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Förderung von Selbstbehauptung und Zivilcourage in der Schule. Ein Projekt zur Gewaltprävention in der Grundschule

Förderung von Selbstbehauptung und Zivilcourage am Beispiel eines Gewaltpräventionsprojekt in der Grundschule

AutorRicarda Lermer
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl100 Seiten
ISBN9783638808347
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Pädagogik - Allgemein, Note: 1, Ludwig-Maximilians-Universität München, 86 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Diese Arbeit stellt zunächst die möglichen Entstehungsbedingungen von Gewalt und Aggression dar. Des Weiteren wird auf Täter-Opfer-Typologien, geschlechtsspezifische Unterschiede und Migrationsproblematiken eingegangen. Der zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich mit den Möglichkeiten der Gewaltprävention in der Schule und macht dies am Beispiel des bayerischen Gewaltpräventionsprogramms 'aufgschaut' für die Grundschule deutlich.

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Leseprobe

B  Gewalt in der Schule


 

B 1 Annäherung an den Begriff Gewalt


 

Eine Arbeit zum Thema Gewaltprävention benötigt zu aller erst eine Klärung der Begriffe Gewalt und Prävention. Allerdings kann eine Definition dieser Begriffe nie den Anspruch auf Vollständigkeit oder Eindeutigkeit erheben (Fuchs et al., 2005). Im Folgenden wird versucht, eine möglichst breite Definition des Gewaltbegriffs zu geben. Auf den Begriff der Prävention wird unter Punkt C 1 „Klärung de Begriffs Gewaltprävention“ näher eingegangen.

 

„Der Begriff Gewalt ist schillernd und vieldeutig; weder im Recht noch in der Wissenschaft gibt es einen umfassenden Konsens über den Begriff Gewalt“ (Neidhardt, 1986; Honig, 1992; Trotta, 1997, zitiert nach Melzer, Schubart & Ehinger, 2004, S. 44). Tillmann et al., (2000) sortieren den Begriff Gewalt in Anlehnung an Willems (1993) und Hansel (1994) in eine enge und eine weite Definition. Zur engen Definition zählen die physische Schädigung und der körperliche Zwang. Hier handelt es sich meist um Konflikte zwischen zwei oder mehreren Personen, wobei mindestens eine dieser Personen der jeweils anderen mit physischen Mitteln, beispielsweise durch Körperkraft, schadet. Diese körperliche Schädigung, wie beispielsweise eine Ohrfeige, ein gebrochener Arm oder lebensgefährliche Verletzungen, wird sowohl im Alltag als auch in der Wissenschaft klar als Gewalt definiert. Allerdings wird hier darauf hingewiesen, dass diese enge Definition von Gewalt mit Vorsicht zu genießen ist. Kann jede Ohrfeige, jeder Klaps auf den Hintern eines Kindes oder jeder Boxkampf tatsächlich immer als gewalttätiges Handeln bezeichnet werden? Die Kriterien „körperlicher Zwang“ und „Schädigungsabsicht“ reichen also nicht aus, um eine Handlung als gewalttätig einzustufen. Zusätzlich kommt es auf die normativen Momente an, also jene Situationen, in denen der physische Zwang als moralisch unangemessen eingeordnet wird. Hier muss auch bedacht werden, dass sich normative Vorstellungen im Laufe der Zeit verändern können. Deutlich erkennbar ist das am Beispiel Schule: Bis in die 60er-Jahre hinein war es Volksschullehrern erlaubt, männliche Schüler auch körperlich zu strafen. Heute gilt diese Form der Erziehung als körperliche Gewalt und ist zudem strafbar. „Die Definition von bestimmten Handlungen als ‚körperliche Gewalt’ folgt damit auch immer einem normativen Verständnis, das zeitlich-historisch gebunden ist“ (Tillmann et al., 2000, S. 20).

