Sie sind hier
E-Book

Familienpsychologie und systemische Familientherapie

AutorKlaus A. Schneewind
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl150 Seiten
ISBN9783844429503
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Es gibt Familien in vielen verschiedenen Zusammensetzungen und Arten. In diesem Buch wird das Familienleben in seiner ganzen Vielfalt betrachtet. Dazu werden die Sichtweisen der Familienpsychologie und der systemischen Familientherapie kombiniert. Zunächst erfolgt eine Schilderung der Unterschiede in den Beziehungen zufriedener und unzufriedener Paare, der Konsequenzen mangelnder Partnerschaftsqualität und -stabilität sowie der unterschiedlichen Beziehungs- und Erziehungskompetenzen von Eltern. Darüber hinaus nimmt das Buch die Qualität von Beziehungen zwischen Geschwistern, Großeltern und weiteren Verwandten in den Blick. Vor diesem Hintergrund werden einige präventive Ansätze zur frühzeitigen Stärkung von Paar- und Eltern-Kind-Beziehungen exemplarisch dargestellt und deren Wirksamkeit wird bewertet. Die zentralen Vorgehens- weisen in der Familientherapie werden erläutert. Das Buch schließt mit einer detaillierten Darstellung der Möglichkeiten der systemischen Familientherapie für die Behandlung von Familien. Hierbei werden zentrale Techniken der systemischen Familientherapie anhand von Beispielen veranschaulicht und die wesentlichen Ergebnisse zur Wirksamkeit basierend auf der aktuellen Befundlage dargestellt.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

|43|2 Familienbeziehungen klären: Themen und Ergebnisse nichtinterventiver familienpsychologischer Forschung


Die nichtinterventive familienpsychologische Forschung bezieht sich vor allem auf kontrollierte Quer- und Längsschnittstudien zur Beschreibung und Erklärung der Lebensumstände, Beziehungsformen und Qualität von Paaren und Familien sowie deren Entwicklung.

2.1 Unterschiede in den Beziehungen zufriedener und unzufriedener Paare und Ehen


Überblick

Hierzu werden die zentralen Aspekte und empirischen Befunde gelingender und misslingender Paarbeziehungen dargestellt. Bei unzufriedenen Paaren, deren Beziehung häufig zu Trennung und Scheidung führt, sind es vor allem Beziehungsprobleme (z. B. Kommunikationsschwierigkeiten, enttäuschte Erwartungen), zerstörerische Prozesse (z. B. Respektlosigkeit, häufige Streitereien, Gewalttätigkeit) und Untreue (z. B. konstante oder gelegentliche Außenbeziehungen). Hingegen zeichnen sich zufriedene Paare durch ein hohes Maß an Positivität (u. a. sichere Bindung, persönliche Verpflichtung, sexuelle Zufriedenheit, Verbundenheit) sowie ebenfalls stark ausgeprägte Konfliktbewältigungskompetenzen (u. a. geringe verbale Aggressivität und wenig Rückzugsverhalten in Konflikten, konstruktives Problemlösen) aus.

Auf die leider zu früh verstorbene Familienpsychologin Virginia Satir (2013) geht die Feststellung zurück, dass Paare die „Architekten der Familie“ seien. Architekten können Häuser (oder auch Wohnungen) bauen, in denen man sich ein Leben lang wohlfühlt. Sie können allerdings auch Unterkünfte schaffen, für die dies nicht zutrifft. Im letzteren Fall stellt sich die Frage, ob man trotz der Unannehmlichkeiten in solchen Etablissements wohnen will oder sich eine andere Bleibe sucht, sofern es Angebote gibt, die einem zusagen.

|44|Übertragen auf Paarbeziehungen sei zunächst ein Blick auf den Prototyp erfolgreicher „Familienarchitekten“ und deren Entwicklungsaufgaben im zeitlichen Verlauf geworfen (vgl. Tab. 4).

