In diesem Kapitel wird die Thematik der Datenerhebung und auf deren einzelnen Prozessschritte genauer eingegangen. Die hier beschriebene Herleitung des verwendeten Forschungsprozesses basiert auf den theoretischen Überlegungen.[156]
Durch die empirische Sozialforschung wird von der Wissenschaft versucht, auf Grundlage empirischer Daten unbestreitbare, handlungsleitende Feststellungen bereitzustellen (vgl. Kromrey, 2009: 6). Sie beschreibt Methoden, Techniken und Instrumente, um Untersuchungen des Verhaltens von Menschen oder anderer sozialer Erscheinungen wissenschaftlich korrekt durchzuführen (vgl. Häder, 2006: 20). Die Methoden der empirischen Sozialforschung lassen sich in quantitativ und qualitativ unterscheiden (vgl. Hermanns, 1992: 112 f.)[157] Quantitative Erhebungen haben das Ziel, die Häufigkeitsverteilung von sozialen Phänomenen anhand einer Vielzahl von Teilnehmenden zu beschreiben, um möglichst verlässliche Aussagen zu generieren oder Erklärungsmodelle zu überprüfen (Mieg & Näf, 2005: 4). Qualitative Erhebungen haben den Anspruch, Lebenswelten von innen aus der Sicht handelnder Menschen aufzuzeigen (Flick, von Kardorff, & Steinke, 2005: 14). Der Mensch hat hierbei eine Doppelrolle von Untersuchungsobjekt und -subjekt (vgl. Lamnek, 2005: 32). Der Zugang zu den Untersuchungen ist offener und daher näher am Geschehen. Die qualitative Forschung ist daher auch offen für das Neue und das Unbekannte im scheinbar Bekannten (vgl. Flick, von Kardorff, & Steinke, 2005: 17). Das Interview, welches der qualitativen Sozialforschung angehört, ist noch immer die am häufigsten verwendete Art der Datenerhebung (vgl. Kromrey, 2006: 336). Es wird auch als der Königsweg der Sozialforschung angesehen (vgl. Diekmann, 2008: 434).
Interpretation der Ergebnisse und Beantwortung der Untersuchungsfrage | |
Abbildung 9: Struktur des verwendeten empirischen Untersuchungsprozesses
Heruntergebrochen vom strategisch übergeordneten Ziel der Mitarbeiterbindung wichtiger Schlüsselpositionen der Oerlikon Solar wurden die Ziele dieser Master-Thesis abgeleitet. Diese sind in erster Linie die Herleitung der FK als wichtige MAB-Massnahme sowie deren Konzeption und Einführung. Sie stehen im Zusammenhang mit den Ergebnissen der Analyse der Austrittsinterviews, bei denen 15 %[158] die fehlenden Weiterentwicklungsmöglichkeiten als Austrittsgrund nannten und dies „…mit Abstand der meist genannte Austrittsgrund…“ (Mattle, 2011: 9) war.
Da sich die vorliegende Arbeit nicht mit einer Wissenslücke eines Theoriekonstrukts befasst, sondern mit der Beschaffung von Informationen zu einem Fachgebiet, hat sich der Autor für die Untersuchungsfrage entschieden. Diese lautet: „Wie muss eine Fachkarriere hergeleitet, konzipiert, eingeführt und betreut werden, damit sie von den Mitarbeitern als Weiterentwicklungsmöglichkeit akzeptiert wird?“ Um die Wirkungsmechanismen zu erläutern, wurde die mechanismusorientierte Erklärungsstrategie herangezogen. Die theoretischen Vorüberlegungen wurden mithilfe von Literaturrecherchen und der Suche nach veröffentlichten Praxisbeispielen vorbereitet. In einem zweiten Schritt flossen die gewonnenen Erkenntnisse mit der Untersuchungsfrage zusammen, um Hypothesen zu bilden.
Durch das Vorhandensein verschiedener Unternehmensbeispiele ist die Untersuchungsstrategie eine vergleichende Studie. Die Methodenauswahl hat sich durch die mechanismusorientierte Erklärungsstrategie primär auf die qualitativen Erhebungsmethoden beschränkt. Die benötigten Informationen zur Schliessung der Wissenslücke können auch durch eine Beobachtung erhoben werden. Dies impliziert allerdings einen enormen Aufwand sowie die Schwierigkeit, freiwillige Untersuchungsfelder zu finden. Daher wurde als Methode die Befragung verwendet.
