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Investmentansätze im Überblick
Es gibt vielfältige Möglichkeiten, sich am Aktienmarkt zu engagieren. Sie können eine Lebensversicherung oder Riester-Rente abschließen, in denen Ihr Geld gegebenenfalls in Teilen am Aktienmarkt eingesetzt wird. Sie können Fondsanteile kaufen oder Zertifikate, die wiederum die Kursentwicklung von Aktien nachbilden. Und Sie können einzelne Aktien kaufen und sich Ihr Portfolio zusammenstellen. Das bringt Vorteile mit sich, birgt aber natürlich auch Risiken. Was mir an der Strategie des »freien Investierens« gefällt, werde ich Ihnen ausführlicher erörtern. Zum besseren Vergleich wird das Stock Picking, also das gezielte Kaufen einzelner Werte, in Relation zu anderen Vorgehensweisen gesetzt.
1.1 Dem Markt folgen
Immer dann, wenn die Börsen über mehrere Jahre in der Breite gut gelaufen sind, kommt Index-Tracking stärker in Mode. Beim Index-Tracking, das wahlweise über Index-Zertifikate oder Index-Fonds bewerkstelligt werden kann, kaufen Sie im übertragenen Sinn einen Index. Sie setzen also nicht auf die Wertentwicklung einer einzelnen Aktie, sondern folgen dem Aktienmarkt in der Breite. In haussierenden Phasen wie etwa der zweiten Hälfte der 1990er Jahre oder auch dem Zeitabschnitt von 2003 bis 2007 war diese Vorgehensweise sehr lukrativ. Sie konnten in beiden Perioden etwa mit DAX-Zertifikaten dreistellige Renditen erzielen und sich dabei Zeit, Mühe und Transaktionskosten sparen.
Source: Thomson Datastream
Abbildung 1: Entwicklung des DAX
Das Problem an dieser schönen Welt: In dieser theoretischen Form wird es keinem Anleger gelingen, die Sonnenscheinperioden abzupassen und nie im Regen zu stehen. Wenn Sie Anfang 2000 auf die Idee gekommen sind, doch mal im großen Stil Indexzertifikate zu kaufen, mussten Sie verflixte sieben Jahre lang warten, bis Sie Ihren Einstand wiedersahen. Das natürlich nur unter der Voraussetzung, dass Sie angesichts zwischenzeitlicher Buchverluste von nahezu drei Viertel des Einsatzes nie die Nerven verloren und verkauft haben.
Dass Sie Ihren Einsatz überhaupt wiedersehen, ist nicht so selbstverständlich, wie es viele Börsenratgeber suggerieren. Zwar ist grundsätzlich anzunehmen, dass marktbreite Indizes die entsprechenden Volkswirtschaften zu einem guten Teil widerspiegeln und somit auch ein Wert- bzw. Preiszuwachs zumindest auf Höhe des nominalen volkswirtschaftlichen Wachstums zu erwarten ist, doch können temporäre Übertreibungsphasen anschließend für einen gehörigen Kater sorgen, zumal irrationale Übertreibungsphasen immer erst im Nachhinein klar erkennbar sind. Der nachfolgend abgebildete Kursverlauf des japanischen Nikkei-Index spricht eigentlich für sich. Wer hier zum falschen Zeitpunkt, also 1989/1990, auf den seit Jahren sehr erfolgreichen japanischen Markt gesetzt hatte, dürfte sich mittlerweile endgültig vom Gedanken verabschiedet haben, seinen Einstand in diesem Leben wiederzusehen. Über Verzinsung in Form von Kursgewinnen sprechen wir nicht.
Source: Thomson Datastream
Abbildung 2: Entwicklung des Nikkei
Die japanische Misere ist umso bemerkenswerter, weil es hier nicht um irgendeine spekulative Nische geht, sondern um den kumulierten Marktwert der 225 wichtigsten börsennotierten Unternehmen der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Fast schon selbstredend, dass die Gefahren des Index-Tracking noch mal substanziell größer sind, wenn Sie auf spezielle, kleinere Indizes setzen. Zur Erinnerung: Der TecDAX als Nachfolgeindex des Nemax50 notiert heute etwa bei einem Zehntel des Höchstkurses seines Vorgängerindex. Ein Fiasko für jeden, der zum Zenit eingestiegen ist.
Doch bleiben wir beim Index-Tracking der großen Börsenbarometer. Das gezeigte Desaster des Nikkei ist zweifelsohne kein Normalfall, aber dennoch ganz sicher nicht »unwiederholbar«. Nehmen Sie die Börsen der größten Volkswirtschaft der Welt, den USA. Seit mehreren Jahrzehnten steigen die Börsenwerte hier kontinuierlich. Die beiden populären Indizes Dow Jones Industrial und S&P 500 notieren knapp unter dem Allzeithoch, was im Umkehrschluss bedeutet, dass kein Index-Tracker hier einen großen Verlust ausweisen kann. Das will im Aktienmarkt wirklich etwas heißen, garantiert aber keine Fortsetzung. Wie Sie in Abbildung 3 sehen, klafft zwischen der Preissteigerung (ich rede bewusst nicht von Wertsteigerung) des 500 Blue Chips umfassenden S&P-Index und dem volkswirtschaftlichen Wachstum eine sichtbare Lücke. Ein Schließen dieser Lücke wäre für Index-Tracker sicher wenig vorteilhaft.
