Pizarros Absicht, auf hoher See bis Tumbez zu kommen, ward durch widrige Winde vereitelt. Er sah sich gezwungen, in die Bucht von San Matteo einzulaufen. Hier schiffte er seine gesamte Streitmacht aus, entschlossen, auf dem Landwege nach Tumbez zu marschieren, das er zu seinem militärischen Stützpunkt zu machen plante. Die Entfernung bis dahin betrug etwa 600 km. Die Schiffe sollten an der Küste folgen.
Der Marsch war voller Mühsale. Durch den anhaltenden Regen waren die Flüsse angeschwollen. Die Übergänge kosteten Verluste an Menschen, Pferden und Gepäck. Man kam nur langsam vorwärts.
Die erste längere Rast erfolgte, im Hauptorte der Landschaft Koake, nach ungefähr 120 km Marsch. Die kleine Stadt wurde überraschend angegriffen. Pedro Pizarro, einer der Teilnehmer am Zuge, ein entfernter Verwandter des Capitano, erzählt in seinem Bericht: »Wir überfielen sie mit dem Schwert in der Hand, denn wenn wir die Indianer von unserm Nahen unterrichtet hätten, würden wir daselbst nicht eine solche Menge von Gold und Edelsteinen gefunden haben.« Die Einwohner flohen zum größeren Teile, ohne viel retten zu können. Man erbeutete Schmucksachen und Gerät aus Gold und Silber, sowie Haufen von Smaragden, die damals noch nicht recht geschätzt wurden. Pizarro teilte sich einen Smaragd von der Größe eines Taubeneies zu. Er hatte den Befehl gegeben, jedwedes Beutestück abzuliefern. Die Gesamtbeute verteilte er, unter Abzug eines Fünftels für die Regierung, nach bestimmten Sätzen für Offiziere, Kombattanten und Troßleute. Daß die Beute recht beträchtlich war, geht schon daraus hervor, daß Gold im Werte von 20000 Pesos auf einem der Schiffe nach Panama gesandt ward, um Schulden zu bezahlen. Auch die vorgefundenen Vorräte an Maismehl, Kartoffeln, Kakao, an Geflügel, Lamas usw. waren groß; sie sicherten die gesamte Verpflegung auf mehrere Monate.
Ein anderes Schiff ward nach Nikaragua entsandt, um Teilnehmer zu werben. Nach acht- bis zehntägiger Rast wurde der Weitermarsch angetreten, von der übriggebliebenen Karavelle in der Flanke begleitet. Abermals galt es, große Strapazen zu ertragen. Die Regenzeit war vorbei. Jetzt brannte und blendete die heiße Sonne. Die schweren mit Baumwolle gepolsterten Panzerhemden und die Eisenhelme drückten unerträglich. Dazu trat eine ansteckende Krankheit auf, die eiternde Geschwüre am Körper hervorrief und den Ergriffenen arg schwächte. Die Dörfer, Weiler und Hütten, die man antraf, waren von ihren Bewohnern verlassen. Der ehemalige gute Ruf der Spanier bei den Indianern war nun längst dahin.
So erreichte man die Bucht Puerto Viejo. In dieser Gegend bis zur Bucht von Guayaquil war der Indianerstamm der Yumbos ansässig. Ihr Hauptdorf hieß Yokay und lag sechs Leguas südlich der späteren Stadt Puerto Viejo. Nach einiger Verhandlung unterwarf sich der Kazike der Yumbos freiwillig, gewiß zur großen Freude der Spanier, denen es vor Kämpfen mit großen Stämmen graute. Sie brachten Gold und Silber und ließen den Durchmarsch durch ihr Gebiet ruhig geschehen.
In Puerto Viejo erschienen auf zwei Schiffen Verstärkungen aus Panamá, eines davon unter Führung eines Hauptmanns Benalcazar mit dreißig Mann.
Am Golf von Guayaquil ward gerastet. Damit waren ungefähr zwei Drittel des Weges bis Tumbez zurückgelegt. Etwa 10 km entfernt lag die große, den Spaniern nicht unbekannte, durch ihren Handel reiche Insel Puna, die erst unter der Herrschaft des Königs Huayna Kapak nach hartem Kampfe dem Inkareiche unterworfen worden war. Pizarro beschloß sie zu erobern. Er nötigte die Indianer der Küste, ihm Flöße zu bauen und zu bemannen, und landete damit auf der Insel. Der oberste Kazike der Punaner unterhandelte mit den Spaniern. Auf beiden Seiten fürchtete man den Kampf. So gelang es Pizarro, sich auf friedsamen Wege auf der paradiesischen Insel einzunisten. Er verbot zunächst jedwedes Plündern. Die Zeit dazu dünkte ihm noch nicht gekommen; Aber die Soldateska verübte Einbrüche, Erpressungen und Schändungen, so daß es zu einer heimlichen Verschwörung der Insulaner kam. In einer bestimmten Nacht sollten alle Fremdlinge ermordet werden. Durch Verrat erfuhr Pizarro das nur allzu gerechtfertigte Vorhaben. Vielleicht auch war die angebliche Verschwörung ein bloßes Hirngespinst, um Anlaß zur Plünderung und Vergewaltigung zu finden. Kurzum, Pizarro gab Befehl, den obersten Kaziken, in dessen Palast er sein Quartier hatte, nebst dreien seiner Söhne und zwei andern Edelleuten gefangen zu setzen, sodann die Besatzung des Palastes und der Stadt niederzumachen. Nachdem dies geschehen, wurden Hunderte von wohlhabenden Indianern in ihren Wohnungen ermordet, die Frauen und Mädchen vergewaltigt. Die allgemeine Plünderei ergab stattliche Beute.
