Bereits in den vergangenen Jahrzehnten versuchten Unternehmen durch Unternehmensreorganisationen Kosten zu senken, um dem steigenden Wettbewerbsdruck standhalten zu können.[1] Neben der Forderung nach der Konzentration auf Kernkompetenzen[2] entstand auch zunehmendes Bewusstsein für Prozessorientierung, zB durch das Aufkommen des Business Reengineering Ansatzes Anfang der 90er Jahre. Unter anderem lösten diese die rein funktionale Konzernorganisation weitgehend ab.[3]
Auch wenn in der Unternehmenspraxis durch die Konzentration auf Kernkompetenzen oftmals das Hauptaugenmerk auf die optimale Gestaltung wertschöpfender Prozesse liegt, sind auch administrative und unterstützende Unternehmensfunktionen aufgrund der oftmals darin herrschenden Ineffizienz[4] schon seit Jahren Gegenstand von organisationspolitischen Diskussionen. Bereits vor mehr als zehn Jahren wurde von Kieninger/Sommerfeldt auf das Problem steigender Gemeinkosten hingewiesen und die Einführung einer PKORE als alternatives System zur Steigerung der Transparenz und Verursachungsgerechtigkeit in der Gemeinkostenumlage empfohlen.[5] Wenige Jahre danach forderten Krüger/Werder zur Steigerung der Effizienz und erhöhtem Kostenbewusstsein in Supportfunktionen auf. Außerhalb der Kernkompetenzen sollten demnach Outsourcingpotenziale untersucht werden. Bei den restlichen Supportfunktionen, die sich nicht zur Auslagerung eignen, stellt sich im Wesentlichen die Entscheidung zwischen dezentraler oder zentraler Organisation. Für jene Aufgaben, die unter Wahrung der Anforderungen an diese Aufgaben bündelungsfähig sind, wurde bereits damals die Konzentration in Servicebereichen vorgeschlagen.[6]
In den letzten Jahren erschienen auch im deutschsprachigen Raum vermehrt Publikationen zu dem aus der Praxis entstandenen Organisationskonzept der „Shared Service Center“ (SSC), welches sich in Amerika bereits hoher Verbreitung erfreut.[7] Auf die Möglichkeit zur Bündelung von Finanz- und/oder Controllingaufgaben (FCA) in einem SSC wiesen bisher nur wenige Autoren hin.[8] Mit der Bündelung von Unterstützungsaufgaben (wie zB IT, Personalbereich, Finanzwesen usw.) in wirtschaftlich von anderen Unternehmensbereichen abgrenzbaren Einheiten, den sog. „Shared Service Centern“, sollen im Wesentlichen durch die Konsolidierung, die Konzentration von Know How und das Prozessreengineering deutliche Kosten- und Qualitätsvorteile realisierbar sein.[9] Die von Booz Allen & Hamilton genannten Einsparungspotenziale von 20 % im Controlling und bis zu über 30 % in der Finanzbuchhaltung hängen natürlich immer vom jeweiligen Unternehmen ab.[10] In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass das SSC-Konzept vor allem in größeren Unternehmen zweckmäßig eingesetzt werden kann.[11] Ausgehend davon und unter Einbeziehung der Tatsache, dass sich Kosteneinsparungen hauptsächlich aus der Bündelung ehemals mehrfach ausgeführter Aufgaben ergeben,[12] erscheint das SSC-Konzept für Konzerne (da Einheit aus mehreren Unternehmen) besonders geeignet,[13] weshalb diese Arbeit das SSC-Konzept in Konzernen (siehe Kapitel 2.1.) untersuchen soll und zwar für den Finanz- und/oder Controllingbereich (FCB).
„Bei der organisatorischen Ausgestaltung großer Konzerne zeichnet sich als genereller Trend ab, den jahrelang dominierenden Stammhauskonzern durch eine Holding-Struktur abzulösen.“[14] Zwar bezweckt man mit der Schaffung von übergeordneten Holdings, welche im Grunde Steuerungsaufgaben übernehmen, weitgehende Dezentralisierung und Flexibilisierung, zur Realisierung von Skalen- und Synergieeffekten übernimmt die Holding jedoch darüber hinaus die Bündelung von bestimmten Funktionen (nicht erfolgskritischer Natur) in zentralen Bereichen.[15] Wie auch in den letzten Jahren ist zu erwarten, dass vor allem Wien mit seinen 300 Konzern-Headquarters die Rolle Österreichs als Holdingstandort stärken wird,[16] weshalb eine Untersuchung der österreichischen Konzerne interessant erscheint.
Neben der empirischen Untersuchung von SSC im FCB österreichischer Konzerne, soll das SSC-Konzept vorher umfassend theoretisch behandelt werden. Folgende wissenschaftliche Fragestellungen sind im Rahmen dieser Arbeit zu beantworten:
1. Welche Aufgaben eignen sich zur Bündelung in einem „Financial Shared Service Center“ (FSSC) und welche strategischen Überlegungen sind bei dessen Organisation zu beachten?
