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E-Book

Gedächtnis, Kultur und Politik

VerlagFrank & Timme
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl152 Seiten
ISBN9783865960573
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
In jedem der acht Beiträge der vorliegenden Publikation wird von den Kategorien Zeit, Raum, Symbol und Regel (Salzwedel) in erster Hinsicht die Kategorie Raum thematisiert. Die historische Kommentierung des Berliner Olympiastadions (Endlich) wird ergänzt durch grundsätzliche Fragen zum räumlichen Verhalten, u.a. von Fußballfans (Siggelkow). Der Kategorie Raum zuzuordnen sind Überlegungen zum Unterwasserraum (Schmiedke/Mesinovic), zur Gedenkkultur im öffentlichen Raum (Timmler und Hanslovsky) und zur Warenhausarchitektur (Mesinovic). Die Geschichte der Berliner Mauer (Hildebrandt) demonstriert auf eindrucksvolle Weise die analytische Reichweite der Kategorie Raum.

Die Herausgeberin

Siggelkow, Ingeborg, Dr. phil., Sozialwissenschaftlerin. Lehrbeauftragte an mehreren Hochschulen.

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Kapitelübersicht
  1. Inhaltsverzeichnis
  2. Vom Reichssportfeld zum Olympiapark Ein Baudenkmal aus der NS-Zeit wird kommentiert (Endlich)
  3. Raum als verhaltensauslösende Kraft - Über räumliche und soziale Grenzerfahrungen (Siggelkow)
  4. Der Traum von der Besiedlung der Meere (Schmiedke, Mesinovic)
  5. Hitlers Hut – Das Schillerdenkmal im Norden Berlins (Timmler)
  6. Zwischen Mitte und Kreuzberg Zeitschichten eines Berliner Viertels (Hanslovsky)
  7. Die Freiheit verpflichtet - Das Freiheitsmahnmal am Platz Checkpoint Charlie (Hildebrandt)
  8. Warenhausarchitektur der zwanziger Jahre in Breslau - Das Kaufhaus Petersdorff in Breslau von Mendelsohn im Kontext seines Werkes (Mesinovic)
  9. Kategoriale Soziologie (Salzwedel)
  10. Angaben zu den Autorinnen und Autoren sowie Bildnachweise
Leseprobe
Wolfgang W. Timmler
Hitlers Hut – Das Schillerdenkmal im Norden Berlins (S. 55-56)

Im November 1940, ein Jahr nach dem Überfall der Wehrmacht auf Polen, kam der Film "Friedrich Schiller Der Triumph eines Genies" in die deutschen Kinos. Der Kostümfilm, mit Horst Caspar in der Titelrolle, Heinrich George in der Rolle des Herzogs Karl Eugen von Württemberg und Lil Dagover in der Rolle der Franziska von Hohenheim, schildert die Sturm- und Drangzeit des Dichters, sein Studium an der Karlsschule, sein Aufbegehren, seine Flucht und seinen ersten Bühnenerfolg. Schiller steht als Figur für den Wagemut, den Aufbruch in eine neue Zeit. Dass die neue Zeit den Räubern gehört, erzählt der Film nicht/1/.

Das Schillerdenkmal im Bezirk Wedding: Das Standbild zeigt den Dichter auf hohem Sockel, mit lorbeerbekränztem Haupt und antiker Schriftrolle. Vier weibliche Figuren sitzen ihm zu Füßen, die Lyrik, die Dramatik, die Philosophie, die Kultur- und Geistesgeschichte. Nichts deutet darauf hin, dass das Denkmal eine Konterbande des nationalsozialistischen Regimes ist.

Seit 1941 steht der Bronzenachguss des Schillerdenkmals von Reinhold Begas von 1869 im ersten modernen Volkspark Berlins/2/. Die Wahl des Standorts war kein Zufall. Der Landschaftspark trug von Anfang an den Namen des Dichters, doch viel bedeutsamer war für das Regime, dass er in einem politisch linken Arbeiterbezirk lag. Mit dem Standbild konnten die Nationalsozialisten, die auch die Weimarer Klassik für ihre Ziele benutzten, nun ein, zumindest der äußeren Form nach, unverfängliches Zeichen der Macht setzen/3/. Die Kopie des Schillerdenkmals sollte nicht nur den ideologischen Gegner einschüchtern, sondern auch den Schülern, die auf der großen Parkwiese ihre Turnübungen machten, gehörigen Respekt einflößen. Mit der Figur des Dichters kam Hitlers Hut in den Volkspark. Dass dieses Herrschaftszeichen auf Kannibalismus beruhte, die Kopie des Denkmals verschlang nicht weniger als ein ganzes Kunstwerk, bekräftigte den räuberischen Charakter des Regimes.

