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E-Book

Gedichte für Hitler

Zeugnisse von Wahn und Verblendung im 'Dritten Reich'

AutorVolker Koop
VerlagBeBra Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783839301159
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Ein verdrängtes Kapitel der deutschen Geschichte: Tausende Deutsche brachten ihre Begeisterung für Adolf Hitler in Versform und sandten ihre Gedichte an die NSDAP, an die Reichskanzlei oder an das Propagandaministerium in Berlin. Volker Koop hat diese bislang unbeachteten Quellen wiederentdeckt und ordnet sie - und die oftmals erhaltenen Begleitschreiben - in den zeithistorischen Kontext ein. Zahlreiche Originaltexte geben Zeugnis von dem psychologischen Ausnahmezustand des Volkes der 'Dichter und Denker', das in der Zeit des Nationalsozialismus diesen Anspruch verwirkt hatte.

Volker Koop, geboren 1945 in Oberbayern, arbeitet seit 1994 als freier Buchautor und Publizist. Im Jahr 2003 erhielt er gemeinsam mit Marcel Reich-Ranicki in Rom den italienischen Kulturpreis 'Capo Circeo'. Zuletzt von ihm erschienen: 'Himmlers letztes Aufgebot. Die NS-Organisation Werwolf', 'Hitlers fünfte Kolonne. Die Auslands-Organisation der NSDAP', 'Hitlers Muslime. Geschichte einer unheiligen Allianz' sowie 'Himmlers Germanenwahn'. Seine Bücher sind u. a. auch ins Japanische und Tschechische übersetzt worden.

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Leseprobe

Gedichte aus den 1920er-Jahren


Sehnsucht nach Frieden, Arbeit und Brot


Gedichte waren noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein durchaus übliches Mittel, um politische Ansichten zu formulieren, Kritik an bestehenden Zuständen zu äußern, Forderungen zu erheben, die Herrschenden zu loben oder zu verspotten und Sehnsüchten Ausdruck zu verleihen. So verwundert es nicht, dass auch die politischen und sozialen Umwälzungen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ihren Niederschlag in der Poesie fanden: Der verlorene Krieg, die Abdankung des Kaisers, die als demütigend empfundenen Bestimmungen des Versailler Vertrages, die Hyperinflation und die chaotischen Verhältnisse der ersten deutschen Demokratie, der »Weimarer Republik«, hinterließen im Seelenleben der Deutschen tiefe und lang anhaltende Spuren.

Zu Beginn der 1920er-Jahre erwarteten die meisten Deutschen allerdings noch nicht die Ankunft eines neuen Messias, als der Adolf Hitler ein Jahrzehnt später vielen gelten sollte, sondern ihr Sehnen ging zunächst dahin, nach den Entbehrungen der Nachkriegszeit endlich wieder ein ganz »normales« Leben führen zu können. Loblieder und Hymnen auf den »Führer« entstanden daher in dieser frühen Zeit der nationalsozialistischen »Bewegung« noch nicht.

Nach seinem Putschversuch vom 9. November 1923 und seiner kurzzeitigen Inhaftierung in der Festung Landsberg war Hitlers Bekanntheitsgrad deutschlandweit zwar stark gestiegen; im Jahr 1925 waren es aber dennoch erst ungefähr 300 Briefe, die sein damaliger Privatsekretär Rudolf Heß zu lesen und zu beantworten hatte – darunter keine Gedichte oder andere Formen von »Fanpost«, wie sie später in viel größeren Dimensionen typisch wurde.1 Wenn im Umfeld der Nationalsozialisten Gedichte entstanden, dann beschäftigten diese sich bis Mitte der 1920er-Jahre stärker mit politischen Konzepten als mit der Person Hitlers.

Als Beispiel mag hier das im Winter 1923/24 geschriebene Poem »Der Dienstherr der Arbeit und der Aufbau« dienen.2 Die Verfasserin, Mathilde Ade aus Dachau bei München, greift in ihrem gereimten Wiederaufbaukonzept das Bibelwort »Schwerter zu Pflugscharen« auf – das 60 Jahre später unter ganz anderen Vorzeichen als Forderung der Friedensbewegung populär wurde. »Willen, Tat und Ekstase« des deutschen Volkes verwirklichten sich zunächst jedoch auf keineswegs friedfertige Weise.

O deutsches Volk, besiegt, geknechtet,

beraubt, verleumdet und geächtet,

wach hurtig auf – der Tag bricht an,

wo Deine Kraft sich zeigen kann

wo über der Verzweiflung Nacht

Du jubelnd rufst: Nun ist’ vollbracht!

Nicht zur Vernichtung will ich mahnen

Der Arbeit dienen Deine Fahnen!

Nur Hammer, Säge, Beil allein

Soll Deine stolze Waffe sein!

