Kapitel 1
Herr, gib mir dieses Wasser ...
Johannes 4,15
Über den Ballast innerer
Leere und Unruhe
Problem: Innerer Durst und Unruhe
Wieso Ballast: Menschen, die keinen inneren Frieden und keine Erfüllung kennen, finden keine Ruhe.
Biblische Person: Die Samariterin am Jakobsbrunnen
Der Weg zur Freiheit: Jesus
Unser Helfer: Der Heilige Geist
Kernvers: »Wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm geben werde, den wird nicht dürsten in Ewigkeit« (Johannes 1,18).
Wie eine Hirschkuh lechzt nach Wasserbächen,
so lechzt meine Seele nach dir, o Gott!
Psalm 42,2
Was bist du so aufgelöst, meine Seele, und
was stöhnst du in mir? Harre auf Gott!
Psalm 42,12
Aber die auf den Herrn hoffen,
gewinnen neue Kraft.
Jesaja 40,31
Sie werden nicht hungern und nicht dürsten,
und weder Wüstenglut noch Sonne wird sie treffen.
Denn ihr Erbarmer wird sie leiten
und wird sie zu Wasserquellen führen.
Jesaja 49,10
Mich, die Quelle lebendigen Wassers,
haben sie verlassen, um sich Zisternen auszuhauen,
rissige Zisternen, die das Wasser nicht halten.
Jeremia 2,13
Wer zu mir kommt, wird nicht hungern,
und wer an mich glaubt, wird nie mehr dürsten.
Johannes 6,34
Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig
und beladen seid; ich will euch erquicken.
Matthäus 11,28 (L)
Ich will dem Durstigen geben von der Quelle
des lebendigen Wassers umsonst.
Offenbarung 21,6 (L)
Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller
Freude und allem Frieden im Glauben, damit ihr
überreich seiet in der Hoffnung durch die Kraft
des Heiligen Geistes!
Römer 15,13
(...) und der auf dem Thron sitzt, wird über ihnen
wohnen. Sie werden nicht mehr hungern,
auch werden sie nicht mehr dürsten (...),
denn das Lamm, das in der Mitte des Thrones ist,
wird sie hüten und sie leiten zu den Wasserquellen des Lebens.
Offenbarung 7,15-17
Der Kirchenvater Augustinus hat gesagt, dass jeder Mensch mit einer Leere in seinem Herzen geschaffen ist, die nur Gott selbst füllen kann. Gott hat uns das Leben geschenkt und er selbst will unsere Lebensquelle sein und uns schenken, was wir zum Leben brauchen und was uns guttut. David sagt in Psalm 36,10: »Bei dir ist der Quell des Lebens.« Im krassen Gegensatz dazu steht ein Wort Gottes an sein Volk von dem Propheten Jeremia: »Mich, die Quelle des lebendigen Wassers, haben sie verlassen, um sich Zisternen auszuhauen, rissige Zisternen, die das Wasser nicht halten« (Jeremia 2,13). Ja, es gilt leider für die Mehrheit der Menschen, auch für manche Gläubige, dass sie ihr Glück oder ihre Lebenserfüllung nicht bei ihrem Schöpfer suchen, sondern bei anderen Quellen: Beziehungen, die glücklich machen sollen; materieller Wohlstand, der einen sicheren Halt verschaffen soll; Karriere, Erfolg oder Status, die den Durst nach Anerkennung stillen und Menschen beflügeln sollen. Abenteuerliche Reisen, die satt machen und erquicken sollen und fernöstliche Religionen und Praktiken, von denen man sich Ruhe und Frieden verspricht. Drogen oder Alkohol, die Menschen von ihrer inneren Leere befreien sollen.
Keine dieser Quellen ist beständig oder zuverlässig, es sind, so sagt es Gott, auch keine Quellen, sondern eher Zisternen. Der Unterschied zwischen den beiden ist, dass aus einer Quelle lebendiges Wasser fließt, während eine Zisterne als Wasserreservoir dient: Zur Zeit Jesu wurde darin das Wasser der Winterregen für die trockenen Sommermonate gespeichert. Wenn dieses Wasser ausging (oder verdampfte, weil die Zisterne rissig war), gab es nichts mehr zu schöpfen.
Schafe, die keinen Hirten haben
Als Jesus vor zweitausend Jahren auf dieser Erde lebte, stellte er fest, dass die Menschen seiner Zeit rastlos und erschöpft waren. Matthäus berichtet, dass er »innerlich bewegt« wurde, als er die Volksmengen sah (Matthäus 9,36). Die Menschen erinnerten ihn an Schafe ohne Hirten. Haltlos und wehrlos. Ausgeliefert an sich selbst und die Welt um sie herum.
Ein Schaf, das keinen Hirten hat, ist allerlei Gefahren ausgesetzt. Es kann sich im Gesträuch verfangen oder ins Wasser fallen und ertrinken, es kann sich verletzen und eine gefährliche Infektion bekommen, es kann sich ein Bein brechen oder stürzen und so auf dem Boden landen, dass es nicht mehr aufstehen kann, was seinen sicheren Tod bedeutet. Kurz gesagt: Wenn Schafe frei herumlaufen, ohne von einem Hirten beaufsichtigt, beschützt und versorgt zu werden, sind sie in Gefahr.
