltern, verwandelt.

Diese Transformation – das Übernehmen einer Rolle – ist schwerwiegend und bedauerlich, denn sie geschieht so oft bei Vätern und Müttern, die vergessen, dass sie noch Menschen mit menschlichen Fehlern, Personen mit persönlichen Unzulänglichkeiten, wirkliche Menschen mit wirklichen Empfindungen sind. Indem sie die Realität ihres eigenen Menschseins vergessen, hören Menschen, wenn sie Eltern werden, häufig auf, menschlich zu sein – womit ich ausdrücklich keine Abstraktion meine. Sie fühlen sich nicht mehr frei, sie selbst zu sein, gleichgültig, was sie in verschiedenen Augenblicken empfinden mögen. »Als Eltern« haben sie jetzt die Verpflichtung, irgendetwas Besseres zu sein als »bloße« Menschen.

Diese furchtbare Last der Verantwortung bringt für die zu Eltern gewordenen Menschen eine Herausforderung mit sich. Sie glauben, sie müssten in ihren Gefühlen immer konsequent sein, müssten ihre Kinder stets lieben, müssten bedingungslos annehmend und tolerant sein, müssten ihre eigenen, egoistischen Bedürfnisse beiseiteschieben und ihrem Nachwuchs Opfer bringen, müssten allzeit gerecht sein und dürften vor allem nicht die Fehler begehen, die ihre Eltern bei ihnen machten.

Obgleich diese guten Absichten verständlich und bewundernswert sind, verleihen sie Vätern und Müttern meist weniger anstatt mehr Effektivität. Sein Menschsein zu vergessen ist der erste schwerwiegende Fehler, den man am Beginn der Elternschaft machen kann. Eltern, die sich dieses »Rollenverhalten« bewusst gemacht haben, erlauben es sich, Menschen zu sein – wirkliche Menschen. Kinder erkennen diese Qualität der Echtheit und des Menschseins bei ihren Eltern in hohem Maße an. Sie drücken sich oft so aus: »Mein Vater ist ein echter Kumpel« oder »Meine Mutter ist ein netter Mensch«. Wenn sie ins Jugendalter kommen, sagen Kinder manchmal: »Meine Eltern sind für mich mehr Freunde als Eltern. Sie sind prima Leute. Sie haben Fehler wie alle anderen, aber ich mag sie, wie sie sind.«

Was sagen diese Kinder damit aus? Ziemlich offensichtlich gefällt es ihnen, wenn ihre Eltern Menschen und keine Gottheiten sind. Sie reagieren positiv auf sie als Menschen, nicht als Schauspieler, die eine Rolle verkörpern und vorgeben, etwas zu sein, was sie nicht sind.

Wie können Väter und Mütter für ihre Kinder Menschen sein? Wie können sie die Qualität der Echtheit in ihrer Elternschaft bewahren? In diesem Kapitel möchten wir den Eltern zeigen, dass sie ihr Menschsein nicht abzulegen brauchen, um ein »ausgebildeter« Elternteil zu sein. Sie können sich selbst als einen Menschen akzeptieren, der Kindern gegenüber sowohl positive als auch negative Empfindungen hat. Es bedarf nicht einmal überstarker Konsequenz, um ein solcher Elternteil zu sein. Sie müssen nicht vorgeben, einem Kind gegenüber annehmend und liebevoll zu empfinden, wenn Sie es in Wahrheit nicht tun. Sie brauchen auch nicht allen Kindern gegenüber die gleiche Liebe und Annahme zu empfinden. Und schließlich, Sie und Ihr Ehepartner müssen keine gemeinsame Front im Umgang mit Ihren Kindern bilden. Aber es ist wesentlich, dass Sie lernen, sich darüber klar zu sein, was Sie wirklich empfinden. Wir stellten in unseren Kursen fest, dass ein paar Diagramme den Eltern zu erkennen helfen, was sie empfinden und was sie dazu veranlasst, in verschiedenen Situationen unterschiedlich zu empfinden.

Das Konzept der Annahme

Alle Eltern sind Menschen, die von Zeit zu Zeit zwei verschiedene Arten von Empfindungen ihren Sprösslingen gegenüber haben werden – Annahme und Nichtannahme. »Wirkliche-Menschen«-Eltern empfinden dem gegenüber, was ein Kind tut, manchmal annehmend und manchmal nicht annehmend.

Verhalten ist das, was ein Kind tut oder sagt, und nicht, wie Sie dieses Verhalten bewerten. Ein Verhalten ist beispielsweise, wenn es seine Kleidung auf dem Boden liegen lässt. Das Kind als »unordentlich« zu bezeichnen ist eine Wertung dieses Verhaltens.

Das gesamte mögliche Verhalten unseres Kindes – alles, was es möglicherweise tut oder sagt – kann durch eine rechteckige Fläche dargestellt werden.

Es liegt auf der Hand, dass Sie einen Teil seines Verhaltens ohne Weiteres annehmen können, den anderen nicht. Wir können diesen Unterschied darstellen, indem wir das Rechteck in einen Bereich der Annahme und einen Bereich der Nichtannahme teilen.

