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Friedrich Schillers Dramen und die Epoche des italienischen Belcanto: Vom Drama zum Opernlibretto

AutorSylvie Langehegermann
Verlagdisserta Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl218 Seiten
ISBN9783954255818
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Bei der Oper wird die Musik zum Träger der Handlung, der Stimmung und der Gefühle. Sie übernimmt eine zentrale Gestaltungsrolle, wodurch die Oper sich deutlich von den Formen des Sprechtheaters bzw. des Schauspiels abgrenzt. Textgrundlage der Oper bilden die sogenannten 'Libretti'. Das Opernlibretto spielt literaturgeschichtlich eine größtenteils unselbstständige Rolle, da der Text in den meisten Fällen der Musik unterworfen wird, so auch in der Epoche des italienischen Belcanto. Folglich darf das Opernlibretto nicht nur im Hinblick auf das Originaldrama beurteilt werden, sondern muss stets in Bezug zur musikalischen Darstellung gesetzt werden. Während ein Teil der Texte von den Librettisten selbst stammt, sind die meisten Opernlibretti des Belcanto jedoch nach einer literarischen Vorlage entstanden. Neben den französischen Dramatikern greifen die Komponisten der Epoche des Belcanto häufig auf die Dramen von Friedrich Schiller zurück. In der vorliegenden Studie soll wird u.a. untersucht, welche Kriterien ein literarisches Werk erfüllen muss, um sich als Grundlage für eine Opernumsetzung zu eignen. Um den Rahmen nicht zu sprengen, konzentriert sie sich dabei auf die drei Schilleropern 'Guglielmo Tell', 'Maria Stuarda' und 'I Masnadieri'. Außerdem wird gezeigt, mit welchen Mitteln es den Librettisten und Komponisten gelingt, ein Drama in ein Libretto bzw. eine Oper umzuwandeln. Das Schaffen einer Textgrundlage für eine musikdramatische Literaturvertonung fordert gezwungenermaßen eine Modifizierung der 'abgeschlossenen' Schauspieldichtung, um auch in der musikalischen Darbietung die szenische Verständlichkeit zu gewährleisten. Eines zentrales Mittel der Umformung ist die Reduzierung auf das Kernmotiv des Dramas, wodurch die 'typische' Opernsituation einer Liebesbeziehung, die durch einen störenden Einfluss von außen in eine Konfliktsituation gerät, ermöglicht wird. Diese Reduzierung verlangt maßgeblich nach ungewöhnlichen Sujets und besonderen Bühnencharakteren. Sowohl die Opernlibretti also auch die Originaldramen werden auf die eben angeführten Aspekte hin untersucht, wobei der Schwerpunkt auf die 'besonderen Bühnencharaktere' gelegt wird. Ziel der Studie ist es u.a. zu zeigen, wie die Librettisten und Komponisten vorgehen, um die Bühnencharaktere auf die von der Oper geforderte Anzahl zu reduzieren, ohne dass die Qualität des Werkes darunter leidet oder die szenische Verständlichkeit verlorengeht. Zu diesem Zweck werden mehrere wesentliche Szenen näher analysiert, aber auch allgemeine Merkmale der jeweiligen Figuren einander gegenübergestellt.