Ruft auf zum Dienst fürs Vaterland

Die Mannen wie vorm Weltenbrand!

Wer arbeitsfähig ist, der weihe

Ein Jahr, ein halbes oder zweie

Wie ehedem dem Exerzieren

So heut dem Wohnungs-Not–Kurieren!

Auch Boden-Meliorationen,

die würden sich ganz sicher lohnen.

Man lege trocken Moor und Sümpfe

Man rode Flechten, Unkraut, Stümpfe,

man baue Dämme, Deiche, Wälle,

Zeigt flutbedroht sich eine Stelle

Dann kann der Bauer ruhig säen,

kann Früchte ernten, Garben mähen!

Wenn ihr ihm helft Gefahren wehren,

bewirkt ihr auch Ertrag vermehren.

Viel reicher wird an Korn und Wein

Der deutschen Erde Segen sein!

Der Staat hat Wälder, Gründe, Schachten

Kann Ödland pflügen, roden, pachten,

kann Eisen fördern, Bäume schlagen

und Ziegel brennen, Steine tragen,

leiht ihm die Jungmannschaft im Land

zu diesem Werk die kräftige Hand!

Sieht sich ein Heer nicht lustig an,

das bauen, statt Häuser vernichten kann?

Kein Todespfeil wird euch umschwirren,

müsst auch nicht Arm und Bein verlieren!

Singt lustige Lieder im Akkord,

dann fließt die Arbeit munter fort.

Hat einer überflüssige Gründe,

dann meld er dies dem Staat geschwinde,

noch eh’ es zur Enteignung geht,

weil einer hier für alle steht

und alle wiederum für einen,

gilt es ein Volk zur Tat vereinen.

Lasst Straßen ziehn, Kanäle bauen,

Plantagen wässern, Steine hauen.

Wenn Material und Fleiß sich binden,

wird Glück auch und Erfolg sich finden.

Erobert Neuland mit dem Spaten,

statt mit Gewehr und Kanonaden.

Füllt die Kasernen, greift zum Haken,

holt aus dem Schrein feldgraue Jacken

sie passen gut zum Arbeitsheer,

zum Freiheits-Maurer-Legionär.

Zum Helfer auch in schweren Tagen,

wenn’s gilt, die Bürde mitzutragen,

die hart und schwer den Landmann drückt,

sei’s dass er ackert, erntet, pflügt.

(…)

Baut Siedlerhäuschen und Mietskasernen

Baracken, Schulen, Gehöfte, Tavernen

Für Sonderzweck und auch Menage3 kommunal,

für Leute, denen Alleinsein zur Qual.

Baut Ledigenheime – ich find es sehr niedlich,

wenn ›Brüder und Schwestern‹ dort hausen recht friedlich.

Baut, Kirchen, Geschäfte, Fabriken und Essen

Auch Tempel der Musen sollt ihr nicht vergessen.

Baut Flugzeughallen und Brücken, die tragen,

Elektrische Werke und Wasseranlagen!

Während viele Deutsche noch vom friedlichen Wiederaufbau träumten, griff die NSDAP bereits zu den Waffen: Hitlers Privatarmee im November 1923.

Legt Wege an, die Eure Bauten verbinden,

Gebiete erschließen, Naturreize künden,

Auch Bahnen, die schwebend die Gipfel erklimmen

Und schaffend ins Mark unserer Erde dringen.

Der Wiederaufbau, er sei keine Phrase!

Er werde zum Willen, zur Tat, zur Ekstase!

Nur dann wird erlösend aus Deutschlands Trümmern,

das Morgenrot goldener Freiheit schimmern.

In ähnlicher Weise liest sich ein »erster gereimter Entwurf zum Gedanken der Arbeitsdienstpflicht, verfasst im Winter 1923/24«, den dieselbe Verfasserin als »Rezept zum Wiederaufbau Deutschlands« empfahl:4

Hört Ihr die Glocken vom Weltgericht?

Sankt Michael, der Schutzpatron Deutschlands spricht:

»Ihr Leute seid alle mit Blindheit geschlagen!

Statt Steine und Balken zu ordnen und tragen,

zu tilgen den großen Zusammenbruch,

stattdessen hört man nur Schimpf und Fluch!

Ihr spaltet Euch gleich in hundert Parteien,

die alle nicht wissen, wo aus und ein.

Der Krieg, den Ihr habt vorher draußen geführt,

der Hetzteufel jetzt im eignen Land schürt!

Vergesst nicht, dass Fried Eure Wohlfahrt vermehrt

Und Unfried das Mark euch im Knochen verzehrt.

Kein Vorteil erwächst euch aus solchen Getriebe,

denn Hiebe erzeugen doch wieder nur Hiebe.

Statt edleres Streben mit Ketten zu binden,

mit Streiks oder Unruh den Brotherrn zu...

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