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Gemeinschaftliche Erziehung: Die Reggio-Pädagogik

AutorMia Forster
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl25 Seiten
ISBN9783956849619
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Obwohl die Reggio-Pädagogik zwar mittlerweile an Bekanntheit dazu gewonnen hat, ist diese interessante Pädagogikform immer noch in den grundlegenden Inhalten recht unbekannt. Das liegt u.a. an dem fehlenden festgeschriebenen Konzept, da die Reggio-Pädagogik eine gelebte Erziehungsphilosophie, beruhend auf den Grundannahmen der Reggianer, ist. Bei der Auseinandersetzung mit dem Thema werden die Leser wahrscheinlich schnell die teilweise in unserer Gesellschaft als fremdartig empfundenen Detailbeschreibungen dieser Pädagogik bemerken. Da einige Aspekte in unserer Gesellschaft bisher nur in Ansätzen zur Anwendung kommen, können trotz der Feststellung der Anders- und Fremdartigkeit gleichermaßen auch schlüssige und nachvollziehbare, sowie vertraute Faktoren und Prozesse innerhalb der Reggio-Pädagogik erkannt werden. Um die Entwicklung bis zur heutigen Form zu verstehen, muss zunächst die Wichtigkeit der Vernetzung von Geschichte, Wirtschaft und Gesellschaft, worauf die Reggianer ein Erziehungssystem aufgebaut haben, betrachtet werden. Die eben genannten Bereiche haben sich von Anfang an stetig wechselseitig beeinflusst und tun es bis in die heutige Zeit noch. Diese wechselseitige Beeinflussung, sowie die draus resultierenden Folgen werden in Ansätzen im Text dargestellt. Es sind u.a. das Gesellschaftsbild, das Bild der einzelnen Mitglieder und einige weitere Grundannahmen, welche sich mit der Zeit entwickelt haben. In einigen ausgewählten Bereichen sind tiefergehende Ausführungen vorhanden, da sie eine besondere Relevanz für die Verdeutlichung des Themas haben.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 2, Fakten zur Reggio-Pädagogik- Geschichte und Entwicklung bis heute: 2.1, Einige Daten zur Region: Die Reggio-Pädagogik hat ihren Namen von der Stadt, in der sie entwickelt wurde. Die Stadt Reggio-Emilia liegt in Italien und gehört zur Region Emilia-Romagna. Diese Region wird aus politischer Sicht auch 'rote Region' genannt. Es leben 146.000 Einwohner in ihr und sie zählt zu den reichsten Kommunen Italiens. Schon im Mittelalter war sie eine der ersten freien Kommunen. Durch den starken Zusammenhalt und durch das Engagement der Bürger, sowie durch gut funktionierende landwirtschaftliche Betriebe und die florierende Kleinindustrie hat es die Kommune zu wirtschaftlichem Wohlstand gebracht. Der größte Arbeitgeber in dieser Region ist die Reggiane. Die Region liegt an vierter Stelle des Pro-Kopf-Einkommen von ganz Italien. In Reggio verfügen 99% der reggianischen Kinder über einen Kindergartenplatz und für 40% stehen Krippenplätze zur Verfügung. 2.2, Entstehungs- und Entwicklungsbedingungen der Reggio-Pädagogik: 1797 schlossen sich Ferrara, Bologna und Reggio zur Republica Cispadana zusammen. Die dadurch entstandene Nationalflagge (grün-weiß-rot) hängt bis heute im reggianischen Rathaus. Die Region um Reggio wurde lange durch eine kommunistische und sozialistische Regierung geprägt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts schlossen sich die Bauern zusammen, um gegen die schlechten und elenden Lebensbedingungen vorzugehen. Im beginnenden 20. Jahrhundert kamen die Sozialisten an die Macht. Der erste kommunale Kindergarten wurde 1912 gegründet. Man setzte sich mit dieser Gründung das Ziel, die Eltern bei der Kinderbetreuung zu unterstützen. Die Kinderbetreuung war zu dieser Zeit kostenlos, was aber in der heutigen Zeit nicht mehr möglich ist. In den 20iger Jahren musste dieser Kindergarten geschlossen werden, weil die Faschisten die Macht übernommen hatten und der demokratische Ansatz in der Kinderbetreuung verboten wurde. In der Region entwickelten sich ab circa 1943 starke Widerstandsbewegungen. Die deutsche, faschistische Besatzung wurde von den Partisanen bekämpft, welche von weiten