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E-Book

Gebrauchsanweisung fürs Reisen mit Kindern

AutorJana Steingässer
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783492991872
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Zwei plus Vier macht Sechs: Die Globetrotterin Jana Steingässer erkundet mit ihrem Mann und ihren vier Kindern von Australien bis Grönland, von den Alpen bis Südafrika regelmäßig die Welt. Ansteckend schildert sie, wie man in einer pulsierenden Großstadt, der arktischen Wildnis oder einer Sandwüste zusammen die schönsten Abenteuer erlebt und Kinder von ihren Erfahrungen mit fremden Kulturen profitieren. Sie verrät, welches Spielzeug in den Koffer gehört. Mit welchen Tricks jeder Einzelne auf seine Kosten kommt, obwohl man Entscheidungen gemeinsam als Familie trifft. Dass Not überaus erfinderisch macht, wenn mal beide Eltern krank werden sollten. Und dass man auf Reisen vom unverstellten Blick seiner Kinder eine ganze Menge lernen kann.

Jana Steingässer, geboren 1976, studierte Ethnologie und Soziologie in Frankfurt und Indigenous Studies in Perth. Das Eintauchen in andere Kulturen und Lebenswelten ist ihre große Leidenschaft. Egal, ob sie mit ihrer Familie in einem Minibus durch Tansania tuckert, mit Inuit auf dem Polarstrom treibt oder zu Fuß die Alpen überquert - auf dem Heimweg ist ihr Gepäck voller Ideen und Geschichten, über die sie als Journalistin und Autorin für Magazine und Verlage schreibt. Zudem veröffentlichte sie gemeinsam mit ihrem Mann den Bildband »Die Welt von Morgen. Eine Familie auf den Spuren des Klimawandels«. Wenn sie nicht gerade unterwegs ist, lebt sie mit ihrer Familie bei Darmstadt.

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Leseprobe

Badehose oder Daunenmantel

Die erste Frage, die uns gestellt wird, wenn wir von unseren mehrere Wochen bis Monate dauernden Reisen erzählen: »Wie habt ihr es nur geschafft, schulpflichtige Kinder zu befreien?« Und dann folgt meist ziemlich schnell die Aussage, mit der sich Eltern selbst Steine in den Weg legen: »Mehrere Monate reisen in der Schulzeit – das geht doch gar nicht!«

Wir haben aufgehört zu fragen, ob etwas machbar ist, und haben uns stattdessen angewöhnt zu überlegen, wie wir etwas machbar machen.

Ja, in Deutschland besteht eine allgemeine Schulpflicht. Jedes Kind mit deutschem Wohnsitz muss täglich die Schulbank drücken und darf nicht, wie in Ländern mit allgemeiner Bildungspflicht, außerschulisch lernen. Trotzdem gibt es Möglichkeiten, Schulkinder im Rahmen eines Reiseprojektes freistellen zu lassen. Schon allein, weil es zunächst mal im Ermessen der Schule liegt, wie sie mit solchen Elternanfragen umgeht. Versetzen Sie sich in die Situation der Lehrer, die mit Anträgen auf Schulbefreiung konfrontiert werden. Die Ferienzeiten verlängern, weil dann die Flüge billiger sind? Dass diese Argumentation schiefgehen muss, liegt auf der Hand. Jens’ und meine Argumentation ist für unseren Fall simpel und leicht nachvollziehbar: Als freiberufliches Fotografen/Autorinnen-Team gehört das Reisen zu unserem Alltag. Und dass wir unsere Kinder nicht einfach zu Hause lassen können, versteht sich von selbst. Eltern, die nicht mit diesem Argument in der Tasche bei Lehrerschaft, Schulleitung und Schulamt aufwarten können, müssen etwas kreativer sein. Gibt es eine familiäre Bindung an das Reiseziel? Welche sprachlichen Vorteile erhoffen Sie sich? In den folgenden Kapiteln werden Sie zudem einige Hinweise dafür sammeln können, wie sich Reisen positiv auf Kinder auswirkt.

Selbst wenn Klassenlehrer und Schulleitungsteam unserer Arbeits- und Lebensweise gegenüber sehr aufgeschlossen sind, wollen sie natürlich sicherstellen, dass unsere Kinder nicht einfach nur »Urlaub« machen.

