|1|1 Frauen im Management – einige Zahlen und Fakten
1.1 Weibliche Erwerbsbeteiligung
Die Gleichberechtigung von Frau und Mann wird in den westlichen Industrieländern in den letzten 70 Jahren immer weniger kritisch diskutiert. Mädchen haben die besseren Schulnoten und die höheren Schulabschlüsse. 2014 begannen erstmals mehr junge Frauen als Männer ihr Studium.
Frauen sind auch aus der Wirtschaft nicht mehr wegzudenken, die Frage nach Beruf oder Familie stellt sich für die Mehrzahl der bundesdeutschen Bevölkerung schon lange nicht mehr. 46,5 Prozent aller Erwerbstätigen sind Frauen1, knapp jeder zweite Studierende war im Wintersemester 2016/2017 eine Studentin, bei den Schulabgängern mit Studienberechtigung haben die Mädchen die Jungen inzwischen zahlenmäßig überholt.
Die Erwerbsquote der 20- bis 64-jährigen Frauen in Deutschland hat im Jahr 2016 den relativ hohen Wert von 74,5 Prozent erreicht, übertroffen wird er in der EU nur noch von Schweden. Zum Vergleich: Der EU-Wert lag bei 65 Prozent. Allerdings: Männer haben im EU-Durchschnitt eine Erwerbsquote von 77 Prozent, in Deutschland sogar von 83 Prozent (Eurostat, 2017a). Die Europäische Kommission erstrebt für 2020 EU-weit eine weibliche Beschäftigungsquote von 75 Prozent.
Im Gender Equality Index (European Institute for Gender Equality, 2015, S. 75), der im EU-Vergleich im mehrjährigen Abstand erhoben wird und sechs große Bereiche umfasst (Gesundheit, Bildung, politische/soziale Teilhabe, Beruf, unbezahlter Zeitanteil für Betreuung oder Freizeit, finanzielle Aspekte) kommt die Bundesrepublik mit Rang 10 immerhin auf einen guten Mittelplatz. Die Rangreihe im EU-28-Vergleich führen nun schon zum dritten Mal die skandinavischen Länder Schweden, Finnland, Dänemark an, gefolgt von den Niederlanden, Belgien und UK. Im weltweit angelegten Global Gender Gap Report des World Economic Forum (2016) belegt Deutschland einen sehr guten 13. Platz und liegt damit im Ranking vor Frankreich, Dänemark oder den USA. Spitzenreiter sind hier Island, Finnland, Norwegen, Schweden, Ruanda und Irland (World Economic Forum, 2016, S. 10).
Dies klingt gut. Doch das Bild in der Wirtschaft ist seit Jahren unverändert: Frauen sind sehr gut qualifiziert, sie sind in hohem Maße und in allen Branchen erwerbstätig, doch das Management ist – wie vor Jahrzehnten – häufig |2|frauenfrei. Die Zahlen sind weiterhin eindeutig, unabhängig ob man Privatwirtschaft, Verwaltung, Politik oder Wissenschaft betrachtet: Je höher es hinaufgeht in der Hierarchie, je besser bezahlt die Positionen sind, je mehr Macht und Einfluss sie haben, umso geringer wird der Frauenanteil (z. B. Holst & Kirsch, 2016). Im Teilbereich Wirtschaft kommt Deutschland im Global Gender Gap Report 2016 weltweit gesehen nur auf den 57. Rangplatz, beim Frauenanteil in Führungspositionen im internationalen Vergleich sogar nur auf den enttäuschenden 75. Rangplatz. Verbesserungspotenzial ist offensichtlich vorhanden.
Bereits 2001 unterschrieben der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, die zuständige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Christine Bergmann, und die Präsidenten von BDA, BDI, DIHT sowie ZDH2 die freiwillige „Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft“. Entsprechend der Vereinbarung empfehlen die Unterzeichner ihren Mitgliedsunternehmen „betriebliche Maßnahmen zur Verbesserung der Chancengleichheit von Männern und Frauen sowie der Familienfreundlichkeit“. Die demografische Entwicklung und den drohenden Fachkräftemangel vor Augen (um das Jahr 2000 boomten das Internet und das E-Business) sowie im Bewusstsein der bestehenden Benachteiligung von Frauen haben Politik und Wirtschaft vorausschauend agiert. Oder doch nicht? Tabelle 1 veranschaulicht den Frauenanteil im Top-Management, Abbildung 1 bezieht sich auf das Mittelmanagement. Die Ergebnisse sind ernüchternd:
Bisher haben Frauen nur in geringem Maße Spitzenpositionen in Wirtschaft, Verwaltung und Politik erreicht.