Teilen der Bevölkerung unterstützt wurden. Somit schlossen sich auch viele Unternehmen der Resistenza an, einer französischen Widerstandsbewegung. Als später die Westalliierten in die Stadt kamen, hatte sich diese mit Hilfe der Resistenza selbst befeit. Der Tag der Befreiung war der 26. April 1945. In der Bevölkerung wurden das Selbstbewusstsein und das Gemeinschaftsgefühl gestärkt und es erwachte das Bedürfnis, die gesellschaftlichen Verhältnisse zu demokratisieren. Darum entwickelten die Bürger ein neues Konzept für die Kindererziehung, um den bis 1945 in dieser Region herrschenden, faschistischen Schulwesen etwas entgegenzusetzen. Das Schulwesen wurde bis dahin auch stark durch die Kirche beeinflusst. Das neu entwickelte Konzept beinhaltete soziale und demokratische Erziehungsformen. Die Bürger wollten damit ein demokratisches Verständnis als Grundlage für die Kinder schaffen, das später die Investition für die Zukunft sein sollte. Gleich nach Kriegsende wurde ein Kindergarten dafür errichtet. Ein wichtiger Grund dafür war die Unterversorgung vieler Kinder der Wanderarbeiterinnen. Deshalb war es notwendig eine rund-um-die-Uhr-Betreuung für die Kinder sicherzustellen. Die gesamte Bevölkerung beteiligte sich aktiv am Aufbau der Einrichtung. Es ist erstaunlich, wie groß der Zusammenhalt der Gesellschaft und das Engagement der Bevölkerung zu dieser Zeit war, da viele Familien in Trümmern lebten und ein massiver Nahrungsmangel herrschte. Das Land war vor dem 2. Weltkrieg von der Flugzeug- und Waffenindustrie geprägt, wie z.B. die Reggiane. Dieser wichtige Industriezweig wurde ein Angriffsziel der Alliierten, was viele Arbeitsplätze der Frauen vernichtete und sie als Wanderarbeiterinnen ihr Geld verdienen mussten, damit sie ihre Familien ernähren konnten. Die Kinder wurden in dieser Zeit in nicht-kirchlichen Einrichtungen betreut. Von 1958 - 1963 fand in Italien das Wirtschaftswunder statt. Dadurch verbesserte sich der allgemeine Lebensstandard und bei den Frauen erwachte der Wunsch nach Erwerbstätigkeit und somit die Forderung nach einem neuem Erziehungswesen. Eine weitere Folge des Wirtschaftsbooms war eine riesige Bevölkerungswanderung vom Land in die Stadt. Hierbei wurde zunehmend deutlich, dass beim Wohnungsbau, der Kinderversorgung und im öffentlichen Verkehrswesen wieder etwas unternommen werden musste. 1968 wurde das Gesetz Nr. 444 verabschiedet, welches die Einrichtung von staatlichen Kindertagesstätten beinhaltete. In diesem Gesetz wurde der Artikel 25 niedergeschrieben. Dieser sicherte den bis dahin schon bestehenden kommunalen Einrichtungen Subventionen zu. Durch die Verabschiedung des Gesetzes war es nun leichter private Kindertagesstätten zu kommunalisieren und neue Einrichtungen zu gründen. Die erste kommunale Krippe, welche 1971 öffnete, wurde nach der bekanntesten reggianischen Partisanenfamilie Cervis benannt. Deren 6 Söhne kamen durch die deutschen Faschisten ums Leben. Im Jahre 1972 wurden in Reggio zwei kirchlichen Kindertagesstätten kommunalisiert. Über 6 Tage lief 1976 in einem nationalen Radiosender eine Propagandaschlacht, ausgehend von der katholischen Kirche gegen die kommunalen Kindertagesstätten, besonders aber gegen die reggianischen Einrichtungen. Diese Propagandaschlacht war auch der Auslöser für viele Diskussionen zwischen Leitungsräten der SCI und den Kirchenvertretern bezüglich des Themas 'religiöse Aspekte der Erziehung'. Das hatte für die Kirche zur Folge, dass die kommunalen Einrichtungen anerkannt wurden. Trotzdem hat die katholische Kirche im Kindergartenbereich eine starke Machtposition. Dies wird deutlich, wenn man sich eine Untersuchung von 1985 anschaut. Aus dieser Untersuchung geht hervor, dass 30,2% der Kinder kirchliche Kindertagesstätten und 46,5% der Kinder kommunale SCI Einrichtungen besuchen. 1967 fand ein nationaler Kongress in Bologna statt, wo über die Kleinkind-Pädagogik und über die Folgen der Gesetzesverabschiedung Nr. 444 debattiert wurde.
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