2
„Die Frauen wollen ja nicht …“
„Die Frauen wollen ja nicht“ – diesen Einwand hört man immer wieder in Debatten darüber, warum in einer Firma vergleichsweise wenige Frauen in Führungspositionen tätig sind. Diese Einschätzung geht aber an der Wirklichkeit vorbei.
Nicht jeder Mann will Führungskraft werden
Zunächst muss man zur Kenntnis nehmen, dass auch nicht alle Männer jederzeit und um jeden Preis befördert werden wollen. Wissenschaftliche Forschungen weisen auf einen Trend hin, den die amerikanischen Autoren der Wharton-Universität „Plateauing“3 nennen: Immer weniger Frauen und Männer aller Generationen möchten weiter aufsteigen. 1992 waren es in den USA noch 57 %, 2006 nur noch 36 %. Sie koppeln sich von dem beständigen „onward and upward“ ab. Die Bereitschaft, Führungsaufgaben zu übernehmen und Karriere zu machen, ist manchmal bei Männern und Frauen gleich hoch – je nach beruflicher Entwicklungsphase, Arbeitsumfeld und Generationenzugehörigkeit kommen aber auch Unterschiede vor.4
Studenten sind karriereorientierter als Studentinnen, sie erwarten mehr Gehalt und einen rascheren Aufstieg, streben eher eine Führungsposition an, möchten mehr Verantwortung übernehmen. Den Studentinnen sind Gehalt und Prestige der Firma weniger wichtig, höher bewerten sie eine interessante Arbeit und ein gutes Betriebsklima.5
Fragt man aber berufstätige junge Leute unter 30, dann zeigt sich, dass sich Männer und Frauen in ihrem Wunsch nach mehr Verantwortung nicht mehr sonderlich unterscheiden. Frauen entdecken ihre Karrierewünsche vielfach erst, wenn sie in den Beruf eingestiegen sind.6 In der nachrückenden Generation scheint sich zudem der Unterschied in den Karrierewünschen zu verringern ( KASTEN „Befragung des Families and Work Institute“). In stark männlich dominierten Arbeitsfeldern aber besteht der Unterschied in der Aufstiegsorientierung von jungen Männern und Frauen offenbar nach wie vor: Die Fraunhofer-Gesellschaft stellte 2012 für Berufsstarter der Generation Y in den Feldern Naturwissenschaften oder Ingenieurswesen ( Kapitel 6 in Band 4) fest, dass 51 % der befragten Männer eine Führungsposition mit Leitungsaufgaben zum Karriereziel hatten, während das nur auf 32 % der befragten Frauen zutraf.7
Ergebnisse einer Befragung des Families and Work Institute, N.Y., von 2008:
• 2008 sagten Männer und Frauen unter 29 zu gleichen Anteilen, dass sie gern eine verantwortungsvollere Aufgabe hätten.
• Der Wunsch war bei jungen Frauen mit Kindern sogar noch ausgeprägter.
• Das Thema Work-Life-Konflikt bzw. Work-Life-Balance stand für die jungen Frauen ganz obenan.
• Der Work-Life-Konflikt unter Vätern hat zugenommen, da diese seit der letzten Umfrage mehr Familienaufgaben übernommen haben.
Seit Beginn der Befragung 1992 ist es das erste Mal, dass kaum Unterschiede zwischen den Wünschen der jungen Frauen und Männer bestehen. Es ist zu hoffen, dass sich dieser Trend fortsetzt.
Times are Changing. Gender and Generation at Work and at Home. Families and Work Institute (FWI), 2008; zitiert nach Cornelia Edding, Was wünschen sich Frauen von ihrer Arbeit? Eine Literaturrecherche, Gütersloh 2014, S. 13 | | Bertelsmann Stiftung |
Aufstieg ist am Anfang keine Frage
Die Frauen der Fokusgruppe haben mehrheitlich berichtet, dass sie zu Anfang ihres sehr erfolgreichen beruflichen Weges kaum konkrete Karrierevorstellungen hatten. Sie waren damit beschäftigt, immer wieder neu ihre fachliche Kompetenz unter Beweis zu stellen und auszubauen. „Führungskraft werden“ war kein Thema für die meisten, bevor ihr Chef sie darauf ansprach.