Sylvie Langehegermann, M.A., wurde 1983 in Luxemburg geboren. Ihr Studium der Germanistik und der Romanistik (Spanisch und Französisch) schloss die Autorin im Jahre 2007 mit dem akademischen Grad der Magistra Artium erfolgreich ab. Während ihres Studiums sammelte sie umfassende praktische Erfahrungen im Bereich der Musik (Klavier und Gesang). Der Wunsch, beide Leidenschaften miteinander zu verbinden, motivierte sie, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 3, Drama und Oper im Vergleich: Sowohl das Schauspiel als auch die Oper haben ihren Ursprung in der Dramatisierung des Stoffes, der dem Werk als Vorlage dient. Folglich haben diese beiden Kunstformen eine gemeinsame Ausgangsbasis: die theatralische Form. Wie das Schauspiel, folgt auch die Oper dem Gesetz der Bühnenwirksamkeit. Obwohl dieses beim gesprochenen Drama in deutlich engerem Zusammenhang mit den literarischen Qualitäten des Textes steht, scheinen zahlreiche Komponisten zu denken, dass ein dramatisches Meisterwerk der Weltliteratur die Garantie für eine erfolgreiche Oper darstellt, was jedoch ein fundamentaler Irrtum ist. In der vorliegenden Arbeit sollen Drama und Oper nicht miteinander gemessen, sondern bewusst unterschieden werden. Man darf die Oper keinesfalls mit dem Drama gleichsetzen, es wäre falsch, die Kategorien des gesprochenen Theaters auf die Oper zu übertragen. So besitzt die Oper beispielsweise zahlreiche technische Möglichkeiten, welche dem Schauspiel nicht gegeben sind. Dem mehr oder weniger realistischen Ausdrucksstil des Sprechdramas steht in der Oper eine erhöhte sprachliche Darstellungsweise entgegen, da hier Tempo, Rhythmus und Tonhöhenlage von Melodie und Gesang das musikalische Zentrum bilden. Die folgende Untersuchung soll u.a. die Eigengesetzlichkeit der Dramaturgie der Oper im Vergleich zum Drama aufzeigen. 3.1, Die Stimme - gesprochenes und gesungenes Wort (Gedankenebene und Emotionsebene): Sowohl die Texte der Dramen als auch die der Oper werden mithilfe der menschlichen Stimme auf einer Bühne reproduziert. Sprache ist stets ein Kommunikationsmittel, sie ist Informationsträger und kann sowohl äußerst subjektive als auch höchst sachliche Inhalte übermitteln. Im Drama gelingt es den Dichtern, mithilfe des gesprochenen Wortes dem auf der Bühne Gezeigten neue Inhalte hinzuzufügen. In anderen Worten: Zusätzlich zu dem unmittelbar anschaulichen Spiel kann ein geistiger Raum geschaffen werden. Manche Szenen müssen nicht auf der Bühne vorgeführt werden, denn sie erhalten ihre Relevanz durch das, was die Sprache der Szene hinzufügt. So ist es dem Drama möglich, anhand der evokativen Fähigkeiten des gesprochenen Wortes, Personen in das Geschehen zu integrieren, welche nie wirklich sichtbar werden. Ein gesprochenes Drama kann beispielsweise eine militärische Auseinandersetzung behandeln, ohne dass ein einziger Soldat auf der Bühne sichtbar wird. Das Geschehen kann von einem hohen Standpunkt aus beobachtet werden und wird aus den Reaktionen der betrachtenden Figur deutlich. Zudem setzt das Drama meist sofort mit dem eine Lösung fordernden Problem ein, die Vorgeschichte wird nicht gezeigt und die Motive und Voraussetzungen des Problems werden im Nachhinein sprachlich exponiert. Das Bemühen des Dichters gilt der Gestaltung dessen, was nicht auf der Bühne gezeigt wird, die geistig-gedankliche, außertheatralische Welt bietet ihm seine Anregung und dort sucht er seinen Gegenstand. So dienen beispielsweise die Monologe und Zwiegespräche hauptsächlich dazu, das Denken der Personen zu fixieren. Der Schauspieler soll dann aus diesem Denken die Reflexionen eines fühlenden Menschen machen, indem er der Figur Stimmhaftigkeit und emotionale Erfülltheit verleiht. Im Drama gibt es folglich zwei Ereignisebenen, eine sichtbare, die durch eine handelnde Person verkörpert wird und eine unsichtbare, die durch einen Bericht mitgeteilt wird. Diese beiden Ereignisebenen stehen oft in einer kunstvoll ausbalancierten Spannung zueinander. Schon seit jeher steht Musik im Dienst der Bühnendarstellung und die Oper bietet die reichste Verwendung von Musik im Drama. Die Kritik an der Oper, diese Darstellungsform sei unsinnig, weil im gewöhnlichen Leben gesprochen und nicht gesungen werde, wird allein schon dadurch entkräftet, dass die Oper mit dem gewöhnlichen Leben überhaupt