Urlaub in Iran – geht das denn?
Kann man denn überhaupt nach Iran fahren? Unbedingt. Wegen der kulturellen und kulinarischen Vielfalt – und weil der Tourismus allemal eine Öffnung des Landes bewirkt. Wer sich einlassen will, stößt auf offene Türen. Iran ist eines der sichersten Reiseländer der Welt, für Touristen gibt es keine No-go-Areas, von den äußersten Grenzregionen zu Afghanistan und Pakistan einmal abgesehen. Und Iran ist noch ursprünglich, relativ touristenarm mit nahezu durchgehend freundlichen und interessierten Einheimischen. Jeder, wirklich jeder Iran-Reisende, den ich kenne, hat bei seiner Rückkehr gesagt: »Oh, wie schön, da möchte ich unbedingt wieder hin.«
Als ich vor ein paar Jahren nach langer Zeit wieder nach Iran gereist bin, war ich überrascht. Ich wusste, dass sich das Land nach außen geöffnet hatte. Auch, dass die revolutionären Ideale nach der Revolution 1978/1979 teilweise in Vergessenheit geraten waren. Trotzdem war ich erstaunt, dass ich in Teheran so vielen jungen Frauen begegnete, die ihr Kopftuch ganz locker auf einem Dutt trugen und niemals ungeschminkt aus dem Haus gingen.
Inzwischen sind die meisten Iranerinnen schön zurechtgemacht, sie kennen die Schmink- und Modetipps aus den westlichen Magazinen. Sie machen sich nicht nur hübsch fürs Straßencafé oder die private Party am Abend, auch zum Einkaufen oder fürs Büro wird getuscht und gepudert. Die Schönheitssalons boomen – die jüngsten Kundinnen sind gerade einmal sechs oder sieben Jahre alt. Auf den Dörfern ist es noch anders, dort laufen die Frauen nicht so bunt und aufreizend herum, das Kopftuch oder der Tschador wird aus Überzeugung getragen. Und die Frauen werden dort noch verheiratet, ohne vorher nach ihrer Meinung gefragt zu werden.
Jedes Mal wenn ich mich wieder auf den Weg in meine zweite Heimat begebe, gucke ich in erstaunte Gesichter: »Wie mutig von dir! Kannst du dich als Frau dort überhaupt frei bewegen? Stört es dich nicht, deine Haare bedecken zu müssen?« Nein, das Kopftuch ist für mich keine Last. In anderen Ländern muss ich mich schließlich auch an gewisse Regeln halten. Und nur, weil die Frauen ihre Haare bedecken müssen, spielen sie in Iran keineswegs die zweite Geige in der Gesellschaft, wie manche glauben. Viele Touristen, die im Vorfeld einer Reise ihre – teilweise auch berechtigten – Vorurteile haben, sind hinterher erstaunt über die Rolle der Frau.
Auch ich bin auf meinen zahlreichen Touren vielen willensstarken und selbstbewussten Frauen begegnet, die ihren Männern auf die eine oder andere Art und Weise gesagt haben, wo es langgeht. Die Rechte der Frauen werden mehr als akzeptiert. Es gab sogar eine Zeit, wo die Männer mit Kopftüchern auf die Straßen gegangen sind, um ihre Solidarität gegenüber den Frauen zu zeigen und dafür zu plädieren, dass die Iranerinnen rechtlich auf eine Stufe mit ihnen gestellt werden. Im Sommer 2016 startete die in New York lebende Journalistin Masih Alinejad die Kampagne »Men in Hijab« – Männer mit Kopftuch. Weltweit beteiligten sich Millionen von Iranern und posteten mehrere Wochen lang Fotos in den sozialen Netzwerken, auf denen sie mit Kopftüchern zu sehen waren, daneben die Frauen ohne Kopfbedeckung.
Es ist natürlich nicht zu leugnen, dass die Frauengesetzgebung immer noch zu wünschen übrig lässt; zur Zeit des Schahs waren Frauen wesentlich bessergestellt. Nach der Revolution richteten die Mullahs das Eherecht nach der Scharia aus. So kann sich eine Frau etwa von ihrem Ehemann nur dann scheiden lassen, wenn er einwilligt. Dabei wird in Iran jede fünfte Ehe geschieden. Die Brautpaare einigen sich oft auf spezielle Klauseln in den Eheverträgen, mit denen sie die nachteiligen Regelungen für die Frauen umgehen. So sichern sich die Frauen zum Beispiel finanziell für den Fall ab, dass sich der Mann von ihnen scheiden lässt. Das geschieht, indem sie eine Morgengabe verlangen – eine Art Lebensversicherung im Falle einer Scheidung, die ihnen dann als Hebel dient, wenn sie selbst die Scheidung wollen: Um die Einwilligung des Mannes zu bekommen, bieten sie ihm an, auf die Morgengabe zu verzichten.
Sowieso hat sich in den Städten manches zum Guten verändert. Immer mehr Frauen studieren: Sechzig Prozent der Studierenden in manchen Studiengängen sind weiblich, und der Anteil der Professorinnen ist höher als in Deutschland. Im Wettbewerb um die freien Studienplätze belegen die Frauen jedes Jahr die vorderen Plätze, zumindest in den Naturwissenschaften, den Sprachen und in der Kunst. Die besseren Abschlüsse machen sie außerdem.