 

In die Definition von körperlicher Gewalt sollte nach Meinung der Autoren auch die Androhung von Gewalt und die Gewalt gegen Sachgegenstände (Vandalismus) eingeschlossen werden. Zusammenfassend gilt für die enge Definition von Gewalt: „Gewalt ist dann zu verstehen, ‚als die intentionale Ausübung physischer Stärke durch Menschen, die sich unmittelbar oder mittelbar gegen andere Mitglieder der Gesellschaft richtet, sowie die ernsthafte Androhung eines solchen physischen Krafteinsatzes, die sich auf den Rahmen einer sozialen Interaktion beschränkt’“ (Böttger & Lang, 1996, S. 6, zitiert nach Tillmann et al., 2000, S. 20).

 

Doch wozu zählen Gewaltformen, die weniger offensichtlich sind wie die körperliche Gewalt? Wo lassen sich verbale Gewalt oder Mobbing, also Gewaltformen, wie unter Druck setzen, lächerlich machen, hänseln, ausgrenzen oder bloßstellen, einordnen, die in den Schulen am Häufigsten auftreten (Fuchs et al., 2005 ; Sailer, 2004)? An dieser Stelle erweitert das Autorenteam seinen bisher relativ engen Gewaltbegriff: „Indem man einzelne ausgrenzt oder abwertet, indem man sie beleidigt, erniedrigt oder emotional erpresst, wird eine Person oft viel stärker ‚verletzt’ als durch einen Tritt gegen das Schienbein“ (Tillmann et al., 2000, S. 20). Olweus (2003, S. 437) definiert Mobben wie folgt: „Ein Schüler oder eine Schülerin ist Gewalt ausgesetzt oder wird gemobbt, wenn er oder sie wiederholt und über eine längere Zeit den negativen Handlungen eines oder mehrerer anderer Schüler oder Schülerinnen ausgesetzt ist“. Hierzu gehören laut Olweus (1996) verbale Verletzungen, wie drohen, verspotten, hänseln oder beschimpfen. Aber natürlich auch Verletzungen durch Körperkontakt, wie treten, stoßen, kneifen oder festhalten. Eine negative Handlung kann aber auch nonverbal, beispielsweise durch Fratzenschneiden, schmutzige Gesten oder den Ausschluss aus einer Gruppe, geschehen. Gewalt kann von einer Person oder von einer Gruppe ausgehen und sich entweder gegen eine oder mehrere Personen richten. Für Lehrer ist es wichtig zu wissen, dass Gleichaltrige täglich in der Schule während ihren sozialen Interaktionen immer wieder mit Hänseleien konfrontiert werden. Diese können spielerischen, aber auch einen abwertenden oder offensiven Charakter haben. Ab diesem Zeitpunkt, vor allem wenn das Opfer sich dagegen wehrt, ist von Gewalt beziehungsweise Drangsalieren zu sprechen, wobei die Grenze zwischen Spiel und Ernst oft schwer zu erkennen ist. Daher können drei Kriterien benannt werden, um Mobben zu  identifizieren: Der Begriff Gewalt kann nur dann gebraucht werden, wenn ein Verhalten erstens über einen längeren Zeitraum, zweitens beabsichtigt durchgeführt wird und drittens ein asymmetrisches Kräfteverhältnis zwischen zwei Personen vorliegt. Dabei ist der schwächere Schüler dem Täter, der negative Handlungen an ihm ausübt, hilflos ausgeliefert (Olweus, 2004). Außerdem ist es sinnvoll zwischen unmittelbarer, das heißt offenen Angriffen und mittelbarer Gewalt, also Formen von gesellschaftlicher Ausgrenzung, zu unterscheiden (Olweus, 1996).

 

Differenziert werden kann der Gewaltbegriff auch mit zu Hilfenahme des Begriffs Bullying, der als „systematische und wiederholte Aggression gegenüber Schwächeren und bestimmter zeitlicher Erstreckung angesehen wird“ (Schäfer, 1997a, zitiert nach Jäger, 1999, S. 205). Nachdem der oben beschriebene Begriff des Mobbing vor allem für die Gewalt am Arbeitsplatz verwendet wird, bezieht sich Bullying auf die verbale beziehungsweise psychische Gewalt in der Schule. Massive Formen verbaler Gewalt, wie beispielsweise Lügen verbreiten, verspotten und hänseln, die mit Bullying bezeichnet werden, belasten die Schüler stark (Fuchs et al., 2005).

