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Geschichte des Saarlandes

AutorGabriele Clemens, Wolfgang Behringer
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2011
ReiheBeck'sche Reihe 2612
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783406625206
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Seit dem Beitritt der Bundesrepublik am 1.1.1957 ist das Saarland das jüngste der «alten» Bundesländer. Das Land an der mittleren Saar gehört seit der Eisenzeit zu den dicht besiedelsten Gebieten Europas: hier wurde Eisen, Kohle und Edelsteine abgebaut und verarbeitet, Holzkohle, Glas und Keramik hergestellt. Im 19. und 20.Jahrhundert war es ein Zentrum der Schwerindustrie. Aufgrund seiner Grenzlage und der hervorragenden gewerblichen Entwicklung wurde es immer wieder Ziel französischer Annexionspolitik und Aufmarschgebiet für deutsche Angriffe auf das Nachbarland. Seit der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts gilt das Saarland als Musterbeispiel der guten Beziehungen zwischen Deutschland, Frankreich und Luxemburg.

Wolfgang Behringer ist Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität des Saarlandes. Von ihm sind bei C.H.Beck lieferbar: «Hexen. Glaube, Verfolgung, Vermarktung», bsr 2082, und «Kulturgeschichte des Klimas. Von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung». Gabriele Clemens ist Professorin für Neuere Geschichte und Landesgeschichte an der Universität des Saarlandes. Von ihr ist bei C.H.Beck lieferbar: «Geschichte der Stadt Trier».

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Leseprobe

1. Ursprünge


Vor- und Frühgeschichte


Das Saartal wurde bereits während der Altsteinzeit (Paläolithikum) von Großwildjägern durchstreift, wie Funde von Faustkeilen und Lagerplätzen zeigen. Die Ankunft des Homo Sapiens Sapiens beweisen Feuersteinmesser sowie Lanzen- und Pfeilspitzen aus der jüngeren Altsteinzeit. Aus der Zeit des letzten Eiszeitmaximums gibt es keine Besiedlungsspuren. Doch mit dem Ende der großen Eiszeit kehrten die Jäger zurück. Mit der globalen Erwärmung des Holozäns vor etwa 10.000 Jahren veränderten sich Flora und Fauna und die Lebensweise der Menschen. Die Ausbreitung der Wälder vertrieb die eiszeitliche Megafauna. Die neu eingewanderten Jagdtiere blieben ortsfest und ermöglichten in der mittleren Steinzeit (Mesolithikum) menschliche Ansiedlungen. Die Steingeräte wurden anspruchsvoller und mit der Verbreitung der Landwirtschaft in der Jungsteinzeit (Neolithikum) auch häufiger. Mit Ackerbau und Viehzucht bildeten sich Formen ganzjähriger Sesshaftigkeit aus, und die Bevölkerungszahl stieg.

Von der Neolithischen Revolution künden die Funde von Mahlsteinen für Getreide bei Neunkirchen, Merzig und anderen saarländischen Orten. Die Steingeräte sind geschliffen und poliert, die Beilklingen zur Aufnahme des Holzstieles säuberlich durchbohrt. Die in stattlicher Zahl in saarländischen Sammlungen vorhandenen Steinbeile lassen auf dichte Besiedlung schließen. Bei Überherrn wurde ein großer durchbohrter Pflugkeil zur Bodenbearbeitung gefunden. Schwer datierbar sind die aufgerichteten Riesensteine, Menhire, wie der sieben Meter hohe Gollenstein oberhalb von Blieskastel, der größte Menhir Mitteleuropas, oder der fünf Meter hohe Spellenstein bei Rentrisch. Ihre Tradition könnte in die Jungsteinzeit zurückreichen, doch wurden solche Steinsetzungen bis in die Bronzezeit vorgenommen.