Also bei mir war das sicherlich auch so: Meine allerersten Schritte in Richtung Führung – da wäre ich wohl alleine nicht so schnell drauf gekommen, sondern da ist mein Chef zu mir gekommen und sagte: Mensch, wäre das nicht was für dich? | |
Fragt man erfolgreiche Frauen, die heute bereits in hohen Führungspositionen sind, nach ihrer beruflichen Entwicklung, zeigt sich, dass viele von ihnen zu Beginn ihrer Ausbildung nicht hätten sagen können, welches Berufsziel sie verfolgen.8
Das Engagement des Chefs lohnt sich
Die beruflichen Karrieren der Fokus-Frauen zeigen, dass viele junge Frauen leicht für eine Position als Führungskraft zu gewinnen sind. Die meisten haben „den Appetit erst beim Essen bekommen“ – die Lust auf Karriere ist bei ihnen erst in der ersten Führungsposition entstanden. Mit zunehmender Vertrautheit ihrer Rolle und der Gewissheit, dass sie von ihrem Chef unterstützt werden, haben sie schnell an Selbstbewusstsein gewonnen.
Mein Vorgesetzter hat damals gesagt, das ist eine Supersache, mach das, ich unterstütze dich auch dabei, ich traue dir das zu, und du wirst sehen, dass es klappt. Und das hat es glücklicherweise am Ende auch. | |
Trotz aller Zurückhaltung junger Frauen lohnt es sich also, wenn Vorgesetzte sie frühzeitig auf mögliche Perspektiven als Führungskraft ansprechen. Selbst wenn sie zunächst skeptisch reagieren, kommt auf diese Weise doch ein Prozess des Abwägens in Gang. Das zeigen vielfältige Erfahrungen aus Coaching-Prozessen, und erfolgreiche Managerinnen bestätigen im Rückblick auf ihre Karriere, dass vorrangig Männer Wegbereiter für ihre berufliche Entwicklung waren: Kollegen, Chefs, Vorstände, Ehemänner.9
Top-Management: Leben an der gläsernen Decke
Anders sieht es für Positionen im Top-Management aus: Sozialwissenschaftlerinnen gehen davon aus, dass immer mehr qualifizierte Frauen in eine Karrierelaufbahn einsteigen und diese dann aber wieder verlassen.10 Es ist zu vermuten, dass dieser „Drehtüreffekt“11 dadurch zustande kommt, dass aufstiegsorientierte Frauen im Laufe ihrer Karrieren mehr Entmutigung als ihre männlichen Kollegen erleben.
Und der Führungsstil, den die Führungskräfte an den Tag legen, ist eine Katastrophe, so dass die Frauen dort auch überhaupt keine Lust haben! | |
Der Weg durchs mittlere Management nimmt vielen karrierebewussten Frauen jegliche Illusion: Die Gefahr der Ausgrenzung ist auf jeder Hierarchieebene spürbar. Extensive Arbeitszeiten, der Umgang mit Sexualisierungen am Arbeitsplatz und permanente Kämpfe um gleichwertige Chancen und Entgelte sind alltäglich. Der Druck von oben ist groß und die Familienfreundlichkeit vielfach gering. Genug Gründe, dass talentierte weibliche Führungskräfte eher zurückhaltend reagieren, wenn es darum geht, eine Führungsposition im Top-Management einzunehmen. Hier sind die Ausgrenzungsmechanismen der „gläsernen Decke“ besonders stark wirksam ( Kapitel 10 in diesem Band).
Männer bekommen direkte Karrierehilfen, Frauen Aufmerksamkeit
Wie unterschiedlich die Qualität der Arbeitsbeziehungen von Männern und Frauen z. B. an amerikanischen Wirtschaftsfakultäten ist, zeigten im Jahr 2000 die Ergebnisse einer Studie von Gersick et al.12: Im Vergleich zu den befragten Männern erlebten gerade statushohe Frauen offenbar besonders häufig Situationen, in denen sie ausgegrenzt oder zurückgewiesen wurden. Vielfach wurden ihnen Ressourcen verweigert, die anderen zugestanden wurden. Männer berichteten zudem deutlich häufiger als Frauen von Situationen, in denen sie praktische, ganz direkte Karrierehilfe bekamen, während Frauen lediglich freundliche Aufmerksamkeit erhielten. Aufmerksamkeit mag gut sein, direkte Karrierehilfe aber ist nützlicher.
Untersuchungen zur Zufriedenheit von Führungskräften zeigen, dass Männer mit steigendem beruflichen Status immer zufriedener werden, während die Zufriedenheit von Frauen keineswegs zunimmt.13 Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht davon aus, dass ein größeres Interesse von Frauen an Leitungspositionen nicht zu erwarten ist, solange junge Frauen sehen, dass ältere erfolgreiche Frauen auch nicht zufriedener sind als sie selbst.
Was können Vorgesetzte tun, um junge Frauen zu Führungskräften aufzubauen?
Geben Sie regelmäßiges Feedback und wecken Sie Aufmerksamkeit für Strategien der Imagepflege.
Verhelfen Sie jungen Frauen zu einer Bühne in Entscheider-Gremien. Sorgen Sie für öffentliche Auftritte und Erfolge – auch...