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E-Book

Freimaurer-Hochgrade: Lehrarten und Pseudoriten

AutorGabor Kiszely
VerlagStudienverlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl184 Seiten
ISBN9783706557641
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Das vorliegende Buch, ein Beitrag zur maurerischen Aufklärung, behandelt Lehrarten, die sich bis heute als würdige Systeme der Freimaurerei bewährt haben, aber auch unzählige dubiose Hochgradwucherungen und Irrlehren, die mit der Freimaurerei, mit ihren essentiellen Grundidealen, und mit ihrem moralischen Sinngehalt nichts zu tun haben.

Gabor Kiszely ist freier Schriftsteller und schreibt Drehbücher für Film und Fernsehen. Er ist seit langem Mitglied im Schottischen Ritus und lebt in Budapest.

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Leseprobe

III. Frankreich


Das Ancien Régime


Im 18. Jahrhundert bildet sich eine einflussreiche Klasse von Bürgerlichen heran. Ihre Angehörigen dringen in die Verwaltung und Diplomatie ein und geben auch den Ton in den Diskussionsklubs und Salons an, wo sich die öffentliche Meinung herausbildet. Das gesellschaftliche Ungleichgewicht gibt Anlass genug zur Kritik. Die Angriffe der durch und durch eigennützigen, politisch-wirtschaftlich Aufwärtsstrebenden richten sich vor allem gegen die Aristokratie. Nur etwa 400.000 Angehörige zählt diese oberste Schicht der Nation in einem Land mit 23 Millionen Einwohnern, und diese genießen bedeutende Privilegien, einschließlich einer weitgehenden Steuerfreiheit – wenngleich weniger als die besser organisierte Geistlichkeit – sowie des Anrechts auf den Bezug feudaler Abgaben. In politischer Hinsicht ist ihre Stellung allerdings weniger vorteilhaft. Obwohl das Ethos der Monarchie aristokratisch und feudal blieb, hatte sie den Adel seiner alten politischen Unabhängigkeit und Funktionen weitgehend beraubt und die Befugnisse seiner repräsentativen Institutionen – Standesversammlungen und Parlamente – so weit wie möglich beschnitten. Auch seine wirtschaftliche Lage hatte sich verschlechtert. Durch Geburt und Tradition mehr zum Krieg als zum Geschäft bestimmt (ein Adliger durfte schließlich keinen unstandesgemäßen Beruf ausüben), floss ihr Einkommen aus den Renten ihrer Güter; beim Hofadel kamen die reiche Heirat sowie die vom Monarchen verliehenen Pensionen und Sinekuren hinzu. Selbst diejenigen, die sich mit ihren Gütern tatsächlich beschäftigten, waren mehrheitlich unfähig, diese wirtschaftlich zu verwalten. Die Inflation verminderte den Wert der Renten sowie aller fixen Einnahmen. So war es verständlich, dass die Aristokraten im Verlauf des 18. Jahrhunderts immer mehr bestrebt waren, ihre Aktivposten und Privilegien voll auszunutzen und weitere Schlüsselstellungen in der königlichen Verwaltung zu gewinnen. Das geltungssüchtige Bürgertum erblickte darin eine empörende Konkurrenz. Freilich unternahmen auch Angehörige des Landadels den Versuch, dem Sinken ihrer Einkünfte entgegenzuwirken; sie versuchten ihre feudalen Privilegien bis aufs Äußerste auszunutzen, um mehr Geld und Dienstleistungen aus der Bauernschaft zu pressen. Dies trieb die Landwirte, die etwa 80 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachten, zur Verzweiflung. Rechtlich galten die Bauern als frei und besaßen oft eigenes Land. Die adligen Güter umfassten nur ein Fünftel des Bodens, die Kirche – fast alle Bischöfe waren Aristokraten – verfügte über etwa sechs Prozent. Nun war aber die große Mehrheit der Landbevölkerung landlos, auch reichten die Erträge der wenigen Kleinbauern aufgrund der technischen Rückständigkeit nicht mehr aus. Der Bevölkerungszuwachs verstärkte den Landhunger. Ein großer und immer größer werdender Teil des Bauerneinkommens ging für feudale Abgaben und Steuern auf, die Inflation verringerte den Wert des Restes. Die administrative und fiskalische Struktur des Königreiches war veraltet, die Versuche der Regierung, mithilfe kurzfristiger Maßnahmen der Krise entgegenzuwirken, blieben erfolglos. Der Staat konnte seine Ausgaben nicht senken und bald überstiegen diese die Einnahmen mindestens um ein Fünftel. Wohl war das Land insgesamt noch reich genug, um mehr Steuern aufbringen zu können, doch dies hätte eine tiefgreifende Reform vorausgesetzt. Obgleich man oft die Extravaganzen von Versailles für die Krise verantwortlich gemacht hat, betrugen die Ausgaben des Hofes nur sechs Prozent der staatlichen Gesamtausgaben. Ein Viertel wurde für Krieg, Marine und Diplomatie ausgegeben und die Hälfte musste für Verzinsung, Amortisation und Abzahlung von Schulden verwendet werden. Der Amerikanische Krieg und die daraus hervorgegangenen Schulden brachen das Rückgrat der Monarchie.

Ein überholtes, oft missbrauchtes Steuersystem, eine Rechtspraxis der Willkür und der Standesbevorzugung, eine Reihe schwacher, regierungsuntüchtiger Minister, ein verschwenderischer Hof und eine korrupte Beamtenschaft haben das Land zu Beginn der 1780er Jahre an den Rand des Bankrotts gebracht. Die Krise der Landwirtschaft und der Industrie beschleunigte die Katastrophe.