Das Fernsehen Ihres Kindes am Samstagmittag, das Ihnen Zeit für Ihre Hausarbeit gibt, würde in den Bereich der Annahme fallen. Stellt es den Fernsehapparat so laut, dass Sie die Wände hochgehen, würde dieses Verhalten in den Bereich der Nichtannahme fallen.

Wo die Trennungslinie in dem Rechteck gezogen wird, ist bei verschiedenen Eltern natürlich unterschiedlich. Die eine Mutter wird sehr wenige Verhaltensweisen ihres Kindes für sich als nicht annehmbar empfinden und daher sehr häufig Herzlichkeit und Annahme ihm gegenüber fühlen.

Eine andere Mutter mag vielleicht sehr viele Verhaltensweisen ihres Kindes für sich als nicht annehmbar empfinden und wird daher selten in der Lage sein, ihm gegenüber Herzlichkeit und Annahme zu fühlen.

Wie annehmend ein Elternteil gegenüber seinem Kind ist, hat zum Teil damit zu tun, welche Art von Mensch dieser Elternteil ist. Einfach aufgrund ihrer persönlichen Veranlagung haben manche Väter und Mütter die Fähigkeit, Kindern viel Annahme entgegenzubringen. Interessanterweise bringen solche Eltern gewöhnlich viel Annahme für Menschen im Allgemeinen auf. Annahme ist ein Charakteristikum ihrer Persönlichkeit, ihrer hohen Toleranzschwelle, der Tatsache, dass sie sich selbst mögen, der Tatsache, dass ihre Empfindungen im Hinblick auf sie selbst völlig unabhängig von dem sind, was um sie herum geschieht, und einer Unmenge anderer Persönlichkeitsvarianten. Jeder kennt solche Leute: Obgleich Sie vielleicht nicht wissen, was sie dazu macht, halten Sie sie für »annehmende Menschen«. In der Umgebung solcher Menschen fühlt man sich wohl – Sie können offen mit ihnen reden, sich gehenlassen. Man kann »man selbst« sein. Andere Eltern sind als Menschen anderen gegenüber schlichtweg nicht annehmend. Irgendwie finden sie viele Verhaltensweisen anderer für sich unannehmbar. Wenn Sie sie mit ihren Kindern beobachten, sind Sie vielleicht verwundert, warum so viele Verhaltensweisen, die Ihnen annehmbar erscheinen, für sie unannehmbar sind. Im Stillen sagen Sie sich vielleicht: »Ach, lass die Kinder doch – sie stören niemanden!«

Häufig sind es Menschen mit sehr ausgeprägten und strengen Ansichten darüber, wie andere sich verhalten »sollten«, welches Verhalten »richtig« und welches »falsch« ist – nicht nur in Bezug auf Kinder, sondern in Bezug auf jedermann. Und Sie fühlen vielleicht ein unbestimmtes Missbehagen in der Gegenwart derartiger Menschen, weil Sie sich wahrscheinlich fragen, ob sie für Sie Annahme aufbringen.

Kürzlich beobachtete ich eine Mutter in einem Supermarkt mit ihren beiden kleinen Söhnen. Mir schien, dass sich die Jungen recht gut benahmen. Sie waren weder laut noch stellten sie irgendeinen Unsinn an. Trotzdem sagte diese Mutter den Jungen unaufhörlich, was sie tun und was sie nicht tun sollten. »Bleibt nicht hinter mir zurück.« »Nehmt die Hände vom Wagen.« – »Geht beiseite, ihr steht im Weg.« »Beeilt euch.« – »Fasst die Lebensmittel nicht an.« – »Lass deinen Bruder in Ruhe.« Es schien, als ob die Mutter nichts, was die Jungen taten, anzunehmen vermochte.

Während die Linie, die den Bereich der Annahme und der Nichtannahme trennt, teilweise von Faktoren beeinflusst ist, die ausschließlich im Wesen des Elternteils liegen, wird der Grad der Annahme auch von dem Kind bestimmt. Manchen Kindern gegenüber ist es schwerer, Annahme zu empfinden. Sie sind vielleicht höchst unternehmungslustig und aktiv oder körperlich nicht anziehend, oder sie können gewisse Charakterzüge an den Tag legen, die einem nicht besonders gefallen. Für ein Kind, das das Leben mit Krankheiten beginnt, sehr schwer einschläft, häufig schreit oder Koliken hat, würden die meisten Eltern begreiflicherweise schwerer Annahme aufbringen.

Der in vielen für Väter und Mütter geschriebenen Büchern und Artikeln vertretene Gedanke, dass ein Elternteil jedem Kind gegenüber die gleiche Annahme empfinden sollte, ist nicht nur irrig, sondern hat viele Eltern dazu veranlasst, sich schuldig zu fühlen, wenn sie bei sich ihrem Nachwuchs gegenüber unterschiedliche Grade von Annahme feststellen. Die meisten Menschen würden sofort einräumen, dass sie gegenüber Erwachsenen, die sie kennenlernen, unterschiedliche Grade der Annahme empfinden. Warum sollte sich die Art, wie sie Kindern gegenüber empfinden, in irgendeiner Form davon unterscheiden?

Die Tatsache, dass die elterliche Annahme einem besonderen Kind gegenüber von den Eigentümlichkeiten dieses Kindes beeinflusst wird, kann wie folgt dargestellt werden:

Manche Eltern finden es...

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