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Freimaurer-Hochgrade: Der Alte und Angenommene Schottische Ritus

AutorGabor Kiszely
VerlagStudienverlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl162 Seiten
ISBN9783706557634
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Der Alte und Angenommene Schottische Ritus ist wohl der markanteste Hochgrad der Freimaurerei: weltweit in 33 Grade eingeteilt, straff organisiert, biblisch orientiert und mit dem Adler im Wappen ausgestattet. Warum gerade 33 Grade, warum als Freimaurer-Elite bezeichnet, warum schottisch? Das alles lesen Sie in diesem Buch.

Gabor Kiszely ist freier Schriftsteller und schreibt Drehbücher für Film und Fernsehen. Er ist seit langem Mitglied im Schottischen Ritus und lebt in Budapest.

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Leseprobe

II. Die Geschichte der Schottischen Maurerei


Die Vorgeschichte des Alten und Angenommenen Schottischen Ritus ist historisch nicht dokumentierbar. Eine Analyse nicht verifizierbarer, einander oft widersprechender, meistens auch noch apologetisch polemisierender Aussagen zu diesem Thema würde den Rahmen dieses Buches erbarmungslos sprengen. Dies gilt auch für den geistigen Ursprung dieses Systems, das seine spirituelle und ideengeschichtliche Grundlage im Orden der Jerusalemer Templer gefunden zu haben behauptet.

Anhand äußerst widersprüchlicher Dokumente, deren Quellen den Anforderungen der Verifizierbarkeit öfters nicht standhalten, lässt sich lediglich so viel feststellen, dass 1118 in Jerusalem von den Kreuzfahrern zum Schutze der Pilger der Orden Pauperes Commilitones Christi Templique Salomonici gegründet wurde. Die Mitglieder der Bruderschaft legten Armuts-, Keuschheits- und Gehorsamsgelübde ab. Bald nannten sie sich Fratres Militiae Templi. Die Ordensregel wurde vom Heiligen Bernardus von Clairvaux ausgearbeitet, der in seiner Schrift De laude novae militiae herrliche Worte für die edlen Tugenden der Brüder fand. Der Wahlspruch der Bruderschaft ist wirklich erhaben: „Non nobis, Domine, non nobis, sed nomine tuo da gloriam! – Nicht uns, nicht uns, aber deinem Namen soll Herrlichkeit zuteil werden.“ Mit der Zeit bauten die Ritter ein beträchtliches Handelsnetz und die entsprechenden ökonomischen Strukturen aus. Ob sie zu einer Großmacht im Sinne von Hochfinanz mit einem bedrohlichen militärischen Potential geworden sind, lässt sich nicht bestätigen. Fraglich bleiben auch Berichte über ihr politisches Schalten und Walten im Heiligen Land, samt des mehrfachen Verrates an der christlichen Mission und der Zweckbündnisse mit den Heiden. Ebenso ungewiss ist der Wahrheitsgehalt des masonischen Insistierens, wonach sie im Laufe der Jahre durch Kontakte mit den Einheimischen in den Besitz von höheren Mysterien über den letzten Sinn des Seins gelangt seien. Bruchstücke dieses „Geheimwissens“ bilden jedenfalls bis heute zum Teil die Grundlagen der Hochgradlehre. Die Verfolgung und Zerschlagung des Ordens durch den französischen König Philipp IV. im Einvernehmen mit Papst Clemens V. im Jahre 1307 lässt sich in der legendären Komplexität, wie vom Schottischen Ritus stellenweise noch dargestellt wird, nicht nachweisen. Es trifft auch zu, dass Götzenanbetung einer der Punkte der gegen Ordensmitglieder erhobenen Anklage war. Die zur Verurteilung führenden Geständnisse der Ritter sind jedoch zweifelhaft, da sie, wie in den Protokollen auch vermerkt, unter Folter entstanden sind. Bezeugt ist auch der Feuertod von 59 Templern, darunter auch von Großmeister Jacques de Molay, der nach den sich mehrere Jahre hinziehenden Untersuchungen am 18. März 1314 als letzter verbrannt wurde. Damit endet auch die historisch nachvollziehbare Geschichte der Templer. Der Rest ist, wenn auch wohlgemeintes, doch tendenziöses Phantasieren. Nicht zu belegen sind die Flucht der überlebenden Ritter über Portugal nach Schottland sowie ihre Vereinigung mit ihresgleichen – wo diese bloß hergekommen sein mögen, bleibt dahingestellt – in der Nähe des Hérédom-Gebirges, ferner die beispielhafte Pflege des templerischen Ideengutes Jahrhunderte hindurch. Im Gegensatz von Hérédom, dessen Existenz nicht nachweisbar ist, gibt es den Ort Killwinning unweit von Glasgow auch heute noch, nur dass sich keine einzige mit ihm verbundene Hochgradlegende verifizieren lässt.

Unzweifelhaft ist jedoch die Existenz einer Maurerzunft ab 1642 zu Killwinning und sogar einer masonischen Gemeinschaft, die 1736 ins Leben gekommen war und sich 1803 in die unabhängige Großloge von Schottland eingliederte.