Worauf ich mit diesen Beispielen hinaus will: In der Finanzpresse und in Börsenratgebern wird oft und gerne suggeriert, dass Anleger mit bloßem Index-Tracking kaum etwas falsch machen können. Das halte ich gelinde gesagt für gefährlich. Sie setzen sich mit Index-Tracking zu 100 Prozent dem Marktrisiko aus. Eine Reduzierung desselben können Index-Tracker nur mit einer variablen Verteilung von Indexinvestments zur Kassenquote erreichen, was aber wiederum eine aktive Beobachtung des Marktes mitsamt den richtigen Rückschlüssen erfordert. Zudem sind Indizes auch nicht immer sehr breit gestreut. Der DAX etwa umfasst nur 30 Werte. Wenn hier einzelne Branchen temporär sehr stark gewichtet sind, wie um die Jahrtausendwende
Source: Thomson Datastream
Abbildung 3: S&P 500 und US-BIP im Vergleich
Technologie- und Telekommunikationswerte, können andere Werte starke Bewegungen der dominierenden Indizes nur bedingt ausgleichen.
Insgesamt bleibt zu konstatieren, dass Index-Tracking kostengünstig und sehr einfach durchzuführen ist, jedoch nicht als Selbstläufer verstanden werden soll.
1.2 Den Markt schlagen
Wenn der Markt in Gestalt der großen Indizes nun vielleicht nicht als das zeitlose Allheilmittel für das Depot angesehen wird, die zumeist positiven Entwicklungen der Indizes jedoch mitgenommen werden sollen, liegt es nahe, dem Markt in Teilen zu folgen. Eine Strategie, die für aktive Fonds vergleichsweise weit verbreitet ist.
Fondsmanager stellen ihren Fonds im Kern wie den Index zusammen, verpassen dem Konstrukt aber dann vereinzelte persönliche Nuancen. Das sieht dann in der Praxis etwa so aus, dass Aktie x, die im Leitindex mit 8 Prozent gewichtet ist, im Fonds einen Anteil von nur 6 Prozent hat, während Aktie y im Index nur 5 Prozent ausmacht, in besagtem Fonds aber auf 7 Prozent kommt. Gegenüber dem Vergleichsindex (bzw. der Benchmark) ist der Fondsmanager mit Aktie x untergewichtet und mit Aktie y übergewichtet. Entwickelt sich x eher schlecht und y eher gut und gehen auch andere Abweichungen vom Index überwiegend auf, könnte der Fondsmanager wahrscheinlich eine bessere Entwicklung als der Index erreichen. »Wahrscheinlich« schon alleine deshalb, weil der Fondsmanager alle anfallenden Kosten (Managementgebühren, Transaktionskosten, Depotkosten etc.) noch obendrauf verdienen muss. Eine Hürde, die nicht zu unterschätzen ist.
Wenig überraschend also, dass zahllose Manager den Anspruch, ein besseres Ergebnis als der Markt zu erzielen, nicht erfüllen können. Ergebnisse einzelner Studien zu diesem Thema variieren zwar in den Zahlen, kommen aber zumeist grob zum Schluss, dass in stark frequentierten Märkten 80 Prozent der Fondsmanager auf Dauer nicht den Markt schlagen. In weniger effizienten Märkten, etwa Emerging Markets, oder bei Nebenwerten, kann diese Relation zwar auf bis zu 50 Prozent steigen – ein Kinderspiel ist das »Schlagen« des Index jedoch ganz sicher nicht.
Dazu bleibt das Marktrisiko, das bei indexnahen Fonds kaum eliminiert ist. Bricht der Vergleichsindex um 30 Prozent ein und der Fondsmanager schafft es, in dieser Periode dem Index fünf Prozentpunkte abzunehmen, dann hat der Mann seine Aufgabe gut gelöst. Der generierte Verlust von 25 Prozent ist indes nicht jedermanns Sache. Derartige Erlebnisse betreffen übrigens nicht nur ausgewiesene »indexnahe« Fonds, sondern die meisten Aktienfonds, weil die in den Prospekten verankerten Statuten sehr häufig eine totale Abkehr vom Aktienmarkt nicht vorsehen. Privatanleger haben diese Probleme nicht, sie können in ihren Portfolios beispielsweise die Investitionsquote beliebig variieren. Ein klarer Vorteil. Diese Autarkie, sich an keine vorab starr definierten Statuten zu halten, sondern vollkommen frei zu agieren, ist natürlich auch bei der Aktienauswahl selbst möglich.
1.3 Sich losgelöst vom Markt bewegen
Die Freiheit, unabhängig vom Markumfeld nach chancenreichen Aktien zu suchen, betrachte ich als echtes Privileg eines Privatanlegers. Dies gilt ebenso in schwachen Marktphasen für die Suche nach günstigen Werten (die möglichst gering mit dem Markt korrelieren), wie auch in starken Phasen, bei Wetten auf...