Dass Jesus die Menschen seiner Zeit mit Schafen verglich, die keinen Hirten haben, sagt nicht nur etwas über den Zustand dieser Menschen aus, sondern auch und vor allem etwas über ihn selbst. In Johannes 10 bezeichnet er sich selbst als den guten Hirten, der sein Leben einsetzt für seine Schafe. Er spricht auch über schlechte Hirten, denen nicht viel an ihrer Herde liegt. Wenn ein Wolf kommt, denken sie nur an ihre eigene Sicherheit und ergreifen die Flucht – »weil er ein Mietling ist und sich um die Schafe nicht kümmert« (Johannes 10,13). Jesus vergleicht diese schlechten Hirten mit Dieben und Räubern, die nur gekommen sind, »um zu stehlen und zu schlachten und zu verderben«. Von sich selbst dagegen sagt er: »Ich bin gekommen, damit sie Leben haben und es in Überfluss haben. Ich bin der gute Hirte« (Johannes 10,10f.). Direkt zuvor (in Vers 9) sagt er: »Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, so wird er errettet werden und wird ein- und ausgehen und Weide finden.«
Die Samariterin (Johannes 4,1-42)
Mit diesen Worten Jesu im Gedächtnis betrachten wir Johannes 4, wo wir einer Frau begegnen, die in jeder Hinsicht dem von Jesus skizzierten Bild entspricht: Sie ist rastlos und erschöpft wie ein Schaf, das keinen Hirten hat. Die Frau bleibt anonym, ihr Name wird nicht genannt. Vielleicht ist das Absicht, um ihre Privatsphäre zu schützen. Jedenfalls beschränkt sich der Evangelist Johannes darauf, sie zu beschreiben als »eine Frau aus Samaria« oder »die samaritische Frau«. Diese Bezeichnung ist vielsagend, denn nach Vers 9 hatten die Juden keinen Umgang mit Samaritern.
Die negative Haltung der Juden gegenüber Samaritern damals hatte eine lange Vorgeschichte. Sie geht zurück in die Zeit, in der Gottes Volk aufgeteilt war in zwei Reiche, das Süd- oder Zweistämmereich und das Nord- oder Zehnstämmereich. Als das Nordreich von den Assyrern besiegt wurde, wurden viele seiner Einwohner deportiert. Das Vakuum, das sie hinterließen, wurde gefüllt von Menschen aus verschiedenen Gegenden des Assyrischen Reiches. Diese Einwanderer brachten ihre eigenen Bräuche und Götzen mit. Zwar akzeptierten (und verehrten) sie den Gott ihrer neuen Heimat, ihm aber wurden die eigenen Götter zur Seite gestellt, die ihrerseits Eingang in Samaria fanden. Es kam so weit, dass Bilder dieser fremden Götter in den Tempeln Samarias aufgestellt wurden (siehe zum Beispiel 2. Könige 17,24-41), eine Entwicklung, die für die Juden, die nicht (oder nicht mehr) in Samaria wohnten, inakzeptabel war. Die Hauptstreitfrage zwischen Juden und Samaritern war wohl, wo man Gott anbeten sollte: im Tempel in Jerusalem oder auf dem Berg Garizim.
So haben wir in Johannes 4 die Situation, dass die Samariter sowohl aus religiösen als auch aus ethnischen Gründen (es hat zwischen Juden und fremden Einwanderern Mischehen gegeben) radikal von den Juden abgelehnt wurden. Jahre später wurden die Einwohner des Südreiches Juda von der neuen Großmacht Babylon unter König Nebukadnezar verschleppt. Als die Verbannten schließlich in ihr Heimatland zurückkehrten und Anstalten machten, den Tempel in Jerusalem wieder aufzubauen, boten die Einwohner von Samaria ihre Hilfe an. Diese wurde rigoros abgelehnt (Esra 4,1-3). Dieser Vorfall führte zu noch größerer Distanz und Bitterkeit. Auf ihren Reisen machten die Juden lieber einen großen Umweg, als sich in das Gebiet der Samariter zu begeben.
Gott ergreift die Initiative
Vor diesem geschichtlichen Hintergrund ist es erstaunlich, dass Jesus auf seiner Reise von Judäa nach Galiläa bewusst einen Zwischenstopp in Samaria einlegte. Wenn wir in Vers 4 lesen »Er musste aber durch Samaria ziehen«, können wir nur den Schluss ziehen, dass es sich hier um ein »heiliges Müssen« handelte bzw. dass es Gottes Wille war, dass Jesus diesen Weg ging. Sein Aufenthalt in diesem Gebiet gehörte zu Gottes Heilsplan: Er sandte seinen Sohn, um das Verlorene zu retten. Die samaritische Frau war solch eine verlorene. Auch wenn sie von den Juden abgelehnt wurde, war Gott sich nicht zu schade, sich mit ihr zu beschäftigen. Und darum machte sich Jesus auf den Weg nach Samaria, wo er um die Mittagszeit in der Stadt Sychar ankam und einen historischen Ort aufsuchte, den Jakobsbrunnen. Müde von seiner Reise,...