Führungskräfte die ihre Funktion mit Ernsthaftigkeit und Engagement ausüben, stehen vielfältigen Spannungsfeldern gegenüber. Sie müssen erkennen, dass sie gezwungen sind,
jeweilig vom Grundsätzlichen her Stellung zu beziehen,
die Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen und
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber ein stimmiges Erscheinungsbild abzugeben, das
Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit bewahrt.
Dass dies angesichts der Differenziertheit der Bezugspersonen und der Fälle an Einflussfaktoren nicht einfach ist, dies ist uns nicht neu. Ebenso wenig verkennen wir, dass der Anspruch darauf, optimale Ergebnisse zu erzielen und das konkret Leistbare divergieren – aus objektiven Gegebenheiten und subjektiver Begrenztheit menschlichen Vermögens.
Und doch haben wir uns um den Erfolg zu bemühen, haben dafür zu sorgen, dass Fortschritt im positiven Sinne sich einstellt und wir zu einer höheren Entwicklungsstufe gelangen. Dies als Herausforderung zu begreifen und sich den Erfordernissen zu stellen, erscheint als Notwendigkeit im Rahmen der Sicherung von Zukunftsfähigkeit.
Unsere Betrachtung zu Führung im Spannungsfeld geht vom Grundsätzlichen her an die Problematik von Führung heran. Die Auseinandersetzung erfolgt erfahrungsbasiert und ist bezogen auf heutige und absehbar künftige Verhältnisse in den entwickelten Staaten Westeuropas. Sie kann keinen Absolutheitsanspruch erheben und tut dies auch nicht.
Dennoch verschafft uns die Reflexion über offenkundige Gegebenheiten Einsicht, die hilfreich erscheint, künftiges Führungshandeln in angemessener Form und unter Berücksichtigung der relevanten Einflussfaktoren zu gestalten, sodass sich sowohl ein Mehr an Akzeptanz, als auch ein Mehr an Erfolg einstellt.
Letztlich sind die Ausführungen als Impulsgeber zu verstehen und als Aufforderung zu begreifen, über das Vorgestellte hinaus zu denken und für das eigene Führungsverhalten Schlussfolgerungen zu ziehen. Es geht insoweit um ein personales Wachsen und die Entfaltung des individuell angelegten Potentials im zu gestaltenden Zeitablauf.
So sind wir bemüht, die unterschiedlichen Spannungsfelder, in denen sich Führungskräfte bewähren müssen, offen zu legen und bewusst zu machen, das Erfordernis individueller Positionierung zu beleuchten und eine in sich schlüssig erscheinende Antwort vorzustellen, die als bedenkenswerter Vorschlag zu begreifen ist.
Damit stehen wir nicht am Ende verantwortlichen Bemühens, sondern wiederum am Anfang. Denn Beständigkeit besteht einzig hinsichtlich der Veränderung, dem Wandel
der Herausforderungen und zu bewältigenden Aufgaben,
der Lebensumwelt und der Rahmenbedingungen, sowie
der Bezugspersonen, sowie individueller Ansichten und Befindlichkeiten.
Wir sind insoweit stets auf dem Weg und ein Stehenbleiben wäre letztlich als Rückschritt zu betrachten, den wir uns nicht ernsthaft leisten können, sofern wir auch morgen noch einen hilfreichen Beitrag zur Entwicklung beisteuern wollen.
Abbildung 3:Spannungsfelder
Quelle: selbst erstellt
Wenn wir uns dem Wesen von Spannungsfeldern zuwenden, so ist uns bewusst, dass diese uns gegensätzliche Positionen aufzeigen, zwischen denen sich Spektren auftun, die zu einer individuellen Entscheidung und jeweiligen Positionierung drängen. Kennzeichnend sind insoweit
Gegensatz,
Spektrum und
Entscheidungsbedarf.
Das Aufrechterhalten der Spannung und die Verweigerung von Entscheidung stellen insoweit keine Lösung der Herausforderung und der zu bewältigenden Problematik dar. Ambiguitätstoleranz kann insoweit nur temporär überbrücken, zumal im Zeitablauf fortlaufend Entscheidungs- und Festlegungsbedarf besteht – zum Teil grundsätzlich, zum Teil auch nur individuell.