 

Im Bezug auf die Institution Schule muss allerdings neben der Gewalt, die von Personen gegen Personen ausgeübt wird, auch die Gewalt beachtet werden, die vom System Schule ausgeht. Diese Form von Gewalt wird als „institutionelle Gewalt“ (Lenk, 1982, S. 32, zitiert nach Tillmann et al., 2000, S. 22) bezeichnet. Wenn man noch einen Schritt weiter geht, stößt man auf den Begriff der „strukturellen Gewalt“ des skandinavischen Friedensforschers Johan Galtung. Strukturelle Gewalt geht demnach nicht von einem Täter aus, sondern ist ein Dauerzustand, wie Armut oder Unterdrückung. Nach Galtung (1975, S. 9, zitiert nach Tillmann et al., 2000, S. 22) ergibt sich für die Definition von struktureller Gewalt: „Gewalt liegt dann vor, wenn Menschen so beeinflusst werden, dass ihre aktuelle somatische und geistige Verwirklichung geringer ist als ihre potentielle Verwirklichung“. In diesem Fall wird Gewalt entpersonalisiert. Schüler stehen der Übermacht Schule gegenüber, die durch Notendruck, Stoffplan, Versetzungszeugnis oder Schulklingel Gewalt auf sie ausübt. Zur strukturellen Gewalt in der Schule gehören auch Leistungsdruck, repressive Unterrichts- und Erziehungsmethoden und Selektion (Sailer, 2004). Allerdings sprechen sich laut Tillmann et al. (2000) zahlreiche Sozialwissenschaftler, wie Willems, Schwind und andere dafür aus, die Definition der strukturellen Gewalt enger zu fassen. Demnach können Armut, Ungleichgewicht und Unterdrückung Ursachen für Gewalt sein, aber nicht Gewalt selbst.

 

Neben der Definition des Begriffs Gewalt sollten aber nach Tillmann et al. (2000) benachbarte Begriffe wie Aggression beziehungsweise Aggressivität, die hauptsächlich in der Psychologie verwendet werden, betrachtet werden.

 

Nach Nolting (1993, S. 91, zitiert nach Knopf, 1996, S. 38) steht aggressives Verhalten für jede Aktivität, für „jedes In-Angriff-Nehmen, jede Selbstbehauptung und jedes tatkräftige Handeln“. Dies wird zurückgeführt auf die lateinische Abstammung des Wortes aggressiv von „aggredi“, was soviel heißt wie angreifen oder in Angriff nehmen (Knopf, 1996). Unter Aggression werden solche Verhaltensweisen zusammengefasst, bei denen „ein gerichtetes Austeilen schädigender Reize erkannt wird“ (Lösel, 1990, S. 10, zitiert nach Tillmann et al., 2000, S. 23 f.). Nach Krahé & Greve (2006) wird aggressives Verhalten angewendet, um anderen Menschen zu schaden. Dazu gehören die physische, verbale oder relationale Aggression. Wichtig ist nach Selg (1994) auch zwischen verschiedenen Aggressionsformen zu unterscheiden. Hier wird die verbale Aggression der körperlichen Aggression gegenübergestellt, aber auch die affektbegleitete, das heißt wütend-feindselige Aggression von instrumenteller Aggression getrennt. Die affektbegleitete Aggression strebt meist die Befreiung von Spannungen und damit teilweise auch den Schaden des Opfers an, während die instrumentelle Aggression ein Ziel erreichen will und dabei nicht zwingend Schaden zufügen will. In diesem Zusammenhang muss nach Selg (1994) auch zwischen Fremd- und Autoaggression, individueller Aggression und Großgruppenaggression, spontaner und reaktiver Aggression unterschieden werden. Bedacht werden muss in jedem Fall, dass Aggressivität immer nur...

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