Studienarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Soziologie - Individuum, Gruppe, Gesellschaft, Note: 2, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Veranstaltung: Soziologie des Fremden, Sprache: Deutsch, Abstract: 'Ohne ihn gibt es kein Ich, er hat mich immer schon heimgesucht, bevor ich die Szene betrete.' (Schütze, 2000, S. 70) Die Rede ist vom Anderen, der, obwohl und gerade weil er ein Anderer ist, aus meinem Leben nicht wegzudenken ist. Jeder Mensch, ganz gleich wie zurückgezogen er lebt, ist auf den Anderen angewiesen. Diese Abhängigkeit beginnt bei der Erzeugung, die ohne Andere nicht möglich wäre, und setzt sich bei der Erhaltung und Vergesellschaftung fort. Nach Rousseau ist 'unser süßestes Dasein ... relativ und kollektiv, und das wahre Ich ist nicht ganz in uns. Kurz, der Mensch in diesem Leben ist so eingerichtet, daß man nie zum rechten Genuß seiner selbst ohne Zutun anderer gelangen kann.' (zit. nach Wulf, 1999, S. 13) Der Andere lebt nicht nur neben uns. Wir brauchen ihn, denn er ermöglicht uns erst das Gefühl der eigenen Existenz. Wie jedes Kind von klein auf auf Andere (normalerweise die Eltern) angewiesen ist, um im Austausch mit ihnen sein Selbstbild und seine Persönlichkeit zu entwickeln und sich zum sozialen Wesen zu entfalten, so braucht auch jeder Erwachsene den Anderen. Denn nur die Gemeinschaft schützt den Einzelnen vor Isolierung und Verbitterung, in ihr erhält der Einzelne die Möglichkeit, sich zu entfalten. 'Für mich allein bin ich kein Mensch, die Bezeichnung ist sinnlos, leer. Der Mensch erwächst aus der Kluft zum Anderen. Mein Menschsein ist eine Schnittmenge, es entspricht restlos dem, was ich mit Anderen teile, so daß sie es sind, die mich zum Menschen machen.' (Schütze 2000, S. 76) Der Andere, der uns hilft, uns selbst zu sehen, ist damit zum Eigenen komplementär. Man kann weder das Eigene ohne das Andere noch das Andere ohne das Eigene fassen und begreifen. Durch Grenzziehungen und Ordnungsmuster werden die Differenzen geschaffen, die es uns erst ermöglichen, den Anderen vom Ich zu unterscheiden. Das Eigene und das Andere sind jedoch keineswegs natürliche Konstanten, die von jedem gleichermaßen gesehen und anerkannt werden. Vielmehr unterliegt die Gleichsetzung des Eigenen mit normal und natürlich nur einer kulturellen Wertung, die vom Standpunkt des Anderen her betrachtet, wahrscheinlich genau umgekehrt beschrieben werden würde. Wie der Andere jeweils empfunden wird, hängt ganz davon ab, wie man selbst sich mit ihm in Beziehung setzt. So fallen die Figurationen des Anderen natürlich höchst unterschiedlich aus. ...
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