Spannungsfelder stellen sich uns dabei als natürliche Phänomene dar, da die Realisierung gegensätzlicher Optionen für uns zwar möglicherweise wünschenswert, aber eben nicht realistisch erscheint. Schließlich lässt sich das Leben als eine Abfolge von Wahlhandlungen charakterisieren, die uns zu einem spezifischen individuellen Sein führt.
Für uns sind aus der Fülle der unterschiedlichen Spannungsfelder vor allem jene von besonderem Interesse, die von grundsätzlicher Bedeutung für unsere Führungsaufgabe sind. Dies sind z.B. Spannungsfelder zwischen
Gemeinschaftsideologie und übersteigertem Egoismus,
Mittelmaßpräferenz, Normierungsdruck und Entwicklungsphobie,
Kurzfrist- und Langzeitorientierung,
Nachgeben und Widerstehen,
Gleichbehandlung und Einzelfallberücksichtigung,
Schein und Sein,
positivem und negativem Menschenbild,
Wahrnehmung bzw. Ablehnung handlungstheoretischer Verantwortung,
Seriosität oder Intrigenspiel und Mobbingverhalten.
Uns fällt es schwer, all jene mehr oder weniger relevanten Spannungsfelder aufzulisten. Und doch kommt es uns zu, in ihnen jene Position einzunehmen, die geeignet ist, individuelle Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit zu bewahren und damit dem konstruktiven zielgerichteten Miteinander eine Chance zu geben.
Spannungsfelder sind im Zeitablauf nicht statisch. Sie verändern sich ebenso wie wir und die Lebensumwelt insgesamt. So können wir im Rahmen von Spannungsfeldern unsere Grundüberzeugung zum Ausdruck bringen, aber auch situativ wohl erwogene und begründete Ausnahmen zulassen. Diese sollten allerdings nicht den Regelfall zahlenmäßig überrunden, sodass ein in sich schlüssiges Erscheinungsbild verloren geht.
Wenn wir die Bedeutung der Spannungsfelder zu ergründen suchen, so ist diese höchst heterogen – und dies sowohl intersubjektiv, als auch vom Subjektiven her.
Intersubjektiv gelten beispielsweise – kulturell gefestigt – die Wahrung der Menschenwürde und die Einhaltung der Menschenrechte als unverzichtbare Handlungsmaximen und deren Gegenteil als ein verwerflicher Greul.
Subjektiv geprägte Präferenzen (wie z.B. im Bereich des durch Mode unterstrichenen individuellen Erscheinungsbildes) erscheinen demgegenüber häufig als weniger bedeutsame Ausprägungen des persönlichen Geschmacks und Empfindens.
Da erscheint Aufmerksamkeit und hinreichende Reflexion vor allem in den grundsätzlichen Spannungsfeldern angezeigt, wo es um die Grundorientierung des Einzelnen beim Wesentlichen geht, damit die Person nicht das Gesicht verliert und weiterhin ernst genommen werden kann.
Zwar besteht ein gesellschaftlicher Grundkonsens, dieser aber erscheint angesichts der vielfältigen Umbrüche im Hier und Jetzt brüchig. Und auch die öffentliche Diskussion hat die Relativierung des Normenhorizonts längst als wichtigen Themenkomplex identifiziert. Dies gilt gerade dann, wenn man den Kernbestand des Gemeinsamen, die kulturelle Identität jenseits der vielfältigen Veränderungen und Verwerfungen bewahren will.
Der Einzelne ist insoweit gefordert, sich zu positionieren. Nur dies gewährleistet das sich Einbringen in soziale Gebilde, die Berücksichtigung der individuellen Anlagen, Stärken und Präferenzen innerhalb des sich vollziehenden Geschehens und sichert somit die Ausgewogenheit zwischen personaler Entfaltung und sozialer Rückbindung.
Ein dem Herdentrieb folgen würde den Einzelnen zu einer auswechselbaren Kopie degradieren und die ihm zukommende Würde verweigern, eine auf individuelle Ausrichtung zu Lasten der Gemeinschaft würde sich letztlich nicht nur gegen soziale Gebilde und deren unverzichtbare Funktion, sondern auch gegen den Einzelnen selbst wenden.
Denken wir in diesem Zusammenhang nur an den Verlust an Orientierung und der vermittelten Wertmaßstäbe, denken wir nur an die aus den sozialen Gebilden heraus erwachsende Sicherheit und des stützenden und tragenden Rückhalts durch ein verständiges, auf Ausgleich bedachtes faires Miteinander.
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