Um das Schillerdenkmal besser zur Geltung kommen zu lassen, wurde die mächtige Terrassenanlage des Volksparks baulich verändert. Nichts sollte den Blick ablenken. Der plumpe Ziergiebel mit der Uhr wurde entfernt, die Brunnennische durch Kalksteinmauerwerk geschlossen. Zum Bildschmuck des Schillerparks ge hörte seit den zwanziger Jahren die Bronzeplastik "Ringer" von Wilhelm Haverkamp. Bei der Umgestaltung der festungsartigen Anlage musste die lebhafte Körperstudie von 1906 ihren Platz räumen und wurde in den benachbarten Volkspark Rehberge versetzt, wo sie leider etwas unglücklich am Wegesrand platziert heute noch steht/4/.

Den Mittelpunkt des größten Volksparks im Norden Berlins bildete seit 1930 die große Gedenkstätte von Georg Kolbe für Emil und Walther Rathenau. Nicht nur die politischen Gegner der Weimarer Republik, auch viele Kunstkritiker lehnten sie wegen ihrer technisch-abstrakten Formensprache ab. 1934 ließ das nationalsozialistische Regime die Gedenkstätte für den Gründer der A.E.G. und den Außenminister der Weimarer Republik schleifen. Die Bronzen der Anlage, das Brunnenbekken, der schraubenförmige Aufsatz von den Zeitgenossen als "Steuerschraube" und "Propellermaschine" verspottet sowie die beiden Portraitreliefs, kamen ins Depot des Gartenbauamts Wedding. Aus diesem Material wurde 1941 die Kopie des neubarocken Schillerdenkmals gegossen/5/.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis6
Vom Reichssportfeld zum Olympiapark Ein Baudenkmal aus der NS-Zeit wird kommentiert8
Anmerkungen16
Raum als verhaltensauslösende Kraft Über räumliche und soziale Grenzerfahrungen20
Zum Raumbegriff20
Körpertätowierungen und Graffiti25
Fußballfans und Hooligans29
Bergsteiger und Extremalpinisten31
Zusammenschau34
Rückblick und Ausblick35
Anmerkungen37
Literatur41
Der Traum von der Besiedlung der Meere46
Wegbereiter Jules Vernes47
Die Expedition der „Challenger“48
Cousteaus Traum48
Die erste echte Unterwasserstation49
"Boom" der Unterwasserstationen in den 1960er Jahren49
Die industrielle Ausbeutung50
Vision von General Motors50
Menschen mit künstlichen Kiemen51
Das Ende der Besiedlungseuphorie51
Epilog52
Anmerkungen53
Literatur53
Hitlers Hut – Das Schillerdenkmal im Norden Berlins56
Anmerkungen57
Zwischen Mitte und Kreuzberg Zeitschichten eines Berliner Viertels62
Anmerkungen77
Die Freiheit verpflichtet Das Freiheitsmahnmal am Platz Checkpoint Charlie80
1. Einleitung81
2. Verlust der realen geschichts- und denkmalspflegerischen Verantwortung in der Freude über den Fall der Mauer. Umgang mit den Mauerresten in Berlin90
3. Bürgerliches Engagement ist ein Baustein der Demokratie. Entstehung und Entwicklung des Mauermuseums – Museum Haus am Checkpoint Charlie104
4. Rettet historischen Boden am Checkpoint Charlie110
5. Freiheitsmahnmal „Sie wollten nur die Freiheit“ am Platz Checkpoint Charlie116
6. Nationale Denkmäler und Mahnmale in der Welt. Was können wir lernen?119
7. Dokumente, Literatur122
Warenhausarchitektur der zwanziger Jahre in Breslau Das Kaufhaus Petersdorff in Breslau von Mendelsohn im Kontext seines Werkes126
Einleitung126
Entwicklung126
Das Kaufhaus Petersdorff in Breslau132
Zusammenfassung: die Kaufhausbauten Mendelsohns135
Anmerkungen135
Literaturverzeichnis136
Kategoriale Soziologie140
Zusammenfassung146
Anmerkungen146
Literatur147
Angaben zu den Autorinnen und Autoren150
Bildnachweise152

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