Tabelle 4: Phasen der normativen Paarentwicklung und exemplarische Entwicklungsaufgaben (aus Schneewind, Graf & Gerhard, 2000)

Phasen der Paarentwicklung

Entwicklungsaufgaben

Paare in der Frühphase ihrer Beziehung

  • Lernen zusammenzuleben

  • Klärung der Aufgabenteilung zwischen den Partnern

  • Abgrenzung gegenüber konkurrierenden Beziehungen

  • Sicherstellung des Lebensunterhalts als Paar

  • Einigung zur Frage der Familienplanung

Paare mit kleinen Kindern

  • Anpassung des Paarsystems an die Pflege und Betreuung eigener Kinder

  • Differenzierung zwischen Partner- und Elternrolle

  • Ausübung einer funktionsfähigen Elternallianz

Paare mit älteren Kindern und Jugendlichen

  • Aufrechterhaltung einer stabilen und befriedigenden Paarbeziehung

  • Anpassung an den Beziehungswandel im Umgang mit älter werdenden Kindern

  • Entlassen der Kinder in die Eigenständigkeit

Paare in der nachelterlichen Phase

  • Aushandeln eines neuen Verständnisses der Paarbeziehung nach dem Weggang der Kinder

  • Neuorientierung des Lebensstils als Person und Paar

  • Integration neuer Aufgaben und Rollen im Kontakt mit den erwachsenen Kindern

Paare in der späten Lebensphase

  • Anpassung an veränderte zeitliche Rahmenbedingungen von Gemeinsamkeiten nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsleben

  • Auseinandersetzung mit Gebrechlichkeit bzw. Tod des Partners

  • Klärung testamentarischer Verfügungen gegenüber den Nachkommen

|45|Bei einer Übertragung der Architektenmetapher auf unzufriedene Paare mit einer über 20-jährigen Ehedauer hat Lind (2001) folgende scheidungsförderliche Indizien gefunden (vgl. auch Hötker-Ponath, 2014):

  • zunehmende Entfremdung der Partner

  • geringe oder dysfunktionale Kommunikation

  • ungleiche Machtverteilung

  • langanhaltende sexuelle Unzufriedenheit einer oder beider Partner

  • einmalige oder jahrelange sexuelle Untreue

  • Ablösung der gemeinsamen Kinder

  • fehlende gemeinsame Interessen

Nach den Befunden der Bundeszentrale für politische Bildung (2012) haben sich die Scheidungsursachen im Lauf der letzten Jahrzehnte deutlich gewandelt. Demnach haben frühere subjektive Scheidungsgründe wie Gewalttätigkeit, Alkoholismus und sexuelle Untreue stark an Bedeutung verloren. Sie wurden abgelöst von anderen Ursachen wie Kommunikationsprobleme, emotionale Verarmung und fehlende gemeinsame Interessen.

Hinzu kommt, dass mit der bereits erwähnten Normalisierung der Scheidung die Bedeutung bestimmter Merkmale der Lebenssituation, die lange als Scheidungsbarrieren gewirkt haben, weitgehend abgenommen hat. So haben sich konfessionelle und milieutypische Unterschiede im Vergleich zu früher erheblich nivelliert.

Andere Scheidungsursachen haben dagegen Bestand. Dazu gehören ausgeprägte Stadt-Land-Unterschiede. Tatsache ist, dass das Scheidungsrisiko in Städten fast doppelt so hoch wie in ländlichen Gebieten ist. Darüber hinaus hat sich auch gezeigt, dass Ehen, in denen beide Partner erwerbstätig sind, häufiger geschieden werden als Ehen, in denen die Frau zu Hause bleibt.

Im Gegensatz zu früheren Zeiten sind Kinder in einer Ehe heute kein Hindernis mehr für eine Trennung oder Scheidung. Nur in der Phase mit Kindern unter fünf Jahren ist noch ein die Ehe stabilisierender Effekt nachweisbar.

Aus psychologischer Sicht lassen sich drei zentrale Faktoren benennen, die sowohl zu Scheidungen, als auch zur Auflösung von nichtehelichen Partnerschaften führen. Es sind dies

  1. eine unbefriedigende Attraktivität der Beziehung, d. h....

