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Fremdherrschaft - Diktatur - Umbruch: Tunesien als Vorreiter der Arabischen Revolution

AutorRebekka Müller
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl70 Seiten
ISBN9783956847967
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Als sich im Dezember 2010 der junge Gemüsehändler Mohamed Bouazizi mit Benzin übergoss und anzündete, konnte noch niemand ahnen, dass diese Tat die gesamte arabische Welt in Aufruhr versetzen sollte. Diese Arbeit zeigt mit Blick auf die politischen Strukturen anhand der Geschichte Tunesiens, wie es zu diesem Umbruch gekommen ist. Hierfür wird die politische, soziale und ökonomische Entwicklung Tunesiens seit seiner Zeit unter Frankreichs Herrschaft beleuchtet. Die beiden Staatspräsidenten Tunesiens und ihre autoritären Herrschaftsstrukturen werden vorgestellt. Es wird dargestellt, wie die Bevölkerung darauf reagiert hat und wie die Regime so lang bestehen konnten. Die tunesische Revolution und ihre Folgen werden in ausführlicher Form besprochen. Abschließend soll der Frage nach der Vereinbarkeit von Islam und Demokratie nachgegangen werden.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel III. 2, Die Politik Bourguibas: III. 2. 1, Die Verfassung Tunesiens: Nachdem die Zusammensetzung der verfassungsgebenden Versammlung nach der Wahl am 24. März 1956 feststand und Bourguiba zum Ministerpräsidenten bestimmt wurde, kam es am 25. Juli 1957 zur Absetzung des Bey und zur Errichtung einer Republik, mit Bourguiba als Staatspräsident ad interim. Habib wurde ebenfalls zum Regierungschef ernannt. Im Prozess der Bearbeitung der Verfassung ist es islamischkonservativen Kräften, die in der Minderheit in der verfassungsgebenden Versammlung vertreten waren, gelungen, den ersten Entwurf der Verfassung zu beeinflussen. Die Ausarbeitung der endgültigen Verfassung dauerte allerdings noch zwei Jahre, in denen Bourguiba die konservative Gruppierung entmachten konnte und somit deren weiteren Einfluss verhindert hat. In diesen zwei Jahren folgte Bourguiba einer entschieden eisernen Linie. Der bereits erwähnte Salah Ben Youssef wurde zwar politisch entmachtet, ging aber mit seiner um ihn entstandenen Oppositionsbewegung zum bewaffneten Kampf über. Diese konnte er mit Hilfe von Frankreich erfolgreich bekämpfen. Die Gewerkschaft UGTT ('Union Générale des Travailleurs Tunisiens') versuchte er ebenfalls durch die Absetzung des Generalsekretärs, Ahmed Ben Salah, einzuschüchtern und somit auf seinen Wirtschaftskurs zu bestimmen. Des Weiteren versuchte er den Aufbau der tunesischen Armee einzuleiten und somit seine Herrschaft und die seiner Partei zu festigen. Am 1. Juni 1959 wurde die Verfassung proklamiert. Das in ihr festgeschriebene Recht wurde auf die Person des Staatspräsidenten, d.h. Habib Bourguibas, ausgerichtet und begründete somit ein Präsidialsystem, das die absolute Machtkonzentration auf den Präsidenten legitimierte. In den ersten Wahlen, die am 8. November 1959 stattfanden, war Bourguiba der einzige vom Parteikongress der PND nominierte Kandidat für das Amt des Staatspräsidenten und erhielt 91,50 % der abgegeben Stimmen. Bourguiba hatte somit die uneingeschränkte exekutive Machtausübung bekommen. Im dritten Kapitel der Verfassung: 'Die vollziehende Gewalt' legte Artikel 38 fest: 'Der Präsident der Republik übt die ausführende Gewalt im Rahmen der Verfassung aus. Er wacht über die Wahrung der Verfassung.' Der Staatspräsident musste den Islam als seine Religion befürworten und über 40 Jahre