Für Paula artet das in Australien phasenweise in echten Stress aus. Wir sind diesmal vier Monate für einen Forschungsaufenthalt in Perth, und Paula besucht eine der dortigen Waldorfschulen. An ihrer Seite Lily, ihre beste australische Freundin, mit der sie im langen Flur unseres Häuschens damals als Einjährige Hand in Hand die ersten Schritte ohne Eltern gewagt hatte.

In den ersten Schultagen ist Paula fasziniert, wie anders Schule aussehen und ablaufen kann, obwohl sie zu Hause auch eine Waldorfschule besucht. Durch den Hof, der eher umzäuntes australisches Buschland ist als versiegelte Fläche wie bei uns üblich, hüpfen Wallabys. In den Bäumen sitzen Papageien, Rosenköpfchen und Kookaburras. Jede Klasse hat ein eigenes Häuschen, das mit den anderen über Pfade verbunden ist. Ihr neuer Lehrer Bruce (seinen Nachnamen hat Paula nie erfahren) ist »total cool«, »lustig« und »meganett«. Einen Nachmittag die Woche setzen sich Paula, ihre Mitschüler und Bruce zusammen zum Plauderstündchen, um herauszufinden, wo es brennt und was gut läuft. Schule in Australien, findet Paula, könnte richtig easy sein. Wenn nicht am Nachmittag noch die Aufgaben auf sie warten würden, die ihre Lehrerin ihr von zu Hause aus mitgegeben hat. Unser Kind ist gewissenhafter als Jens und ich zusammen und zudem ehrgeizig. Keine der deutschen Hausaufgaben »vergisst« sie einfach mal. Und wenn die erledigt sind, warten noch die Aussie homeworks auf unsere Tochter. Manchmal tut uns Paula richtig leid. Aber immer, wenn wir sie in den vier Monaten vor Ort fragen, was eigentlich das Schönste an diesem Auslandsaufenthalt sei, antwortet sie wie aus der Pistole geschossen: »Die australische Schule!«

Nicht jedes Mal sind wir so lange an einem Fleck sesshaft, dass sich ein Schulbesuch lohnen würde. Zwei Mal tingeln wir über den nördlichen Polarkreis bis ins nördliche schwedische Lappland. Nur selten halten wir uns mehrere Tage am Stück an einem Ort auf. Deshalb geben uns bei der ersten Skandinavienreise sämtliche Klassenlehrer unserer Kinder eine To-do-Liste mit, die ich unterwegs mit den Kindern abarbeite.

Auf der zweiten Reise begleitet uns meine Zwillingsschwester samt Mann und vier Kindern. Und Katja ist, was für ein Glück, Waldorflehrerin! Sie unterrichtet die Kinder am Strand, im Wald, bei schlechtem Wetter auch im Expeditionsmobil. Angepasst an das deutsche Curriculum, aber mit den Freiheiten, die eine rollende Schule mit sich bringt. In Schweden begegnen die Kinder der Kultur der Sami, die sich in ihren Schularbeiten widerspiegelt. Als »Mitbringsel« für Mitschüler, Lehrerkollegium und Schulführung erarbeiten sie ein Schweden-Tagebuch mit Geschichten, Bildern und Informationen über Schwedens Geschichte und Gegenwart.

Die letzte Unterrichtsstunde der rollenden Schule findet auf den Lofoten statt. Am Abend machen wir ein Lagerfeuer, die Kinder stellen Stühle im Halbkreis auf und präsentieren uns, was sie unterwegs in Skandinavien alles erarbeitet haben. Ihrer »Lehrerin« (und sie trennen zwischen den verschiedenen Rollen, in denen meine Schwester ihnen täglich gegenübertritt) überreichen sie ein Abschiedsgeschenk, an dem alle Kinder mitgearbeitet haben: einen nach samischer Technik gewebten, wunderschönen Gürtel.

Im Gespräch ist es eigentlich immer möglich, ein Gespür dafür zu entwickeln, unter welchen Bedingungen Schulkollegium und Schulamt eine Beurlaubung befürworten können. Am schlauesten ist es, nicht nur darzulegen, welchen Vorteil Ihre Kinder von einer Reise haben werden, sondern auch, was Sie und Ihre Familie für die Schule Gutes tun können (Vorträge, Projektarbeit). Trotzdem wird es Nüsse geben, die einfach nicht zu knacken sind. Dann bleibt immer noch, den dauerhaften Wohnsitz aus Deutschland in ein anderes Land zu verlegen (Bildungspflicht statt Schulpflicht!), aber das hat natürlich auch finanzielle Konsequenzen. Wer nicht in Deutschland gemeldet ist, muss eventuell auf Kindergeld und Elterngeld verzichten. Also werden Sie erfinderisch beim Umschiffen der Klippen, suchen Sie das Gespräch! Und fragen Sie, wie gesagt, nicht nach dem »ob«, sondern nach dem »wie«. Dann haben Sie sich sowieso schon eines der wichtigsten Werkzeuge zugelegt, die Sie unterwegs benötigen werden.

