2. Die Macht der Emotionen: „Ich fühle, also bin ich!“
Dieser Ausspruch aus der Kapitelüberschrift ist ein Buchtitel und stammt von António Damásio, einem portugiesischen Neurowissenschaftler. Damásios Forschungsinteresse galt viele Jahre dem Zusammenhang zwischen Geist (philosophisches/ethisches Denken), Vernunft (wissenschaftliches Denken) und Körper. Seine jahrelangen Studien führten ihn zu der Überzeugung, dass Denken und Handeln niemals getrennt von unseren Gefühlen ablaufen können, sondern immer mit Emotionen verwoben sind. „Limbische Marker“ nennt man in der Gehirnforschung die assoziative Verknüpfung von Inhalten, Gedanken und Handlungen mit Emotionen. Und vor allem die Emotionen entscheiden darüber, wie erfolgreich oder blockiert wir Menschen sind und im Zusammenhang mit äußerlichen Erlebnissen und der inneren Wahrnehmungswelt fühlen. Der Begriff „limbische Marker“ weist auf den Bereich unseres Gehirns hin, welches im Allgemeinen für die Organisation unserer Emotionen zuständig ist: Es handelt sich um das limbische System (s. a. Abb. 2.1). Es befindet sich unter dem entwicklungsgeschichtlich jüngeren Großhirn, welches unsere typischen menschlichen Leistungen wie das Denken, Planen, Rechnen, Sprechen und auch die Feinmotorik unseres Körpers steuert.
Abbildung 2.1: Das limbische System und seine Lage im Gehirn
2.1 Positive Emotionen als Garant für gute Leistungen
Heute weiß man, dass jede Wahrnehmung, die uns erreicht – sei sie ein von außen kommender Reiz, ein stressbeladenes Wort oder auch ein Gedanke – sofort mit einer emotionalen Codierung einhergeht. Und diese blitzschnelle emotionale Resonanz setzt immer innerhalb von Sekundenbruchteilen ein, bevor unser „vernünftiges“ Großhirn etwas dazu „sagen“ kann, was Selbstkontrolle in besonders gefühlsstarken Momenten schwierig bis unmöglich machen kann. Denken Sie nur an das Beispiel unseres Detektivs, der bei der bloßen Erwähnung des Wortes „cleaning woman“ („Putzfrau“) völlig außer Kontrolle gerät. Allzu oft ist die Emotion ein Tick schneller als alle guten Vorsätze. So meiden etliche Menschen das Flugzeug, obwohl ihr Verstand weiß, dass es das sicherste Verkehrsmittel der Welt ist. Und andere essen zu viel Schokolade, obwohl sie es eigentlich nicht mehr wollten – aber Schokolade schmeckt und riecht einfach allzu gut, und schon ist der Verstand überstimmt.
Emotionen verursachen spürbare und medizinisch messbare Resonanz, die sich an unserem Herzschlag, Muskeltonus, an Gefäßreaktionen, dem Stoffwechsel, der Körpertemperatur und sogar an der Größe unserer Pupillen ablesen lässt – um nur einige Beispiele zu nennen. Als Auslöser für zielgerichtetes Leistungsvermögen stehen sie oft über dem sogenannten „Sachverstand“. Emotionen können hemmen und blockieren, obwohl alle Fähigkeiten für die Zielverwirklichung theoretisch vorhanden sind. Sie können aber auch Flügel verleihen und Berge versetzen. Damit sind vor allem positiv empfundene Emotionen der Schlüssel für ein erfolgreiches Leistungsvermögen.
Verschiedene Emotionsqualitäten
In den Abbildungen 2.2 und 2.3 sehen Sie gleich zwei Listen, einmal mit negativen und einmal mit positiven Emotionsqualitäten. Mit „negativ“ meinen wir nicht, dass besagte Emotionsqualitäten überflüssig für unsere seelische Balance sind. In der Steinzeit waren beispielsweise Angst und Ekel wichtige Regungen, um rechtzeitig zu fliehen oder sich vor giftigen Pilzen oder verdorbenen Lebensmitteln zu schützen. Mit negativ ist gemeint, dass sich die körperliche Resonanz der Emotion einfach unangenehm anfühlt und die sogenannten positiven Emotionen angenehme Körpergefühle bewirken.
Abbildung 2.2: Die unangenehmen Emotionsqualitäten
Abbildung 2.3: Die angenehmen Emotionsqualitäten
Sicher fällt auf, dass auf diesen zwei Listen auch Qualitäten genannt werden, die man im klassischen Sinne nicht als Emotionen versteht: „Power“ und „Humor“ wird man in der gängigen Literatur zum Thema nicht finden. Bei unserer Arbeit fiel allerdings auf, dass unsere Coachees diese Feinabstimmungen im sprachlichen Gebrauch benötigen, um punktgenau in ihr Gefühl hineinspüren zu können: „Das Wort ‚Humor‘ trifft bei mir ein ganz anderes Gefühl als die Wörter ‚Spaß‘ oder ‚Freude‘“, beschrieb es eine Klientin, „Humor macht im Vergleich ein sanfteres Gefühl, kribbelt dafür aber ein bisschen mehr.“ Dieses Hineinspüren in die körperliche Resonanz einer Emotion nennen wir übrigens den „Bodyscan“.
