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E-Book

Friedrich Schiller

Vollständige Ausgabe

AutorOtto Harnack
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl501 Seiten
ISBN9783849627010
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Otto Harnack war ein deutscher Literaturwissenschaftler, Goetheforscher, Dramatiker und Dichter sowie Hochschullehrer. Seine Schiller-Biographie gehört zu den bedeutendsten Werken. Inhalt: Kindheit und Jugend Die Räuber Der Regimentsmedikus Flüchtling und Theaterdichter In Leipzig und Dresden In Weimar Professur und Vermählung Erkrankung. Philosophische Studien. Besuch in der Heimat Freundschaftsbild mit Goethe, Horen und Musenalmanach Gedankenlyrik, Xenien, Balladen Wallenstein Übersiedlung nach Weimar. Maria Stuart. Die Jungfrau von Orleans Fernere dramaturgische Tätigkeit. Die Braut von Messina Wilhelm Tell. Neue Pläne und Aussichten Letzte Lyrik. Demetrius. Ausgang.

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Leseprobe

Flüchtling und Theaterdichter


 


Nicht vom Kampf den Wilden zu entstricken,
Den Erschöpften zu erquicken,
Wehet hier des Sieges duft'ger Kranz;
Mächtig selbst wenn eure Sehnen ruhten,
Reißt das Leben euch in seine Fluten,
Euch die Zeit in ihren Wirbeltanz.

 

Schiller.

 

Als Schiller vom schwarz-roten württembergischen Grenzpfahl zu dem blau-weißen pfälzischen hinüberschritt, äußerte er eine kindliche Freude; so freundlich wie die Farben, meinte er, sei hier auch der Geist der Regierung. Eine gewisse Behaglichkeit und Gemütlichkeit herrschte in der Tat in dem Ländchen, welches sein Kurfürst Karl Theodor gern durch Milde und Freigebigkeit dafür entschädigte, daß er seinen Hof nach dem durch Erbschaft ihm zugefallenen bayrischen Stammlande verlegt hatte. Aber ein Asyl für politische Flüchtlinge war Kurpfalz doch keineswegs, und Schiller hatte das unverzüglich zu erfahren. Die Erzählung seiner Schicksale erregte überall peinliche Empfindungen; selbst der Theaterregisseur Meier, dem Schiller besonderes Vertrauen geschenkt hatte, hielt doch für nötig, daß der Dichter sich verborgen halte; auch ermahnte er ihn dringend, an den Herzog zu schreiben und seine Unterwerfung anzubieten. Schiller schrieb in der Tat einen Brief, der aber nicht seiner wirklichen Stimmung und seinen Absichten entsprach. Wohl nur um die Ratschläge seiner Umgebung nicht gänzlich abzuweisen, vielleicht auch um seine Familie vor etwaiger Ungnade des Herzogs zu bewahren, entschloß er sich, in mitleiderregendster Weise seine Lage darzustellen und so vielleicht auf das Gemüt des Herzogs Eindruck zu machen; aber auch jetzt hielt er unbedingt an der Forderung fest, "Schriftsteller sein zu dürfen". Gleichzeitig schrieb er auch an seinen Chef, den General Augé; von diesem erhielt er auch Antwort, die aber nur besagte, daß Schiller zurückkommen möge, da der Herzog gnädig gestimmt sei. Der Hauptpunkt war dabei nicht berührt, und so war für Schiller die Rückkehr unmöglich.

 