Die Spanier blieben selbstverständlich unter den Waffen. Man verschanzte sich in einem Teile der Stadt. Wie zu erwarten, begann die empörte Bevölkerung einen Angriff. Die Spanier machten ihrerseits Gegenangriff, und es gelang ihren Reitern, Armbrustern und Büchsenschützen, die ungeordneten Scharen niederzuwerfen und in die nahen Wälder zu jagen. Haufen von Toten bedeckten den Kampfplatz. Auch drei oder vier Spanier waren gefallen; viele verwundet. Hernando Pizarro hatte eine Verletzung am Knie.
In den nächsten Tagen ließ Francisco Pizarro die Umgebung der Stadt durch starke Patrouillen absuchen. Jeder Indianer, dessen man habhaft ward, verfiel der spanischen Mordlust. Drei Wochen wüstete man unter den Insulanern, deren Rest sich versteckte oder nach dem Festlande entkam.
Ein angebliches Kriegsgericht untersuchte die Verschwörung und verurteilte ein Dutzend indianischer Edelleute zum Tode. Sie wurden teils durch das Schwert hingerichtet, teils verbrannt. Der Kazike mußte dem Kaiser Karl den Vasalleneid schwören; dann entließ man ihn, damit er die noch vorhandenen Eingeborenen beschwichtigte.
Als auf der Insel Puna, die jetzt Isla de Santiago hieß, nichts mehr zu erbeuten war, ging Pizarro wieder nach dem Festland und setzte den Marsch auf Tumbez fort. Um diese Zeit traf das nach Nikaragua gesandte Schiff nebst einem andern ein; mit ihm der Hauptmann Hernando de Soto, der später als Entdecker des Mississippi berühmt geworden ist und unter den Fluten des großen Stromes 1541 sein Grab fand. Er war mit Pedrarias nach Amerika gekommen und wurde als vielerfahrener Mann allgemein begrüßt. Soto brachte hundert Mann und mehrere Pferde mit.
Pizarros Streitmacht betrug nunmehr etwa 300 Mann zu Fuß und 50 Reiter.
Inzwischen war in den inneren Verhältnissen im Reiche Perú ein Wandel eingetreten. Der Kronprinz Huaskar hatte als vierzehnter Inka den Thron seiner Väter bestiegen. Einige Jahre blieb sein Verhältnis zu seinem Halbbruder Atahuallpa, der im Lande Quito selbständig herrschte, ungestört. Huaskar wird von den Chronisten als sanftmütiger und friedsamer Mensch geschildert, während Atahuallpa verwegen, tatendurstig und kriegliebend war. Er trachtete danach, Gebiet und Macht zu erweitern. So kam es, daß sich die beiden Brüder mehr und mehr entfremdeten. Intriganten an beiden Höfen verstanden diesen durch die verschiedene Natur begründeten Gegensatz allmählich zur gegenseitigen Feindschaft zu treiben. Irgendeine an sich belanglose Grenzfrage brachte es zu offenem Streit und schließlich zum Kriege. Der Überlieferung nach kam es zu einem Gefecht bei Tomebamba, der größten Stadt der Grenzgegend. Atahuallpa geriet in die Gefangenschaft seines Halbbruders. Es gelang ihm jedoch, wieder zu entrinnen und sich an die Spitze eines ansehnlichen Heeres zu stellen.
Er war damals noch nicht dreißig Jahre alt. Da er ein geborener Soldat war, vergötterten ihn die Truppen. Unterstützt von zwei im Krieg ergrauten tüchtigen Feldherren, Kizkiz und Tschalkutschima (dieser war ein Bruder der Königin-Witwe), begann Atahuallpa den Vormarsch gen Süden. Bei Ambato, zu Füßen des Chimborazo, den die Spanier für den höchsten Berg der Erde hielten, begegneten sich die Heere der feindlichen Brüder. Vom frühen Morgen bis zum späten Abend währte der wütende Kampf. Atahuallpa blieb Sieger. Tausende deckten die Walstatt, darunter der peruanische Heerführer.
Atahuallpa ließ seinen Sieg nicht unausgenutz. Sofort nach der ersten Entscheidung setzte er mit seinem Heere den Marsch fort und nahm alsbald das befestigte Tomebamba, das ebenso wie die gesamte Provinz Kanaris zwar schon längst zum Lande Quito gehörte, trotzdem aber zum Könige Huaskar gehalten hatte. Die Stadt, die sein Vater geliebt hatte, ward von Atahuallpa in Brand gesteckt und ihre Einwohner niedergemacht.
Auf dem weiteren Vordringen ergab sich eine Stadt nach der andern widerstandslos. Das grausame Schicksal von Tomebamba hatte gewirkt. Dann aber hielt die Insel Puna (in der Bucht von Guayaquil), die von Peruanern besetzt war, den Marsch auf. Wenn diese Insel die Heeresstraße längs der Küste des Festlandes auch nicht gerade beherrschte, so konnte man doch nicht ohne weiteres an ihr vorüberziehen. Nun gelang es dem klugen Atahuallpa, nach einigem...