alt sein. Des Weiteren mussten sein Vater, sein Großvater und er selbst ohne Unterbrechung die tunesische Staatsbürgerschaft besessen haben. In der Präambel und in Artikel 1 und 2 wurde der Islam als Staatsreligion angeführt, dem ungeachtet nahm die Religion jedoch keinen besonderen Einfluss auf das politische System. Durch die Übertragung der richterlichen Gewalt an nicht-islamische Gerichte, wie es in Artikel 54 festgeschrieben war, wurde die islamische Sharia-Gerichtsbarkeit beendet. Auf den religiösen Bereich der Ära Bourguiba wird jedoch in einem extra Punkt noch vertieft eingegangen. Der Präsident war dazu berechtigt, kontrollierend in alle Bereiche einzugreifen, die Regierungsmitglieder zu ernennen und die zivilen und militärischen Ämter zu besetzen und wieder zu entlassen. Die Verfassung berechtigte ihn somit direkten Einfluss auf die Struktur und Zusammensetzung der wichtigsten Institutionen zu nehmen. Überdies legte Artikel 46 fest: 'Der Präsident der Republik ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte.'. Artikel 49 bemächtigte ihn, und nur ihn, mit der Aufgabe, Verträge zu ratifizieren und über Krieg und Frieden zu bestimmen, dies jedoch mit der Zustimmung der Nationalversammlung. Als Unterstützung stand ihm ein 'Cabinet Présidentiel' zur Verfügung, dessen Leiter stets enge Vertraute Bourguibas waren. Hier ist deutlich die von Bourgiuba betriebene Patronage herauszulesen. Was diese Annahme noch bestärkt, ist die Tatsache, dass das im Jahre 1963 eingerichtete 'Secrétariat Général de la République' mit seinem Sohn Habib Bourguiba jr. Als Generalsekretär besetzt wurde. Die Nationalversammlung wurde in der Verfassung als die gesetzgebende Gewalt festgelegt. Diese wurde 'in allgemeinen, freien, unmittelbaren und geheimen Wahlen in Übereinstimmung mit den durch das Gesetz festgelegten Verfahren und Bedingungen gewählt.'. Die Nationalversammlung beinhaltete vier permanente Kommissionen, die für die politische, soziale, wirtschaftliche und allgemeine Gesetzgebung zuständig waren. Die tunesische Verfassung wurde in der Regierungszeit Bourguibas einige Male verändert und neue Artikel wurden in ihr aufgenommen. Die erste Umgestaltung fand im Jahr 1967 statt, als die Anzahl der Sitzungsphasen der Nationalversammlung von zwei auf eine pro Jahr reduziert wurden. Eine weitere wichtige Erneuerung war die Einführung des Amtes des Premierministers im Jahr 1969. Dieser übernahm im Falle der Abwesenheit oder der Amtsunfähigkeit des Staatspräsidenten die Staatsführung. Eine entscheidende Modifikation der Verfassung stellte die Verankerung der Präsidentschaft auf Lebenszeit dar. Bis zum Jahre 1975 war in der Verfassung festgelegt, dass 'der Präsident der Republik [...] in allgemeinen, freien, direkten und geheimen Wahlen für fünf Jahre gewählt wird. Er kann nicht mehr als dreimal hintereinander wiedergewählt werden.' Am 19. März 1975 wurde dem Artikel 40 folgender Absatz angehängt: 'Wegen seiner außergewöhnlichen Tatkraft und in Anbetracht der herausragenden Leistungen für das tunesische Volk um seine Befreiung vom Joch des Kolonialismus als Oberster Kämpfer und bei der Schaffung eines unabhängigen, seine Souveränität genießenden und modernen Staates als Präsident, erklärt die Nationalversammlung den Präsidenten Habib Bourguiba, zum Präsidenten der Republik auf Lebenszeit.' Damit legitimierte er seine erneute Kandidatur zur Wahl des Staatspräsidenten im Jahr 1974, die er laut offiziellen Angaben mit 99,98% gewann.
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