Depotfunde mit Bronzeäxten, Beilen, Schwertern, Trensen und Schmuck, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts bei Straßenbauarbeiten an der mittleren Saar entdeckt wurden, zeigen die entwickelte Kultur der Metallbearbeitung im 2. Jahrtausend v. Chr. Bei St. Barbara/Wallerfangen stieß man auf eine Kupfermine, die bei der Herstellung von Bronze eine Rolle gespielt hat. Spätbronzezeitliche Schatzfunde wie der von Erfweiler-Ehlingen (Gemeinde Mandelbachtal) im Jahr 2007 beweisen, dass man auch an Blies und Saar in ein kriegerisches Zeitalter eingetreten war. Grabhügel signalisieren die Bestattung sozial herausgehobener Verstorbener («Fürsten»). Die Verteilung der Grabfunde zeigt Siedlungsschwerpunkte im Schwemmland von Saar und Blies an, die sich für den Ackerbau am besten eigneten. Von den damaligen Bewohnern kennen wir weder Namen noch Sprache.

Die keltische Saar


Bereits zu Beginn der Eisenzeit entdeckten Prospektoren die Eisenvorkommen im Saartal. Gegenüber der Bronzezeit nimmt seit dem 9. Jh. v. Chr. die Zahl der Fundstücke und der Bestattungen rapide zu. Die Grabhügel der Hallstattkultur liegen meist auf Höhenzügen, auch die Siedlungen wurden aus den überschwemmungsgefährdeten Talgründen verlegt. Bewaldete Mittelgebirge wie Hunsrück und Hochwald wurden nun erstmals besiedelt. Mit der Hunsrück-Eifel-Kultur (6.–3. Jh. v. Chr.), die sich durch Grabhügelfelder mit Körperbestattung und Beigaben auszeichnet, tritt erstmals eine regionale Kulturgruppe hervor.

In der jüngeren Eisenzeit (La-Tène-Zeit) weisen Gräberfelder und aufwändige Fürstengräber auf wachsenden Wohlstand und weit gespannte Handelsbeziehungen hin. Der Grabhügel der «Keltenfürstin» von Reinheim enthielt goldene Armreifen und Fingerringe, eine goldene Brustplatte, Perlen aus baltischem Bernstein sowie das mediterrane Schmuckmotiv der Sphinx. Eine große Bronzeschnabelkanne belegt Importe aus Italien. Beeindruckende Befestigungsanlagen wie der über zwei Kilometer lange, zehn Meter hohe und 40 Meter breite Ringwall von Otzenhausen im nördlichen Saarland sowie Anlagen bei Nonnweiler-Kastel, Rehlingen-Siersburg-Königsberg, Saarbrücken-Sonnenberg, Schmelz-Limbach-Birg, Wallerfangen-Limberg gehören wie die Fürstengräber in die Zeit der keltischen Oppida. Kleinere Ringwälle gibt es überall im Saarland.

Bauten und Grabfunde lassen sich jetzt erstmals konkreten Völkern zuordnen. Das von ca. 400 v. Chr. bis 50 v. Chr. genutzte Oppidum von Otzenhausen liegt auf dem Gebiet der keltischen Treverer mit Zentrum an der Mosel. Berühmt waren sie für ihre Reiter und Kampfwägen, die auch auf ihren Münzen erscheinen (Goldstater von Saarbrücken). Im Süden grenzte ihr Gebiet an das der keltischen Mediomatriker, die für ihre Eisen- und Salzgewinnung bekannt waren. Ihr Schwerpunkt muss in der Gegend von Metz gelegen haben, das Siedlungsgebiet umfasste die Oberläufe von Saar, Maas, Mosel und Seille, das mittlere Saartal und das Bliestal. Der Grenzsaum zwischen den beiden Völkern lief durch das waldreiche nördliche Saarland. Wie lange die Kelten schon in der Region siedelten, bleibt unklar, doch war der Übergang von der Hunsrück-Eifel-Kultur in die Zeit der Treverer bruchlos. Die Kelten prägten die Kultur der Region bis in die Römerzeit. Dies zeigen die römische Geschichtsschreibung (Cäsar, Strabo, Tacitus etc.) und die anhaltende Verehrung der Fruchtbarkeitsgöttinnen Epona und Rosmerta. Wie überall in Mitteleuropa sind Gewässer- und Gebirgsnamen indogermanischen bzw. keltischen Ursprungs. Dazu gehören Blies, Nied (von idg. «fließen») und Saar (von idg. «strömen»).