Kürzlich kam übrigens eine Lehrerin des Schulleitungsteams auf mich zu.

»Frau Steingässer!«, rief sie fröhlich. »Gut dass ich Sie treffe. Ich wollte mal fragen, ob Sie schon sagen können, wann Sie im nächsten Jahr wieder auf Reisen sein werden. Damit wir schon mal planen können.«

Tolle Schule, weitsichtige Lehrer!

Gehen wir davon aus, dass Ihre Kinder von ebenso weitsichtigen Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet werden, dass die Schulleitung die Grundlagen der kindlichen Entwicklung (und damit den positiven Einfluss des Reisens darauf) kennt und Ihnen im Schulamt kein paragrafenreitender Korinthenkacker gegenübertritt, steht jetzt die Frage an: Wohin eigentlich?

»Ist das dein Ernst?«

Jens schaut mich ungläubig an.

Ich beuge mich über unseren überdimensionalen Familienatlas. Vor mir breitet sich die Arktis aus.

Ellesmere Island.

Spitzbergen.

Thule. Ammassalik.

Die Barentssee.

Der Klang dieser Orte reicht aus, um in mir unerträgliche Sehnsucht auszulösen.

Also: Ja, es ist mein voller Ernst!

Wir arbeiten an einer Reportage über die Auswirkungen des Klimawandels, und ich plane die erste Etappe: Winter in Grönland!

Nicht nur weil sich hier besonders eindrücklich zeigen lässt, wie die Bevölkerung mit den Veränderungen ihrer Umwelt zurechtkommen muss. Grönland ist schon seit meiner Kindheit das Ziel meiner Träume. Während der Familienurlaube in Ungarn, Italien oder Griechenland hatte ich davon geträumt, in die Arktis auszuwandern. Abends war mein Bett umgeben von Arktis-Bildbänden, in die ich mein gesamtes Taschengeld investiert hatte. Und als ich im Französischunterricht mit voller Überzeugung ein einsames Haus auf Grönland als Vision meines zukünftigen Lebens präsentierte, fragte eine Mitschülerin ernsthaft verstört: »Grönland? Aber warum denn?«

»Warum? Weil ich die Einsamkeit liebe!« Natürlich!

Zugegeben, nicht jeder sehnt sich danach, seine freie Zeit eingehüllt in fünf Lagen Winterkleidung zu verbringen. Fernab von jeglichem Luxus, den wir zu Hause für ganz selbstverständlich halten.

Im Gegensatz zu mir fühlt sich Jens von Wasser, Strand und Sonne magisch angezogen. Nicht um sich zwei Wochen auf Sand garen zu lassen, sondern um vom Wasser aus die Welt zu erkunden. Daunenmantel statt Badehose fällt für ihn also in die Kategorie: »Muss das sein?«

Dass ich mich diesmal durchsetzte, liegt an der Tatsache, dass die Arktis für unsere Arbeit ein wichtiger Ausgangspunkt ist, und auch an der Begeisterung unserer Kinder für die Aktivitäten, die sie in Grönland erwarten: mit Schlittenhundegespannen durch arktische Landschaften gleiten, mit Jägern in die zugefrorenen Fjorde am Rande des Inlandeises ziehen, zwischen Eisbergen auf Walsuche gehen und in Eislöchern angeln.

Jens lässt sich (diesmal) von unserer Nordpolarsucht anstecken. Aber er weiß auch, dass er sein Veto hätte einlegen können. Ebenso wie unsere Kinder. Eine unserer wichtigsten Familien-Reiseregeln besagt, dass wir uns einig sein müssen. Einig heißt in diesem Fall allerdings nicht, dass wir uns auf den minimalsten gemeinsamen Nenner verständigen (dann würden wir Südhessen nicht mehr verlassen), sondern dass jeder mal zum Zug kommt mit seinen Vorlieben. Diesmal ist es die Arktis, das nächste Mal eine Alpenüberquerung zu Fuß,...

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