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Nachschlagewerke - Ratgeber

Psychologie 2000

E-Book Psychologie 2000
Format: PDF

Der 42. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Psychologie bedurfte dank der bedeutungsträchtigen Jahreszahl keines besonderen Mottos – es war der Kongreß "Psychologie…

Psychologie 2000

E-Book Psychologie 2000
Format: PDF

Der 42. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Psychologie bedurfte dank der bedeutungsträchtigen Jahreszahl keines besonderen Mottos – es war der Kongreß "Psychologie…

Psychopharmakologie

E-Book Psychopharmakologie
Anwendung und Wirkungsweisen von Psychopharmaka und Drogen Format: PDF

Stürmische Neuentwicklungen der Neurowissenschaften erfordern eine entsprechend aufgearbeitete Darstellung der Psychopharmakologie. Die vorliegende zweite, überarbeitete und ergänzte Auflage des…

Psychopharmakologie

E-Book Psychopharmakologie
Anwendung und Wirkungsweisen von Psychopharmaka und Drogen Format: PDF

Stürmische Neuentwicklungen der Neurowissenschaften erfordern eine entsprechend aufgearbeitete Darstellung der Psychopharmakologie. Die vorliegende zweite, überarbeitete und ergänzte Auflage des…

Psychopharmakologie

E-Book Psychopharmakologie
Anwendung und Wirkungsweisen von Psychopharmaka und Drogen Format: PDF

Stürmische Neuentwicklungen der Neurowissenschaften erfordern eine entsprechend aufgearbeitete Darstellung der Psychopharmakologie. Die vorliegende zweite, überarbeitete und ergänzte Auflage des…

Ernährungspsychologie

E-Book Ernährungspsychologie
Eine Einführung Format: PDF

Essen und Trinken beherrschen unser Leben und unser Denken. Die Ernährungswissenschaft erforscht die nutritiven Lebensgrundlagen des Menschen und weiß inzwischen sehr genau, wie sich der…

Ernährungspsychologie

E-Book Ernährungspsychologie
Eine Einführung Format: PDF

Essen und Trinken beherrschen unser Leben und unser Denken. Die Ernährungswissenschaft erforscht die nutritiven Lebensgrundlagen des Menschen und weiß inzwischen sehr genau, wie sich der…

Weitere Zeitschriften

aufstieg

aufstieg

Zeitschrift der NaturFreunde in Württemberg Die Natur ist unser Lebensraum: Ort für Erholung und Bewegung, zum Erleben und Forschen; sie ist ein schützenswertes Gut. Wir sind aktiv in der Natur ...

Augenblick mal

Augenblick mal

Die Zeitschrift mit den guten Nachrichten "Augenblick mal" ist eine Zeitschrift, die in aktuellen Berichten, Interviews und Reportagen die biblische Botschaft und den christlichen Glauben ...

Berufsstart Gehalt

Berufsstart Gehalt

»Berufsstart Gehalt« erscheint jährlich zum Sommersemester im Mai mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren und ermöglicht Unternehmen sich bei Studenten und Absolventen mit einer ...

Berufsstart Bewerbung

Berufsstart Bewerbung

»Berufsstart Bewerbung« erscheint jährlich zum Wintersemester im November mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren und ermöglicht Unternehmen sich bei Studenten und Absolventen mit einer ...

bank und markt

bank und markt

Zeitschrift für Banking - die führende Fachzeitschrift für den Markt und Wettbewerb der Finanzdienstleister, erscheint seit 1972 monatlich. Leitthemen Absatz und Akquise im Multichannel ...

Card Forum International

Card Forum International

Card Forum International, Magazine for Card Technologies and Applications, is a leading source for information in the field of card-based payment systems, related technologies, and required reading ...

care konkret

care konkret

care konkret ist die Wochenzeitung für Entscheider in der Pflege. Ambulant wie stationär. Sie fasst topaktuelle Informationen und Hintergründe aus der Pflegebranche kompakt und kompetent für Sie ...

DULV info

DULV info

UL-Technik, UL-Flugbetrieb, Luftrecht, Reiseberichte, Verbandsinte. Der Deutsche Ultraleichtflugverband e. V. - oder kurz DULV - wurde 1982 von ein paar Enthusiasten gegründet. Wegen der hohen ...