Römer und ihre Saarbrücken


Seit der Eroberung Galliens durch den römischen Prokonsul Gaius Iulius Cäsar (100–44 v. Chr.) wissen wir, mit welchen Orten und Akteuren wir es zu tun haben, denn in seiner Schrift Über den Gallischen Krieg werden die Namen genannt. Der Aufstand des Keltenhäuptlings Vercingetorix im Jahr 52 v. Chr. wurde von den Mediomatrikern unterstützt, die ihr Zentrum bei der Stadt Divodurum (Metz) hatten. Erschlossen wurden die eroberten Gebiete in den Jahren 16–13 v. Chr. unter Kaiser Augustus (63 v. Chr.–14 n. Chr.). Im Norden der Provinz Gallia wurde die Provinz Belgica mit Hauptort Durocortorum (Reims) eingerichtet. Darin lag die kaiserliche Gründung Augusta Treverorum, die Augustus-Stadt der Treverer (Trier), wo im Jahr 17 v. Chr. eine Holzbrücke über die Mosel geschlagen wurde. Nach dem Aufstand der Treverer im Jahr 71 wurde sie durch eine Steinbrücke ersetzt. Seit der Teilung der Provinz Belgica wurde Trier unter Kaiser Diokletian (ca. 245–313) Hauptort der Provinz Belgica Prima, zwischen 286 und 395 war es kaiserliche Residenz und eine Hauptstadt des Römischen Imperiums.

Die Nähe der Hauptstadt, die Schönheit und die Ressourcen der Landschaft haben zu einer intensiven Durchdringung des Landes geführt, nicht zuletzt aufgrund der Infrastruktur, mit der die Römer das Land überzogen. Die Saar war schiffbar, wie Ausonius (ca. 310–395) in seinem Gedicht Mosella (Vers 367) erwähnt, und diente zum Warentransport nach Trier. Aus den Wäldern ließ sich Bauholz gewinnen, in Minen wurde Eisen und Kupfer abgebaut. Bei Wallerfangen bestand ein Kupferbergwerk, das laut Inschrift einem Emilianus gehörte. Ziegel aus der Fabrik des Quintus Valerius Sabellus wurden das Saartal hinauf befördert. Die Werkstatt des Töpfers Satto in Blickweiler lieferte im 2. Jahrhundert Keramik bis nach Britannien und an die obere Donau. Auf dem Bergheiligtum Herapel über dem Zusammenfluss von Rossel und Saar weihten Kaufleute im Jahr 21 eine Inschrift Kaiser Tiberius (reg. 14–37). Für die Römerstraßen von Metz nach Trier und nach Obergermanien, nach Borbetomagus (Worms) und Argentoratum (Straßburg) wurden in der Gegend der heutigen Städte Konz, Saarbrücken und Sarrebourg Brücken über die Saar errichtet.

In der Nähe von Trier entstanden luxuriöse Anlagen wie die Villa von Perl-Nennig mit dem größten noch in situ erhaltenen Bodenmosaik nördlich der Alpen (Museum Römische Villa und Mosaik Nennig) oder dem prachtvollen Gutshof von Borg (Freilichtmuseum Römische Villa Borg). Quer durch das Saartal finden sich Kleinstädte (vici) und Gutshöfe (villae), außerdem Heiligtümer und Bestattungsareale, Verkehrsstationen (mansiones) und in der unruhigen Spätantike Kastelle für militärische Garnisonen. An der Straße von Metz nach Worms entstand etwa Mitte des 1. Jahrhunderts unterhalb des Halbergs (heute Sitz des Saarländischen Rundfunks) auf dem Gebiet des heutigen Saarbrücken eine Siedlung. Dort kreuzte die Straße, die von Trier über Pachten und Bliesbrück weiter über Pons Saravi (Sarrebourg) und Tabernium (Zabern) nach Argentoratum (Straßburg) führte. Als Folge des Brückenbaus (Saarbrücker Straße «An...

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