Tatsächlich dachte er auch nur daran, in Mannheim Fuß zu fassen. Sein "Fiesco", den er fertig mitgebracht, sollte ihm dazu helfen. Ein erster Versuch, ihn den Schauspielern vorzulesen, hatte freilich keinen günstigen Erfolg. Dann aber gab Regisseur Meier, der das ganze Stück gelesen, gute Hoffnung; er wollte sich für die Aufführung verwenden. Doch Dalberg dachte anders. Als Schiller von Frankfurt aus, wohin er sich aus Vorsicht für einige Tage begeben hatte, sich ihm als Flüchtling offenbarte, als er ihm seinen Fiesco antrug und zugleich ihn um einen Vorschuß bat, um seine Schulden tilgen zu können, da hatte der Freiherr keinen anderen Gedanken, als sich den unbequemen Bittsteller vom Leibe zu halten. Er erklärte, daß Fiesco einer Umarbeitung für die Bühne bedürfe, und daß er vorher sich auf keinen Vorschuß einlassen könne. So handelte er gegen den Mann, dem er den glänzenden Erfolg der "Räuber" verdankte, und dem er dafür nichts vergütet hatte, ausgenommen die Reisekosten bei der Erstaufführung! Schiller blieb nichts übrig, als sich an eine Theaterbearbeitung zu machen, obgleich gar keine Ursache und gar kein Fingerzeig für eine solche vorlag; er arbeitete gezwungenermaßen, während er auf Borg lebte und wegen möglicher Nachstellungen aus Stuttgart sich sorglich verborgen hielt. Und doch war alle Arbeit umsonst. Als das Stück in der neuen Form eingereicht war, erklärte Dalberg in Gemeinschaft mit dem Theaterausschuß es auch jetzt für unannehmbar, ohne irgend eine Art von Linderung des für Schiller in diesem Augenblick vernichtenden Bescheides für nötig zu halten. Auch Ifflands Antrag, dem Verfasser zur "Anerkennung seiner außerordentlichen Verdienste" eine Gratifikation von acht Louisdors zukommen zu lassen, wies Dalberg zurück. Der ruhmgekrönte Verfasser der "Räuber" mußte hinter dem paßlosen Deserteur zurücktreten.

 

Verweilen wir hier, um Schillers zweites Drama, das erst ein Jahr später endlich die Bühne beschreiten sollte, näher zu betrachten! Zugegeben ist, daß der erste Eindruck für die Schauspieler wie für Dalberg eine Enttäuschung sein mußte. Neben den "Räubern" kann "Fiesco" nicht bestehen. Ja, – alles in allem genommen – wird man ihn wohl als das schwächste der Schillerschen Dramen bezeichnen müssen. Trotzdem hat das Stück eine bedeutende Bühnenwirkung. Seine Mängel treten bei der Aufführung hinter den Vorzügen zurück; beim Lesen drängen sie sich dagegen störend hervor. Der Hauptmangel liegt in Schillers damals ganz unvollkommener historischer Bildung, die doch für diesen Stoff unbedingt notwendig war. Nicht an Einzelkenntnissen fehlt es, wohl aber an klarer Erkenntnis der miteinander ringenden historischen Mächte. Gerade die "monumentale Freskomalerei", welche Schillers gereifter historischer Dramatik eigen ist, die Auffassung der handelnden Personen als Vertreter großer, gegeneinander wirkender Bewegungen fehlt im Fiesco gänzlich. Wir erhalten weder eine klare Vorstellung von der Tyrannei, die den Genuesen droht oder schon auf ihnen lastet (auch dies bleibt zweifelhaft), noch von der Freiheit, welche die Verschwörung ihnen verschaffen soll. Noch viel weniger werden die Rollen uns deutlich, welche Frankreich einerseits und Kaiser Karl andererseits spielen; wie leerer Schall klingen ihre Namen dazwischen an unser Ohr. Diese Mängel führen dazu, daß das politische Pathos, welches in dem Stück so dröhnend hervorklingt, uns nicht mit der Macht innerer Wahrheit ergreift, wie es Schiller im "Tell" später so herrlich gelungen ist, sondern daß es uns phrasenhaft däucht. Und wenn wir schließlich lesen, daß Genua sich wieder friedlich dem alten Andrea Doria beugt, so wird diese Empfindung verstärkt; wozu das republikanische Gelärm? fragen wir, wenn doch alles darauf hinauslauft, daß sich die Familien Doria und Fiesco di Lavagna um die Herrschaft zanken? Man könnte nun vielleicht meinen, der Dichter habe in einer skeptischen Anwandlung die republikanische Freiheitschwärmerei persiflieren, als einen bloßen Deckmantel schildern wollen, hinter dem sich die Intrigen und Gewalttätigkeiten der ehrgeizigen Machthaber verbergen; aber von solchen sakrilegischen Gedanken war Schillers jugendlich-glühende Freiheitsbegeisterung weit entfernt. Dagegen hatte er sich im Stoff total vergriffen; offenbar hatte er bei bloß oberflächlicher Kenntnisnahme geglaubt, hier einen Stoff zu finden, in den er sein politisches Pathos frei könnte einströmen lassen, aber bei tieferem Eindringen zeigte sich das Gegenteil; daher auch das seltsame Schwanken in der Gestaltung des Abschlusses.