2. Wie geht man bei der Implementierung von Finanz- und Controllingaufgaben in ein FSSC vor und wie kann ein FSSC gesteuert und kontrolliert werden?
3. Welche Verbreitung finden FSSC in österreichischen Konzernen? Wie sind FSSC in österreichischen Konzernen gestaltet und welche Aufgaben bündeln österreichische Konzerne in FSSC? Welche Beweggründe nennen österreichische Konzerne für die Einführung von FSSC im eigenen Unternehmen bzw. welche Gründe sprachen gegen die Anwendung dieses Konzepts im Finanz- und Controllingbereich des eigenen Unternehmens?
Nicht nur mit dem theoretischen, sondern auch mit dem umfassenden empirischen Teil dieser Arbeit sind wichtige Ziele verbunden. Da bis dato nur wenig einschlägige, deutschsprachige Literatur zum Thema „Financial Shared Service Center“ besteht und es sich beim Großteil der Publikationen um kurze Artikel in Fachmagazinen handelt, soll das SSC-Konzept anhand operativer und strategischer Überlegungen in der Planungsphase sowie anhand von Entscheidungen rund um die Implementierung, Steuerung und Kontrolle von SSC im finanzwirtschaftlichen Bereich dargestellt und kritisch gewürdigt werden. In diesem Zusammenhang sollen auch Eignungsvorraussetzungen für einen Financial Shared Service identifiziert werden. In den Theoriekapiteln (1-4) wird somit zunächst die Grundlage für die empirische Untersuchung des SSC-Konzepts im FCB österreichischer Konzerne geschaffen. Aus den Erkenntnissen der Theorie (aber auch aus den gesammelten Erfahrungen aus den Interviews) sollen „Empfehlungen“ für die erfolgreiche Planung, Einführung, Steuerung und Kontrolle von FSSC selbstständig vom Autor erarbeitet werden.
Die Zielsetzung des empirischen Teils besteht nicht nur in der Identifikation des Umsetzungsausmaßes vom SSC-Konzept im FCB österreichischer, börsennotierter Konzerne sowie der Beweggründe zu solch einer, doch meist mit hohen Aufwendungen verbundenen, Reorganisation. Da sich lt. einer SSC-Studie aus dem Jahr 2004[17] FSSC in österreichischen Unternehmen nur geringer Verbreitung erfreuen (siehe dazu Kapitel 2.3.4.),[18] sollen auch die Motive bzw. Gründe gegen eine FSSC-Implementierung durch die Befragung von österreichischen, börsennotierten Konzernen, die noch über kein FSSC verfügen, identifiziert werden. In jenen Konzernen, die FSSC eingeführt haben, sollen die Ausprägungen dieser SSC anhand der im empirischen Teil dieser Arbeit behandelten Teilbereiche des SSC-Konzepts (strategische Gesichtspunkte, Leistungsvereinbarung und –verrechnung, Implementierung usw.) untersucht werden. Außerdem soll erhoben werden, welche konkreten FCA diese FSSC übernehmen.
Diese Arbeit stellt das SSC-Konzept und dessen Anwendung im FCB des Konzerns umfassend dar und grenzt es von traditionellen Organisationsansätzen ab. Aus der empirischen Untersuchung lassen sich Rückschlüsse auf die derzeitige und zukünftige Verbreitung des SSC-Konzepts für den FCB österreichischer Konzerne ziehen. Außerdem werden anhand von fünf Interviews FSSC der österreichischen Praxis beispielhaft dargestellt. Vor allem Konzernen, die vor einer Reorganisation des FCB stehen, bietet die Arbeit Anhaltspunkte zur Entscheidung über die Anwendung des SSC im eigenen Konzern und zur Implementierung und Gestaltung. Auch Konzernen, die bereits finanzwirtschaftliche Funktionen in einem FSSC organisiert haben, eröffnet sich durch die Erkenntnisse dieser Arbeit die Chance, sich selbst mit den Ergebnissen der untersuchten Objekte in der qualitativen Forschung und der Theorie zu vergleichen. Somit können Verbesserungspotenziale aufgedeckt bzw. Inspiration und Ideen durch die alternativen Gestaltungsansätze anderer Unternehmen gefunden werden. Außerdem könnte die Darstellung und Analyse mehrerer erfolgreicher FSSC-Reorganisationen[19] dazu beitragen, Vorurteile gegenüber dem SSC-Konzept und Scheu vor Veränderungen im FCB abzubauen. Da diese Thematik, wie bereits erwähnt, im deutschsprachigen Raum keineswegs erschöpfend empirisch und theoretisch behandelt wurde, stellt diese Arbeit einen Beitrag zur SSC-Forschung in Österreich dar.
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