Die französische Aufklärung


Die Zeiten, als die französische Gesellschaft tief in der Religiosität wurzelte, sind zum Zeitpunkt des Todes von Ludwig XIV. im Jahre 1715 schon längst vorbei. Für die Mehrzahl der Gläubigen bedeutet die Religion keine persönliche Überzeugung mehr, man ordnet sich lediglich mit zunehmendem Unbehagen der geistlichen und staatlichen Macht unter. Es sind auch nicht mehr die Zeiten, in denen Herrscher hätten Entwicklungen mit Acht und Bann aufhalten können, insbesondere den Siegeszug der Naturwissenschaften und die Entstehung neuerer philosophischer Denkmodelle. Auf die Frage, wo nun der Standort Gottes wäre, kann die Kirche nur mit konventionellen Antworten aufwarten, die für die Bevölkerung weder attraktiv noch zufrieden stellend sind. Das kirchliche Angebot beschäftigt immer weniger Menschen. Das Interesse wendet sich allmählich einem modischen Fortschrittsglauben zu, der die steigende Vervollkommnung des „Menschen als Maschine“ in Aussicht stellt. Das Denken wird im Geiste des Deismus auf die Natur gerichtet.

Nun sind aber seit vielen Jahren die noch zu Zeiten des Sonnenkönigs gegründeten Akademien tätig; bis zur Mitte des Jahrhunderts je eine in jeder mittleren (mindestens 20.000 Einwohner zählenden) Stadt. Die meisten befassen sich mit den Naturwissenschaften, wenn auch nur auf der Ebene von Selbstbildungsvereinen. Ihr Ziel, und das wird auch nicht selten verkündet, ist „die Seligkeit des Volkes“. Es entstehen zahlreiche beachtenswerte Arbeiten über technische Entwicklung und Landwirtschaft. Die in den Bibliotheken tätigen „Lesekreise“ werden von vielen frequentiert, hier erhält man die populärsten Zeitungen und studiert die neusten Bücher. Das neue, berauschende Phänomen der öffentlichen Meinung entsteht. Ein Geschmack von Freiheit haftet diesen ungewohnten Entwicklungen an.

Die Besucher der Salons, von denen die Nachwelt so fasziniert sein sollte, weisen mittlerweile neue, interessante Gestalten auf: schnell reich gewordene Bankiers, Unternehmer, wohlverdienende Gesetzgeber, Beamte, Anwälte, gelegentlich Geistesschaffende, Gelehrte (meist selbsternannte) – im Großen und Ganzen Emporkömmlinge aller Art, die sich als einigermaßen fähig erweisen, Esprit und Sprachgewandtheit an den Tag zu legen und dafür als gebildet und geistvoll angesehen zu werden. Etwas Neues liegt in der Luft, etwas, das die Nerven kitzelt – es gilt dafür zu schwärmen, wenn möglich einiges davon zu verstehen, und wenn nicht, dann wenigstens so zu tun als ob.

Die lange Zeit einer geistigen Elite vorbehaltene Gelehrtentätigkeit ist nun in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit geraten; es heißt, nur die Wissenschaft vermöge die endgültige Antwort auf die Fragen des Lebens zu geben, allein mit ihrer Hilfe ließen sich alle Probleme des Lebens lösen, ja sogar der Mensch könne in seiner Würde von ihr neu erschaffen werden. So werden physikalische Experimente – nicht selten von Gauklern – demonstriert; pseudowissenschaftliche Gespräche über Naturkunde und Gesetzmäßigkeiten der Natur gehören ebenso zum guten Ton wie solche über meist nur vom Hörensagen bekannte Werke von Aufklärungsgötzen. Die erhabensten Gedanken werden von einem arroganten Snobismus missbraucht. Es ist überhaupt die Zeit einer unverschleierten Lüsternheit, die hemmungslos zur Schau getragen und zelebriert wird. Gewissenbisse und Maßhalten sind die Schlagworte dieser Zeit nicht.

Lichter der Aufklärung


Die Aufklärung kündigt sich in Frankreich in der leichteren Zugänglichkeit zu wissenschaftlichen Erkenntnissen an. Die Aufklärung geht in Frankreich mit der Suche nach wissenschaftlicher Erkenntnis einher. Damit sind nun aber auch dürftigen oder gar dreisten Pseudolehren Tür und Tor geöffnet, verbreitet von dubiösen Halbintellektuellen aus den Salongesellschaften, die nicht davor zurückschrecken, ihre persönlichen Forderungen erstmals als „öffentliche Meinung“ zu verkaufen und sie als wissenschaftlich (und damit unfehlbar und unantastbar) zu präsentieren. Dass die Wahrheit dadurch zu kurz kam, liegt auf der Hand – doch hatte diese bei vielen solcher selbsternannten Aufklärungsverkünder auch nicht Priorität.

Dem Freimaurer Charles de Secondat, Baron von Breda und Montesquieu (1687–1755), geht es in seinen 1721 veröffentlichten Persischen Briefen gar nicht um wissenschaftliche Sachlichkeit; sondern vorderhand nur darum, die politischen Zustände sowie das Wüten des rohen Aberglaubens im Land mit bitterem Sarkasmus zu geißeln. Die übergroße Begeisterung, mit der er in der 1748 erschienenen und als sein Hauptwerk geltenden Arbeit Über den Geist der Gesetze die englische Verfassung verherrlicht, kann Inkompetenz und Mangel an Erkenntnissen nicht verschleiern. Die in ihr enthaltene ungeschmälerte Tradition verhindere von vornherein die...

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