 

Die Geschichte erzählt uns, daß Ludwig Fiesco in Genua eine Verschwörung gegen die Vorherrschaft des Kaufes Doria ins Werk setzte, und daß im Augenblick, da sie gelungen war und er zum Herzog ausgerufen wurde, ein Sturz ins Meer seinen Tod herbeiführte. Das ist ein trauriges Ereignis, aber durchaus kein tragisches. Auch Schiller fühlte dies sehr wohl, aber er sah den Fehler nur in der Zufälligkeit der Katastrophe. Der Fehler liegt aber tiefer; in dem Mangel jeder erschütternden Leidenschaft, jedes tragischen Pathos. Kämpfe um die Herrschaft, Verschwörungen waren für die Italiener in den damaligen bald monarchischen, bald republikanischen, städtischen Gemeinwesen das tägliche Brot; in diesem Hin- und Herschwanken der Machtverhältnisse liegt so wenig etwas Tragisches wie in den Fraktionskämpfen des heutigen Parlamentarismus. Wollte man in diesem Stoffkreise etwas Tragisches darstellen, so mußte man eine Persönlichkeit wählen, die über diesem Intrigenspiel steht, aber trotzdem von ihm fortgerissen wird; ein Verrina, wie ihn Schiller in mächtigen Strichen hingeworfen hat, hätte sehr wohl der tragische Held sein können, der im Glauben, seinem republikanischen Ideal zu dienen, sich in dieses hohle Treiben des Ehrgeizes einläßt und dann, wie er seine Hoffnungen betrogen sieht, einen tragischen Tod sucht. Schiller meinte aber, in Fiesco selbst einen tragischen Konflikt zu legen, indem er in ihm die egoistische Herrschsucht mit dem uneigennützigen Patriotismus streiten läßt. Aber dieser Konflikt ist nur mit dem Verstand ausgeklügelt, nicht natürlich und überzeugend. Denn dieses Genua, das nicht die mindesten Anlagen zu republikanischer Freiheit zeigt, darf Fiesco ohne alle Gewissensbisse als überlegener Monarch regieren, – und unbegründete Gewissensvorwürfe dürfte ein Mann wie Fiesco sich wohl schwerlich machen. Es ist ja auch sein Tod durchaus nicht das Rachewerk eines beleidigten Volkes, sondern die Tat eines vereinzelten republikanischen Fanatikers. Ganz und gar Unnatur aber ist der Abschluß, mit dem die Bühnenbearbeitung das Trauerspiel in ein Schauspiel umwandelt. Fiesco überwindet am Schluß seine sündhafte Herrschsucht. Er wirft den Purpur weg; "sei frei, Genua", ruft er aus, "und ich dein glücklichster Bürger". Kam dem freiheitschwärmenden Dichter wirklich nicht zum Bewußtsein, daß eine Stadt, die sich die Freiheit von der Laune eines Fiesco schenken lassen muß, überhaupt der Freiheit nicht wert ist?

 

Will man den Fiesco genießen, so muß man von dem ganzen republikanischen Pathos und den tragischen Konfliktsmomenten völlig absehen und ihn einfach als Intrigenstück betrachten. Als solches zeigt er einen beträchtlichen Fortschritt über die "Räuber" hinaus, und darin liegt auch seine Bühnenwirkung begründet. Was bei den "Räubern" noch instinktives Gefühl für dramatischen Effekt ist, findet sich hier schon zu bewußter Technik entwickelt. Wenn Franz Moors Intrigen noch an einer gewissen naiven Einfachheit und darum an Unwahrscheinlichkeit leiden, so haben wir im "Fiesco" ein...

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