III. Zuviel des Guten
1. Reserve für schlechte Zeiten
Fett wird immer dann im Körper abgelagert, wenn zuviel Energie zugeführt wird. Dieses System macht durchaus Sinn, denn es wurde ursprünglich für den Notstand konzipiert. Es basiert auf dem Prinzip, daß jeder Bissen vom Körper optimal genutzt wird. Der gesamte Stoffwechsel ist – genau wie bei den Tieren – auf permanenten Nahrungsmangel ausgelegt. Dieser uralte Energiespar-Effekt steckt in jedem Menschen und rät: Beweg dich so wenig wie möglich, und iß soviel wie möglich!
Vor gut 100 Jahren hatte dieses Sparprogramm noch seine Berechtigung, denn damals folgten nach den buchstäblich fetten Zeiten automatisch Hungerperioden. Es überlebten nur diejenigen, die die meisten Energiereserven hatten. Hungersnöte gibt es in unserer Überflußgesellschaft jedoch nicht mehr. Aber dennoch werden Fettreserven gehortet, als wenn es ums nackte Überleben ginge. Dabei wird zumindest die eine Seite der Welt immer schwerer und schwerer. Der Homo sapiens bringt es heute auf immerhin 23 Pfund mehr als noch vor einem Jahrhundert. Und es gibt doppelte so viele Übergewichtige wie noch im Jahre 1960. Tag für Tag verzehren wir 142 Gramm Fett, verbrennen aber in unserem Fernsehsessel weit weniger Kalorien als früher auf dem Feld.
2. Alles eine Frage der Gene?
Entscheiden unsere Gene darüber, ob wir dick oder dünn durchs Leben gehen? Ob wir uns genau überlegen müssen, was wir wann essen, um nicht gleich ein Kilo mehr auf die Waage zubringen? Oder ob bedenkenlos einen Schokoriegel nach dem anderen verzehren können? Keine Frage: Es gibt Menschen, die können essen soviel sie wollen und werden trotzdem nicht dick. Andere wiederum, die sogenannten guten Futterverwerter, nehmen schon vom Hinschauen zu. Zumindest im übertragenen Sinne! Experten führen dies darauf zurück, daß bei rund 20 Prozent aller Übergewichtigen die Nahrung im Organismus nicht effektiv genutzt wird. Diese Menschen verbrauchen wesentlich weniger Kalorien als normalgewichtige. Was sich bei ihnen in Form von Fett ansammelt, verpufft bei den anderen ungenutzt als Wärme. Und verantwortlich für diese scheinbare Ungerechtigkeit sind tatsächlich die Gene. Sie bestimmen darüber, ob jemand ein guter oder schlechter Kost- oder Futterverwerter ist. Die legendären schweren Knochen, mit denen häufig Gewichtsunterschiede gerechtfertigt werden, sind allerdings nichts anderes als eine faule Ausrede.
Wissenschaftler gehen heute übrigens davon aus, daß bei übergewichtigen Menschen die alten Überlebensstrategien verstärkt ausgeprägt sind. So ergaben verschiedene Untersuchungen eineiiger Zwillinge, daß die Geschwister auch dann das gleiche Eßverhalten haben, wenn sie getrennt aufwuchsen. So griffen Zwillinge mit einigen Pfunden zuviel immer wieder gezielt zu den echten Kalorienbomben.
Zusätzlich beeinflußt wird die Vererbung durch das ob-Gen. Ob steht in diesem Fall für den englischen Begriff „obesity“ und bedeutet Fettleibigkeit. In Tierversuchen konnte nachgewiesen werden, daß eine Störung des ob-Gens die Produktion des Sättigungshormons Leptin beeinträchtigt. Eine fatale Folge, denn dieses Hormon gelangt über die Blutbahn ins Gehirn und sorgt dafür, daß das Sättigungsgefühl rechtzeitig einsetzt. Das allein ist jedoch selten die Ursache für Übergewicht. Generell gilt: Überflüssige Pfunde nicht auf die Erbanlagen abwälzen, sondern das eigene Eßverhalten unter die Lupe nehmen!
Tip:
Um mögliche Stoffwechselstörungen auszuschließen, ist es jedoch empfehlenswert, sich vor einer Ernährungsumstellung gründlich von einem Arzt untersuchen zu lassen.
Entscheidend für die eigene Figur ist der Grundstein, der in der Kindheit gelegt wird. Denn Mutters Kochtopf stellt die Weichen für die Zukunft. Wer mit Cola und Pommes aufwächst, kann später seine Eßgewohnheiten nur sehr schwer umstellen. Fett macht eben auch Kinder fett. Und aus dicken Kids werden wiederum dicke Erwachsene.
Doch nicht nur Fastfood produziert Übergewicht, sondern auch eine Erziehung, die auf leergegessene Teller besteht. Dabei wissen die Kleinen selbst ganz genau, wann sie satt sind. Und eigentlich wissen sie auch, was gesund ist. Das belegt zumindest eine Studie der Fachhochschule Hamburg. Die drei bis sechs Jahre alten Teilnehmer hatten an einem großen Buffet eine Woche lang die Qual der Wahl. Sie griffen freiwillig zu Kartoffeln, Nudeln, Gemüse und Rohkost. Doch der Alltag sieht leider anders aus. Da werden aus übergewichtigen Kindern in der Regel eben auch übergewichtige Erwachsene. 80 Prozent aller Jugendlichen, die im Alter von 16 Jahren zuviel auf die Waage bringen, schaffen es auch später nicht, ihr Gewicht auf ein gesundes Maß zu reduzieren. Denn dummerweise verschwinden einmal angelegte Fettzellen nie wieder. Sie können zwar schrumpfen, warten aber ein ganzes Leben lang auf ihre Chance, um sich wieder zu füllen. Der Babyspeck vor dem dritten Lebensjahr fällt dabei nicht ins Gewicht. Bei normalgewichtigen Eltern – so eine Untersuchung der Universität von Cincinnati – haben diese kleinen Speckröllchen keine Auswirkungen auf die Körperfülle im Erwachsenenalter.