„Lass dir das doch mal wegwinken“, heißt die Empfehlung unserer Cochees, bei denen wingwave gewirkt hat, wenn beispielsweise ein Kollege über Präsentationsstress klagt. Dass die zuvor stressenden Emotionen nach einer wingwave-Intervention „weg“ sind, ist nur ein subjektives Erleben. Tatsächlich bleiben sie als Gefühlswelle bestehen, aber sie „überschwappen“ den Verstand nicht mehr. Man kann den Effekt mit dem Fahrradfahren vergleichen: Kleine Kinder können sich auf einem Zweirad noch nicht „oben halten“, sie benötigen noch Stützräder oder ein Dreirad. Sind sie dann größer, können sie sich nach etwas Übung plötzlich in Balance halten, wenn sie auf dem Zweirad sitzen. Ein bisschen „Motion“ muss schon sein, damit das Fahrrad fährt und nicht umkippt. Es ist also im übertragenden Sinn keinesfalls das Ziel von wingwave, Menschen „emotions-los“ zu coachen. Daher auch António Damasios Credo: „Ich fühle, also bin ich“, denn nur im Einklang mit unseren Emotionen fühlen wir uns bewegt, kommen vorwärts und können Erfolge bewegen. Das Coaching-Ziel besteht darin, in optimaler Balance zu bleiben, wenn die Emotionswelle kommt, und sich von ihr tragen zu lassen: „Nachdem wir mein Wutgefühl entstresst hatten, war ich plötzlich spontan viel schlagfertiger meinem Chef gegenüber. Ich hatte einen klaren Kopf und konnte all meine Argumente anbringen“, beschrieb ein Coachee den Effekt. Dies ist ein Beispiel für Coaching mit dem Ziel, sogenannte negative Emotionen zu managen. Zu diesem Vorgehen schildern wir hier noch ein Golfcoaching-Beispiel und danach erfahren Sie, wie Sie mit der wingwave-Musik gezielt Ihre positiven Emotionsqualitäten steigern können.
„Golfen und der richtige Schlag“ –
so wirkt das „klassische“ wingwave-Coaching
Folgendes Coaching-Beispiel ist der Fernsehserie Die Seelenflüsterer entnommen, welches von der Filmemacherin Liz Wieskerstrauch für den SWR produziert wurde. Man kann dieses Filmbeispiel auch unter www.wingwave-golfcoaching.com oder auf youtube ansehen. Hier begleite ich die ambitionierte Golfspielerin Martina Griefahn direkt auf den Golfplatz. Wir bewegen uns entlang aller Stationen, wichtig war der Golferin vor allem der sogenannte Bunker, eine mit Sand gefüllte Grube. Schläge aus dem Sand heraus gelten bei vielen Golfern als ein besonders anspruchsvolles Hindernis, und einen entsprechenden „Respekt“ hatte auch meine Coaching-Kundin vor diesem Schlag. Sie hatte schon mehrfach – auch mit ihrem Trainer – an ihrer Technik gearbeitet, war aber immer noch nicht mit der Performance zufrieden: „Da bleibt immer eine Unsicherheit.“ Irgendwie fände sie nicht den „richtigen Schlag“.
Wir platzieren in diesem Film den Golfball direkt in den Sand, stellen uns davor und führen den Myostatiktest durch: Der Test fällt schwach aus. Ich teste den Satz: „Es ist emotionaler Stress“, und wieder gibt es eine schwache Resonanz, also wird die Golfleistung in diesem Fall durch Emotionsstress irritiert. Wir gehen alle Emotionen durch. Alle testen stark, bis auf die Emotion „Ekel“. Dieser kann Martina im Test keine Kraft entgegensetzen. Zunächst wundert sie sich sehr, macht dann ein paar Schmeck-Bewegungen mit dem Mund und „spuckt“ im doppelten Sinne eine Erklärung heraus: „Genau, ich finde es super eklig, wenn beim Schlag der Sand spritzt, mir ins Gesicht, in die Augen und sogar in den Mund fliegt.“ Ich bitte Martina, an diese unangenehme Erfahrung zu denken und zu fokussieren, wo im Körper die Abscheu am meisten Resonanz macht: „Es ist vor allem ein Würgegefühl im Hals“, ist die Antwort. Nun denkt die Golferin daran, wie beim Schlag knirschender Sand zwischen die Zähne gerät, spürt das Würgegefühl, und dazu winke ich schnell zwei, drei Sets schneller Augenbewegungen. Plötzlich lächelt sie, macht die Schmeck-Bewegung mit dem Mund und sagt: „Ich muss gerade an meine Kindheit denken: Unsere Strandurlaube gehören zu meinen schönsten Erinnerungen. Da haben wir am Strand getobt, uns mit Wasser bespritzt und ab und zu hat auch der Sandstrand zwischen den Zähnen geknirscht. Aber jetzt höre ich vor dem geistigen Ohr, dass wir dabei fröhlich gekreischt haben.“ Sie lächelt. Nun arbeiten wir mit der positiven Emotion weiter, die bei der Erinnerung an das kreischende Kinderglück aufgetaucht ist: „Es ist ein starkes Gefühl, vor allem im Brustkorb und in den Armen“, sagt Martina. Nun soll sie den Golfschläger in die Hand nehmen, auf den Bunker schauen, das starke Glücksgefühl spüren, und ich winke ganz langsam auf allen „Flugebenen“ der Augenbewegungen: mittig, oben, unten. Dieses Vorgehen nennen wir beim wingwave „positive Emotionen einweben“. Durch die Verknüpfung mit einem äußeren Erlebnis oder einer inneren Vorstellung bewirken wir eine positive „Einfärbung“ des Erlebnisses, wir besetzen es also mit einem körperlich als angenehm oder auch kraftvoll empfundenen „limbischen Marker“.
Das Führen der Augen über alle Punkte des visuellen Wahrnehmungsradius...