nichts zu tun hat, denn sie befasst sich ausschließlich mit Zuständen und Ereignissen, welche das Seelenleben betreffen. So wird die Musik zur natürlichen Sprache des Menschen. Da die Verständlichkeit des gesungenen Textes nicht immer gewährleistet ist, kann sich die Oper in viel geringerem Maße auf das Ausdrucksmittel der Sprache verlassen als das gesprochene Drama. Folglich müssen die wichtigsten Elemente des Geschehens auf der Bühne sichtbar werden. Situationen und Ereignisse, die sich außerhalb des unmittelbaren Bühnengeschehens abspielen, sind auf den Bericht oder die Erzählung, d.h. das Wort, angewiesen und deswegen in der Oper nicht erwünscht. Im Gegensatz zum gesprochenen Wort des Dramas greift der gesungene Ton, der sich in der Oper als Melodie entfaltet, in seinem Gegenstand nicht über das optisch Gegenwärtige hinaus. Während das Drama die Vorgeschichte meist im Nachhinein sprachlich herausstellt, wird in der Oper auch die Vorgeschichte zu einem Teil des anschaulichen Bühnenspiels gemacht: Die Ereignisse, die einem Konflikt zugrunde liegen, werden nicht berichtet, sondern die Oper kehrt im Ablauf des Geschehens zu diesen Ereignissen zurück und ermöglicht so deren direkte theatralische Darstellung. Der gesungene Ton kann nur das darstellen, was als sichtbares Theaterbild konkretisiert ist. Er hat keine evokativen Fähigkeiten, folglich ist es in der Oper nicht möglich, ein auf der Bühne versammeltes Ensemble durch eine fiktive Person zu erweitern oder eine dargestellte Situation durch theatralisch nicht gegenwärtige Ereignisse auszudehnen. Die Oper ist auf augen- und ohrenfällige Unmittelbarkeit angewiesen. Die Vorgeschichte - da für das spontane szenische Verständnis irrelevant - wird meist rezitativisch-beiläufig abgetan, lediglich in einigen wenigen Fällen wird sie unmittelbar aufgesucht, d.h. aus der Vergangenheit in die Gegenwart geholt und auf der Bühne präsentiert. Zudem dürfen die Fäden der Handlung in der Oper nicht zu verwickelt sein, da sie stets szenisch deutlich werden müssen, d.h. jeder Auftritt muss mit dem, was er schaubar macht, wirken. Dennoch sollte man auch bei der Oper die Bedeutung eines sorgfältig aufgebauten Handlungsgerüsts nicht unterschätzen, denn auch in dieser Kunstform muss jeder Auftritt auf irgendeine vernünftige Weise mit dem Ganzen zusammenhängen. Da sowohl die Deklamation als auch der Gesang dem Expressionsdrang von Emotionen entspringen, kann das gesungene Wort als Steigerung, als expressive Weiterführung des gesprochenen Wortes verstanden werden. Der Gesang, der gesamte musikalische Apparat der Oper, besitzt durch seine besondere Fähigkeit, Affekte, subtilste Emotionen und Leidenschaft zu gestalten, eine selbstständige Ausdruckskompetenz. Die Opernmusik verwirklicht Emotionen im Zusammenwirken mit theaterhaften Gebärden, es geht ihr hauptsächlich darum, die Gefühlswelt der dargestellten Personen auszudrücken. In der musikalischen Realisierung sind Konflikte stets die Auswirkung menschlicher Gefühle, Handlung wird als sichtbare Aktion gestaltet. Hier sollen auch die gedanklichen, inneren Konflikte in Betracht gezogen werden, die Aussage bleibt nicht auf die zwischenmenschlichen Konflikte beschränkt. Die Opernkomponisten interessieren sich für die Affekte und Leidenschaften, die hinter bestimmten Überlegungen liegen. Sie finden ihren Gegenstand und ihre Inspiration in der theatralischen Darbietung, in den szenischen Bewegungen und mimischen Gebärden. Während die Oper also größtenteils Erfahrungen darstellt und sich auf das unmittelbare Erleben konzentriert, findet das Drama seinen Gegenstand in den zwischenmenschlichen Problemen, die nur anhand einer rationalen Auseinandersetzung gelöst werden können. Das Drama befasst sich mit dem, was der sichtbaren Szene anhand des Wortes und dessen intellektuellen und evokativen Qualitäten hinzugefügt wird. Die szenischen Bestandteile gewinnen vom Sinngehalt des Gesagten her eine neue, über ihre theatralische Existenz hinausweisende Bedeutung. Da die peripheren Begebenheiten nicht dargestellt, sondern mithilfe der Sprache bewusst gemacht werden, ist das Drama stets darum bemüht, den Zeitraum des eigentlich Dargestellten zu komprimieren. Die Musik hingegen kennt ein völlig anderes Zeitbewusstsein als die Sprache. Zum einen kann ein Sänger nicht nach Belieben Pausen