3. Die Formel fürs Idealgewicht: BMI
In den letzten Jahren waren nicht nur immer wieder andere Diäten angesagt, sondern auch neue Definitionen für das Idealgewicht. Lange Zeit galt die sogenannte Broca-Formel als maßgeblich. Nach dieser Formel errechnet sich das Normalgewicht aus der Körpergröße in Zentimetern minus einhundert. Um das Idealgewicht zu ermitteln, wurde bei Männern noch einmal 10 und bei Frauen 15 Prozent abgezogen. Mittlerweile haben sich Ärzte auf eine andere Berechnung geeinigt: Sie halten den Gewichts- oder Bodymass-Index für besonders aussagekräftig. Für den sogenannten BMI wird die Körpergröße in Kilogramm durch die mit sich selbst multiplizierte Körpergröße dividiert:
BMI = Körpergewicht in Kilogramm : Körpergröße (in Metern)²
An einem Beispiel wird die Formel deutlich: Bei einer Frau mit einem Gewicht von 60 Kilogramm und einer Größe von 1,70 Metern beträgt der BMI-Wert 20,8. Dies ergibt sich aus 60 geteilt durch 1,70 zum Quadrat.
Angestrebt wird nach einer Bewertung des Instituts für Ernährungswissenschaften der Universität Gießen bei Frauen ein BMI-Wert von 19 bis 24. Bei Männern sollte sich der Index zwischen 20 und 25 bewegen. Liegt der Bodymass-Index über diesen Werten, besteht Übergewicht. Es sollte regelmäßig kontrolliert und möglichst auch reduziert werden. Liegt der BMI-Wert jedoch über 30, sprechen Ärzte von einer gesundheitsgefährdenden Fettsucht. So fanden amerikanische Forscher in einer Langzeitstudie heraus, daß die Sterblichkeit bei Frauen mit einem BMI über 29 um bis zu 70 Prozent höher ist als bei Frauen mit einem nur unwesentlich erhöhten Index.
Betroffenen wird empfohlen, unter ärztlicher Aufsicht abzunehmen – besonders wenn zum Übergewicht noch Bluthochdruck, Diabetes mellitus oder erhöhte Blutfettwerte hinzukommen. Generell empfehlenswert ist eine Fastenkur, durch die der Körper zunächst entgiftet und entschlackt wird. Wichtig ist aber immer, anschließend die alten Eßgewohnheiten über Bord zu werfen und den Speiseplan umzukrempeln!
Bei einem BMI-Wert von über 40 besteht ein extrem hohes Risiko für die Gesundheit. Eine ärztliche Behandlung ist dringend erforderlich!
Aber Vorsicht: Eindeutige Auskunft über den Zustand des eigenes Körpers gibt weder die Waage noch der BMI. Schließlich ist Fett leichter als Muskel! Deshalb kann ein durchtrainierter Mensch durchaus einen erhöhten BMI-Wert haben, während ein scheinbar dünner viel zu viel Fett mit sich herumträgt. Die Verfettung findet schleichend statt und wird erst mit den ersten Pölsterchen sichtbar. Wer es ganz genau wissen will, kann den Fettanteil seines Körpers mit einer elektronischen Waage messen, die mit Hilfe von Schwachstrom den Widerstand der Zellen mißt. Auf diese Weise kommt die Waage dem Fett auf die Spur.
Beachtet werden sollte bei den Messungen, daß Frauen generell einen um zehn Prozent höheren Fettanteil als Männer haben. Und den brauchen sie auch, um fruchtbar zu bleiben. Besonders während in der Pubertät, in der Schwangerschaft und in den Wechseljahren legen Frauen meist an Gewicht zu. Verantwortlich dafür ist das Hormon Östrogen. Es sorgt auch dafür, daß sich vor der Menstruation vermehrt Wasser im Gewebe ansammelt und der Zeiger der Waage nach oben schnellt. Das Sexualhormon hat aber auch eine gute Seite: Zusammen mit Calcium und ausreichend Bewegung schützen Östrogene vor Osteoporose.
Tip:
Der BMI gilt nur für Erwachsene! Wenn Sie jedoch den Eindruck haben, daß ihr Kind zu dick ist, sollten Sie Ihren Arzt zu Rate ziehen. Er hilft Ihnen dabei, das Eßverhalten Ihres Kindes sehr behutsam zu ändern.
Die Männer haben es beim Abnehmen leichter: Ihre Fettzellen sind kleiner und können nicht so viel einlagern wie die der Frauen. Und ihre im Vergleich zu Frauen größere Muskelmasse verbraucht die Kalorien buchstäblich im Schlaf. Denn Muskeln verbrennen auch im Ruhezustand Energie. Zusätzlich sorgt das Sexualhormon Testosteron für eine deutlich schnellere Gewichtsabnahme. Aber einen Haken hat die Sache trotzdem: Der berüchtigte Bierbauch ist wesentlich gefährlicher als die weiblichen Rundungen. Denn der Bauch stellt ein hohes Risiko für Herz und Kreislauf dar.
Bei allen Gefahren, die Übergewicht mit sich bringt, sollten Sie trotzdem Ihr Wunschgewicht realistisch ansetzen. Es ist weder erstrebenswert noch gesund wie Kate Moss oder Twiggy auszusehen. Wir sind nun mal nicht alle gleich gebaut, und nicht...