Und hätten Sie gedacht, dass es mehr Frauen in Führungspositionen gibt als in Deutschland? Im Juli 2017 hat die staatliche Fluggesellschaft Iran Air die Ingenieurin Farzaneh Sharafbafi zur Chefin ernannt, weltweit ein Novum. In den Köpfen der Europäer schwirrt meist nur ein Bild herum: graubärtige iranische Männer, die in den Chefetagen sitzen und versuchen, Politik zu machen und über das Atomprogramm zu verhandeln. Wenn über die Zukunft des Landes entschieden wird, haben die Frauen vermeintlich nichts zu sagen. So zeigt sich die Islamische Republik nach außen – und wir übernehmen dieses Bild. Aber die Realität sieht eben anders aus.
»Dürfen Frauen denn Fahrrad fahren?« – Ja, sie dürfen, und sie tun es auch. »Und muss ich als Touristin nicht einen Tschador tragen, so einen schwarzen Umhang?« – »Wird man bei der Einreise nicht kontrolliert und auf Schritt und Tritt bespitzelt?« – »Ist es in Iran nicht irre gefährlich?« Die Antwort lautet fast jedes Mal: Nein. Die ausländischen Frauen müssen sich nicht verschleiern – ein Kopftuch genügt, einfach leicht über die Haare geschwungen. Dazu ein dünner Stoffmantel, der über die Hüften reichen sollte. Im Gegensatz zu den Iranerinnen wird bei den Ausländerinnen ohnehin nicht so genau hingeschaut.
Häufig sind die Leute erstaunt, wenn ich erwähne, dass Iran nicht zur arabischen Welt gehört, sondern indogermanische (Sprach-)Wurzeln hat. Iraner sind stolz auf ihre Abstammung. Wenn ich mich mit ihnen unterhalte und wir auf Deutschland zu sprechen kommen, beginnen neunzig Prozent der Gesprächspartner sofort ein überschwängliches Loblied auf die deutsche Vergangenheit. Mit Lücken, das muss man sagen, die Hintergründe des Holocausts etwa sind in Iran kaum bekannt.
Viele Iraner wissen nicht einmal, dass Abdol-Hossein Sardari, der »Oskar Schindler Irans«, vielen Juden im Zweiten Weltkrieg das Leben gerettet hat – mitten in Europa. Damals wurden unzählige Menschen jüdischen Glaubens im Land aufgenommen. Sie kamen zahlreich aus Europa, darunter Tausende Kinder aus Deutschland und Polen, die sogenannten Teheran-Kinder, die später nach Palästina gebracht wurden. Abdol-Hossein Sardari war als iranischer Diplomat in Paris tätig. Während des Zweiten Weltkrieges nutzte er eine Vereinbarung zwischen Nazi-Deutschland und Iran, die alle iranischen Staatsbürger vor deutschen Angriffshandlungen schützte. Iran gehörte bis zur britisch-sowjetischen Invasion im August 1941 zu den Verbündeten des Nazi-Regimes im Nahen Osten. Aber Reza Schah Pahlavi, der Vater des späteren Schahs, Mohammad Reza Pahlavi, weigerte sich vehement, die Rassenideologie der Nazis in Iran umzusetzen. Damit wurde Iran in der Nazi-Zeit zum geschützten Hafen für Tausende verfolgter Juden. Sardari stellte vielen Juden iranische Pässe aus. »In der Pahlavi-Zeit blühte das jüdische Leben in Iran«, so habe ich es immer wieder von meinem Vater gehört.
Während der Schah-Zeit herrschte noch ein exzellentes Verhältnis zwischen Iran und Israel – auch die Juden in Iran genossen alle Freiheiten. Dies änderte sich erst durch die Islamische Revolution von 1978/1979; die große Auswirkungen auf die iranischen Juden hatte. So wurde Habib Elghanian, der Vorsteher der jüdischen Gemeinde in Teheran, direkt nach der Revolution wegen angeblicher Spionage für Israel hingerichtet.
Israels Präsident ist überzeugt davon, dass Teheran nach wie vor die schiitische Hisbollah-Miliz im Libanon und Syrien mit Waffen beliefert, und er glaubt auch weiterhin daran, dass Iran den Besitz von Atomwaffen anstrebt – auch wenn Präsident Rohani dies zum wiederholten Male verneint hat und die internationalen Überwachungsorganisationen immer wieder bestätigen, dass keine Waffenproduktion stattfindet. Und so wird in Jerusalem seit Jahren in regelmäßigen Abständen mal mehr, mal weniger offen über die Möglichkeit eines militärischen Präventivschlags gegen Irans Atomanlagen spekuliert.
Tatsächlich prägen der vermeintliche Atombombenbau, die politischen Repressionen und der islamische Fundamentalismus immer noch das Image Irans. Doch seit dem Abbau der Sanktionen, seitdem der umstrittene und provokante Präsident Ahmadinedschād von Präsident Rohani abgelöst wurde und seit Iran den internationalen Streit um das Atomprogramm beendet hat (zumindest mit den Europäern), zieht es immer mehr ausländische Touristen in die Islamische Republik.
Innerhalb von zwei Jahren kamen viermal so viele Besucher wie zuvor – Tendenz weiter steigend. Die Neugier auf eines der wenigen unentdeckten Reiseländer wächst. Ein Land, das noch dazu sehr sicher ist, auch wenn es sich um die Sicherheit einer islamisch-strengen Staatsauffassung handelt. Die strengen Sittengesetze tragen tatsächlich dazu bei, dass allein reisende Frauen in Iran, anders als in islamisch geprägten Ländern, in die der Massentourismus bereits Einzug gehalten hat – wie in Ägypten, Tunesien oder der Türkei – nicht mit sexueller Belästigung rechnen müssen. Durch die...