einlegen, um beispielsweise eine bedeutsame Geste nachwirken zu lassen oder um die Spannung einer Situation zu steigern, der Verlauf der Aufführung ist in viel stärkerem Maße festgelegt. Zum anderen versucht die Oper stets, die für den Ablauf wichtigen Ereignisse unmittelbar szenisch darzustellen, weswegen sie nicht komprimiert, sondern ausbreitet. Wie der oben angeführte Vergleich gezeigt hat, muss das Opernlibretto noch weit mehr auf Schaubarkeit angelegt sein, als das Schauspiel. Das Drama kann zur Not ohne die Bühne existieren, da sein literarischer Gegenstand sich auf einer außertheatralischen Ebene vollzieht. Außerdem besitzt der dramatische Dichter immer noch die Möglichkeit des Lesedramas. Die Oper hingegen drückt ein szenisches Spiel musikalisch aus und hat nur als realisiertes Bühnenwerk Relevanz, sie steht also in einer starken Abhängigkeit vom Theater. Hinzu kommt noch, dass die Bühne des Dramas zum Abbild einer einmaligen, realen Welt wird, da hinter den dargestellten Ereignissen bestimmte Hintergründe und soziale Verhältnisse imaginativ spürbar werden. Das Drama greift über die Bühne hinaus und da es darauf bedacht ist, eine 'realistische' Abbildung der 'Wirklichkeit' zu schaffen, muss es stets zu weiteren Informationen und Entscheidungen drängen, es kann den jeweils erreichten Informationsstand nicht festhalten. Die Oper hingegen ist allein schon dadurch, dass alle Darsteller singen, keine realistische Abbildung einer historischen Wirklichkeit. Die Bühne und die Kulisse dieser Kunstform bleiben jederzeit eine künstliche Szenerie, die ihre Nicht-Wirklichkeit nie verleugnet, sie sind stets nur das, was sie direkt und sichtbar verkörpern. So hebt Gerhartz hervor: 'Nicht in einer über ihre Bühnenexistenz hinausweisenden Glaubwürdigkeit und Wahrscheinlichkeit suchen die Figuren und Situationen der Oper ihre Legitimation, sondern allein in ihrer direkten szenisch-musikalischen Eindrucks- und Überzeugungskraft. Zwar bemüht sich die Oper innerhalb ihrer irrealen und grotesken Bühnenwelt durchaus um eine Organisation, in der alles 'stimmt' und das Gezeigte zum Gezeigten passt. Ihre 'Logik' bleibt jedoch immer theaterimmanent; die Sphäre und die Maßstäbe des Wirklichen tangiert sie dagegen nie.' Folglich erlaubt die Oper - im Gegensatz zum Schauspiel - einen relativ hohen Grad an Irrealität des Geschehens. Dies lässt sich u.a. darauf zurückführen, dass in der Oper keine scharfe Trennung von Wort und Tat besteht, sondern die Tat sich oft schon im musikalischen Ausdruck der Stimme bzw. des Orchesters erfüllt. Trotz dieser Unterschiede ist die von der Oper ausgehende Verzauberungskraft keineswegs kleiner als die des Dramas, die Illusion, in welche der Zuschauer einer Oper versetzt wird, ist eben eine andere, da die Fiktion in dieser Kunstform naiver bzw. theatralischer ist als im Schauspiel.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Friedrich Schillers Dramen und die Epoche des italienischen Belcanto: Vom Drama zum Opernlibretto1
Inhaltsverzeichnis5
I. Friedrich Schiller und die Oper9
II. Drama und Oper13
1. Das Drama13
1.1. Das deutsche Drama des späten 18. Jahrhunderts14
2. Die Oper14
2.1. Die italienische Oper des 19. Jahrhunderts: Der Belcanto16
3. Drama und Oper im Vergleich17
3.1. Die Stimme: gesprochenes und gesungenes Wort (Gedankenebene und Emotionsebene)18
3.2. Bühnenfiguren22
3.3. Darstellungsformen: Dialog und Duett bzw. Ensembleszenen23
3.4. Fazit24
4. Das Libretto25
4.1. Forschungsstand und Kritik25
4.2. Die Beziehung zwischen Wort und Musik28
4.3. Stoffwahl und Umwandlung: Reduzierung auf das Kernmotiv29
4.4. Figuren und Figurenkonstellationen: Schematisierung der Stimmfächer32
4.5. Fazit33
III. Friedrich Schillers Dramen als Grundlage für die italienischen Opernlibretti der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts35
1. Schillers Werke in Italien35
1.1. Die ersten italienischen Schilleropern35
2. Wilhelm Tell37
2.1. Friedrich Schillers Wilhelm Tell37
2.2. Gioachino Rossinis Guglielmo Tell: Begründung der Grand Opéra61
3. Maria Stuart87
3.1. Friedrich Schillers Maria Stuart87
3.2. Gaetano Donizettis Maria Stuarda118
4. Die Räuber156
4.1. Friedrich Schillers Die Räuber156
4.2. Guiseppe Verdis I masnadieri177
IV. Fazit209
Literaturverzeichnis213

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