Laut Gläser & Laudel ist der Entscheid für eine Befragung gleichzusetzen mit dem Entscheid für ein Experteninterview (vgl. Gläser & Laudel, 2010: 105). Aufgrund der Literaturempfehlungen und der beschriebenen Vorteile wurde ein Leitfaden erstellt. Dieser gliedert sich in Einstieg (Einführende Fragen)[159], Hauptteil (Konzeption und Einführung) und Schluss (Rückblickende Betrachtung) (vgl. Mieg & Näf, 2005: 14 f.).
Um die passenden Interviewpartner zu finden, grenzte der Autor zunächst die Branche sowie die Länder ein. Mit Fokus auf die Branche Anlagen- und Maschinenbau in der Schweiz, dem grenznahen Österreich und im Fürstentum Liechtenstein wurde versucht, geeignete Firmen zu finden, welche die Fachkarriere bereits umgesetzt haben. Durch die in den theoretischen Vorüberlegungen getätigte Literaturrecherche sowie durch Konsultation der Internetseiten der ausgewählten Firmen konnten die benötigten Informationen über Firmen mit Fachkarriere gefunden werden. Die Analyse zeigte jedoch, dass es zu wenige Firmen in dem eingegrenzten Bereich gab. Da der Autor davon ausgehen musste, nicht alle gewünschten Experten der jeweiligen Firmen für ein Interview gewinnen zu können, weitete er die Suche zudem in Branchen aus, die durch hochspezialisierte Mitarbeiter gekennzeichnet sind, in denen er die gleiche Problematik wie bei der Oerlikon Solar vermutete. Die genaue Beschreibung wie die Interviews zustande gekommen sind wird zu Beginn der Interviewanalyse aufgezeigt.
Bei der Konzeption des Leitfadens konnte auf die bereits geleistete Vorarbeit zu Beginn des Forschungsprozesses zurückgegriffen werden. Anhand der Untersuchungsfrage und der daraus abgeleiteten Hypothesen wurden die Interviewfragen entwickelt. Die oben beschriebene Einteilung leitete sich direkt aus der Untersuchungsfrage ab. Die einführenden Fragen stehen in direktem Zusammenhang mit der Herleitung der Fachkarriere. Die Konzeption und Einführung sind thematisch eigenständig und bilden den Hauptteil. Die rückblickende Betrachtung bildet, durch die Abrundung des in der Vergangenheit eingeführten Konzepts, den Schluss des Leitfadens.
Zum Einstieg wurde die Frage nach der Funktion des Befragten und deren Zusammenhang zur FK, den Gründen und den Zielen gestellt, welche relativ einfach zu beantworten sind und der Eingewöhnung in das Interview dienen. Die Schlussfrage richtet sich direkt auf die Sichtweise des Befragten. „Diese Frage hat zwei Vorteile: Sie überlässt es dem Interviewpartner, über den Inhalt der Antwort zu entscheiden, und ist deshalb wahrscheinlich angenehm für ihn. Ausserdem erhöht es die Offenheit des Interviews, …“ (Gläser & Laudel, 2010: 149). Jede Frage im Leitfaden wurde nochmals explizit bezüglich Relevanz, inhaltlicher Antwortmöglichkeit, Formulierung und Positionierung überprüft. Um Nachbearbeitungen im Anschluss an die ersten Interviews zu vermeiden, wurde ein Vortest des Leitfadens mit zwei HR Business Partnern aus der Projektgruppe durchgeführt, welche beide positiv ausfielen (vgl. K. B., 2012).
Aufgrund der oben beschriebenen Vorteile erfolgte die erste Kontaktaufnahme per Telefon; dies auch, da die Experten innerhalb der Organisation, die auf ihrer Homepage auf die Fachkarriere aufmerksam macht, nicht bekannt waren. Nach dem Telefonanruf folgte eine E-Mail, in der nochmals die wichtigsten Punkte schriftlich dargelegt wurden. Dies beinhaltete:
eine Situationsklärung
das Ziel mittels der Untersuchungsfrage
die ausgewählte Methode der Untersuchung
die Analyseart und die daraus resultierenden möglichen Folgen für die Teilnehmenden
die geplante Dauer
den Wunsch, während des Interviews ein Tonband mitlaufen zu lassen
den Auswahlgrund des Angeschriebenen
das Interesse des Interviewenden[160]
Der Leitfaden wurde nur nach ausdrücklichem Wunsch mitgeschickt, um das Antwortverhalten nicht zu beeinflussen. Das jeweilige Zustandekommen der Experteninterviews kann dem Interviewbericht in der Datenauswertung entnommen werden.
Um...