Die Zeit, auf welche die Nachkommen der Schottenritter des Jerusalemer Tempels gewartet haben, scheint jedenfalls 1737 gekommen zu sein, als der Franzose André-Michel de Ramsay, ein sagenhafter Dilettant im Bereich Theologie und Geschichte, mit der phantastischen Behauptung aufwartete, die Masonerie stamme gar nicht vom Werkmaurertum, sondern von den Kreuzfahrern ab. Entgegen der sich hartnäckig haltenden Legenden hat er jedoch weder in seinem berühmten „Discours“ noch anderswo die Ansicht vertreten, die Maurerei sei die direkte Fortsetzung des Ordens der Tempelritter. Jedenfalls beginnt er den Ritus der „aus Schottland kommenden“ Kreuzfahrer zu organisieren. Dem Lehrgebäude lagen die zweckdienlich manipulierte Geschichte des Tempels Salomonis sowie die der Templer zugrunde; sicherheitshalber wurden dem Komplex auch noch unzählige weitere, für Attraktivität sorgende Elemente, darunter angebliche Mysterien, Verschwiegenheit und Rache, zugefügt. Das System ward den drei Johannisgraden angeschlossen und mit den Graden Schotte, Novize und Ritter ergänzt. Im ersten Grad lernt der Neophyt die Lehren der Kabbala und Alchemie kennen, im zweiten vertieft er seine Kenntnisse und im dritten wird er sich dessen bewusst, dazu auserwählt worden zu sein, die dem Orden de Molays widerfahrene Ungerechtigkeit und Schande zu rächen. Ramsays Neutemplertum fand rasche Verbreitung unter den geistigen Parvenüs und snobistischen Wunschdenkern des Kontinents.

Das aus nicht nachprüfbaren antiken Quellen und obskuren Lehren mittelalterlicher Geheimbünde willkürlich zusammengebraute Lehr- und Ritualgebäude wurde mit noch falsch interpretierten alten maurerischen Symbolen zu einem neuen „System“ verschmolzen und ließ sich bei der „wissensdurstigen“ Unwissenheit mit großem Erfolg vermarkten. Die Masonerie fand seinerzeit besonders dankbare Abnehmer und Wiederverarbeiter unter Magiern, Okkultisten, Wahrsagern und Gaunern aller Art. Diese Profiteure wussten eigentlich immer schon, die von den Logen gebotene und mit Autorität beglaubigte Initiierung zu ihrem Vorteil zu nutzen. So weit sogar, dass die Aufklärung, die sich angeschickt hatte, die Menschheit im Namen der Vernunft vom unseligen Aberglauben zu befreien, angesichts des von den unzähligen Schwindlern geschürten Durstes nach Ersatz des Verlorenen, in Gefahr geriet, zur kläglichen Farce zu werden. Infolge der wachsenden Nachfrage entstanden bald auch das „französisch-schottische“ und das „rektifizierte (korrigierte) schottische“ System. Dem ersten wurde auch der Ritus von Clermont im Jahre 1754 angeschlossen. Die Ritter der „Kapitel“ genannten Logen befassten sich vorwiegend mit Alchemie sowie mit okkultistisch interpretierten Teillehren von Physik und Mechanik. Im höchsten Grad, dem Grad des Richters Gottes, erhielt der Neophyt sogar noch die Zusicherung, er komme in die unmittelbare, enge Nähe des Schöpfers. In diesem System wird die Hiram-Legende fortgesponnen, nämlich die Rache an den Attentätern; hinzu kommen noch eine Zweckauslegung des Buches der Offenbarung in Bezug auf den neuen Himmel und die neue Erde, ferner auf das neue Jerusalem. Vor allem auf deutschem Boden fand „die Lehrart“ unzählige Interessenten.

Zur französischen Schottenmaurerei gehörte der 1758 in Paris gegründete „Rat der Kaiser vom Osten und Westen“, der in fünfundzwanzig Graden arbeitete. Er gilt als einer der Ursprungsriten des Alten und Angenommenen Schottischen Ritus. Ähnlich wie der 1756 in Bordeaux entstandene Perfektionsritus von Hérédom.1

Bei der Erweiterung des Systems wurden neue, aus anderen Hochgradriten übernommene Grade sowie mystisch-okkulte Bestandteile aus legendären Überlieferungen zu stellenweise phantastischen Neuschöpfungen zusammengekleistert. Von Grad zu Grad steigend erlebte der Neophyt symbolisch die Grundlegenden des Jerusalemer Tempels, er suchte das im Christentum neu geborene Verlorene Wort und lernte dabei die Geheimnisse des Sturzes und Wiederaufrichtens des menschlichen Wesens kennen. Es handelte sich dabei jedenfalls um die erste ausgeprägte Erscheinung des Lehr- und Ritualgerüstes des späteren Alten und Anerkannten Schottischen Ritus. Zu seinen Ursprungsriten gehörte auch noch der sogenannte Philosophische Ritus, dessen Großtribunal 1776 in Paris ins Leben gerufen wurde. Im System erhoben sich 12 Hochgrade über den symbolischen Grundgraden.2 Hier dominierte wieder einmal ein mit der Hochkonjunktur der mystischen Maurerei in Einklang stehender uferloser Eklektizismus, der u.a. Spuren der Strikten Observanz3 und des Primitiven (ursprünglichen) Ritus4 aufwies. In einigen Graden des Alten und Angenommenen Schottischen Ritus sind auch heute noch eindeutige Merkmale des Illuminatenordens zu entdecken.5

1762 werden vom Perfektionsritus „die Konstitutionen der Perfektionsmaurerei“ verabschiedet, deren Echtheit jedoch zweifelhaft ist. Ein bereits ein Jahr zuvor entstandenes Patent ermächtigt den Franzosen ungewissen Ursprungs, Etienne Morin, seinerzeit Stuhlmeister der Loge „La parfaite harmonie“ zu Bordeaux, in Amerika neue Perfektionslogen zu gründen. Er und seine Nachfolger schaffen nach 1766 zuerst auf den westindischen Inseln, dann in den USA ein Hochgradsystem, aus dem wenig später der Alte und Anerkannte Schottische Ritus hervorgeht. 1786 sollen die „Wahren geheimen Institutionen und Großen Konstitutionen“ auf die Initiative Friedrich II. entstanden sein. In der Schrift, die sich bald als eine...

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