Der Trend führt noch nicht einmal – auf niedrigem Niveau – einheitlich nach oben. Zwar zeigen sich im Durchschnitt leichte Verbesserungen, doch bei den MDAX-und TecDAX-Unternehmen sank der Frauenanteil im Top-Management zwischendurch sogar wieder.
Und sogar in Unternehmen, an denen der Bund selbst beteiligt ist und die Besetzung der Spitzenpositionen mitbestimmen kann, ist nur jede siebte Führungsposition durch eine Frau besetzt.
Selbst im Bereich Finanzdienstleistungen mit einem traditionell hohen Frauenanteil in der Gesamtbelegschaft3 können Frauen nicht stärker in die Spitzenpositionen aufrücken. Hier hilft offensichtlich auch nicht die |3|„Lehmann-Sisters-Hypothese“ (Holst & Kirsch, 2015, S. 69), dass mit mehr Frauen keine Finanzkrise entstanden wäre, da sie weniger risiko-affin (s. Kapitel 2.1.4) agieren.
Die Beratungsgesellschaft Ernst & Young (2017) analysiert seit mehreren Jahren den Frauenanteil in börsennotierten Unternehmen. Von den 677 Vorstandsposten in 160 Firmen waren gerade einmal 47 von Frauen besetzt, was einem Anteil von 6,9 Prozent entspricht (Stichtag 1. 7. 2017). Erfreulich sind die DAX-Unternehmen: Hier hat bereits mehr als die Hälfte mindestens eine Frau im Vorstand, von allen betrachteten Unternehmen ist der Frauenanteil im Top-Management mit 11,3 Prozent mit Abstand am höchsten. Das Schlusslicht bilden die TecDax-Unternehmen. Doch zufriedenstellend sind die Werte keineswegs: 76 Prozent der börsennotierten Unternehmen haben ein frauenfreies Top-Management, gerade einmal in vier Prozent der Unternehmen sitzen zwei weibliche Vorstände gleichzeitig. Und 98,1 Prozent aller CEOs sind Männer.
Um die aktuellen Zahlen in einen zeitlichen Bezug zu setzen: 1988 waren 5,9 Prozent der Top-Manager Frauen, auf der nächsten Ebene betrug der Frauenanteil 7,8 Prozent. Analysiert wurden hier 45.000 deutsche Unternehmen, also auch viele kleinere, die einen höheren Frauenanteil im Management haben (Berthoin Antal & Krebsbach-Gnath, 1993). Offensichtlich ist: Trotz der intensiven gesellschaftlichen Diskussion um Chancengerechtigkeit, Quoten für Frauen in Aufsichtsräten oder Management, trotz besserer Ausbildung der jungen Frauen (s. Kapitel 2) und dem in der Wirtschaft vielfach beklagten Fachkräftemangel – das Management bleibt erstaunlich unbeeinflusst und weiterhin eine fast durchgängig geschlossene Männerrunde.
Einige Autor*innen (s. Wehner, Nead, Linos & Linos, 2015) haben humorvoll den „Moustache Index“, den Schnauzbart-Index, in die Diskussion eingebracht. Hier wird der Anteil der Schnauzbartträger (betrifft rund 15 Prozent |4|der männlichen Erwachsenen) mit dem Frauenanteil auf der jeweiligen Hierarchieebene verglichen – die Autor*innen fordern, dass der Index bei 1 oder höher liegen sollte. Um ihn zu erreichen, könnten mehr Männer auf ihre Bärte verzichten – oder mehr Frauen eingestellt werden.
Durchgehend lässt sich feststellen, dass Frauen umso weniger im Management vertreten sind, je größer der Arbeitgeber ist. Dieser Effekt hält seit Jahren unvermindert an (s. Abbildung 1). Folgende Ursachen sind denkbar: Die Großunternehmen haben eine schlechtere Personalauswahl als kleinere Organisationen und geraten überzufällig häufig an wenig karriereorientierte Frauen, die trotz vielfältiger Fördermaßnahmen (vgl. z. B. Fehre, Lindstädt & Picard, 2014, S. 52 f.) nicht für den beruflichen Aufstieg gewonnen werden können. Überzeugender scheint der gegenteilige Effekt: Großunternehmen sind für den Nachwuchs besonders attraktiv, denn sie zahlen im Durchschnitt höhere Gehälter, verfügen über ein gutes Image und betreiben aktives Personalmarketing wie auch Employer Branding, sie können bessere Karrierechancen und Förderung bieten – in der Folge bewerben sich bei ihnen besonders viele männliche wie...