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Geschlecht als soziales Konstrukt der Gesellschaft: Ist die Zweigeschlechtlichkeit unserer Gesellschaft nur eine Illusion?

AutorLena Groß
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl37 Seiten
ISBN9783956848407
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Ist die Zweigeschlechtlichkeit in unserer westlichen Gesellschaft nur eine Illusion? Oder gibt es wirklich zwei und nur zwei Geschlechter und von wem wurde dies überhaupt festgeschrieben? Alle Individuen westlicher Kulturen werden von Geburt an aufgrund ihrer primären Geschlechtsmerkmale in zwei Geschlechter unterschieden und gehören resultierend ihr Leben lang entweder der Kategorie der Frau oder der Kategorie des Mannes an. Diese selbstverständliche binäre Differenzierung der Geschlecher wird aber in dieser Arbeit in Frage gestellt. Stattdessen wird anhand zweier Phänomene, die die Grundüberzeugung der europäischen Gesellschaft herausfordern, nämlich der Inter- und Transsexualität, aufgezeigt, dass die Geschlechtszugehörigkeit, die dichotome Differenzierung dessen sowie das Geschlecht als solches von den Gesellschaftsmitgliedern selbst konstruiert werden. Ein Geschlecht hat man, indem man es entsprechend praktiziert.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 2.2, Konstruktivistische Sichtweise: Die selbstverständliche Hypothese, die tief in den Köpfen der westlichen Gesellschaftsmitglieder verankert ist, kontrahiert mit den konstruktivistischen Theorieansätzen über das Geschlecht als soziales Konstrukt. Die Theorie der Geschlechterkonstruktion beinhaltet nämlich, dass diese Konstitution der Zweigeschlechtlichkeit selbst zum Gegenstand der Forschung gemacht wird (vgl. Meuser 2008: 633). An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass die Unterscheidung von sex und gender, wie sie eingangs dieser Arbeit beschrieben wurde, in der aktuellen Geschlechtersoziologie nur noch rar verwendet wird (vgl. Küppers 2012). Dies liegt darin begründet, dass sich die Unterscheidung von sex und gender als zu undifferenziert und damit als Nachteil entpuppte, weil die Geschlechterunterschiede nach wie vor auf den biologischen Unterschied reduziert wurden. Dabei wurde außer Acht gelassen, dass die Biologie, wie im Verlauf dieser Arbeit aufgeklärt werden soll, selbst uneindeutiger und komplexer ist, als 'in der Lesart des Alltagsverständnisses' (Küppers 2012) und selbst die Biologie eine gesellschaftliche Unternehmung ist. Konstruktivistische Theorien betrachten also nicht mehr nur die sozialen Folgen, die das biologische Geschlecht mit sich bringt, als soziales Konstrukt, sondern die Geschlechterdifferenzierung selbst. Aus dem besagten Grund wird, anders als in den Ansätzen der zuvor erwähnten Frauen- und Geschlechterforschung, auch das biologische Geschlecht der Menschen historisiert und als Effekt sozialer Praxis und nicht als Grundlage dessen verstanden (vgl. Hirschauer 1989: 101). Die soziale Wirklichkeit zweier Geschlechter wird diesem Konzept zufolge in unserer Gesellschaft als Ergebnis historischer Entwicklungsprozesse und 'einer fortlaufenden sozialen Praxis, die immer neu auch zur Reproduktion der Alltagstheorie der Zweigeschlechtlichkeit beiträgt' (Wetterer 2010: 126) begriffen. Obwohl sich konstruktivistische Ansätze teilweise enorm unterscheiden, teilen sie diesen gemeinsamen erkenntnistheoretisch begründeten Ausgangspunkt, indem sie 'die Unterscheidung von Natur und Kultur rsp. von [s]ex und [g]ender nicht ihrerseits fortschreiben, sondern als Bestandteil einer reflexiven sozialen Praxis begreifen, die beides zugleich hervorbringt' (Wetterer 2010: 126). In Theorien der sozialen Konstruktion des Geschlechts existieren 'keine außerkulturelle Basis sozialen Handelns, keine vorsoziale Grundlage oder Anschlussstelle sozialer Differenzierungs- und Klassifikationsprozesse [und] keine der Geschichte vorgelagerte 'Natur des Menschen (mehr)'' (Wetterer 2010: 126), die die Gegenwart vorformen. Natur und Kultur werden wie sex und gender als gleichursprünglich verstanden und bedingen sich wechselseitig (vgl. Gildemeister/ Wetterer 1992: 210). Dies liegt nach Douglas darin begründet, dass eine natürliche und von der Soziologie unabhängige Betrachtung und Wahrnehmung des menschlichen Körpers gar nicht existieren kann (vgl. Douglas 1974: 106). So kommt man in Theorien der Geschlechterkonstruktion zu dem Schluss, dass es 'keine notwendige, naturhaft vorgeschriebene Zweigeschlechtlichkeit gibt, sondern nur verschiedene kulturelle Konstruktionen von Geschlecht' (Hagemann-White 1988: zit. n. Wetterer 2010: 126). Um die Sichtweise verständlicher zu machen, dass der Körper eines Individuums als ein Effekt sozialer Prozesse und nicht als Basis dessen erfasst wird, werden nun diesbezüglich die aussagekräftigsten Argumente von Hirschauer komprimiert angeführt (vgl. Hirschauer 1989: 101-103). Zunächst einmal stellt sich in der konstruktivistischen Kulturanthropologie die Frage, die sonst überall vorausgesetzt wird; die Frage nach dem, was Männer und Frauen eigentlich sind. Dabei kommt Pomata zu der Erkenntnis, dass 'Frau' kein natürliches Symbol ist, 'es hat keine wesentliche und universale Bedeutung' (Pomata 1983: zit. n. Hirschauer 1989: 101). Weiterhin führt Hirschauer Cucchiaris' Feststellung an, dass Genitalien nicht aufgrund ihrer Gestalt Geschlechtszeichen sind, sondern ihre Unterscheidung führt nur wegen einer entsprechenden geburtlichen Zuschreibungspraxis und einer 'präkonstruierten Zeichenhaftigkeit der Genitalien' (Hirschauer 1989: 101) zur Klassifikation von Personen und nicht automatisch dazu (vgl. Cucchiaris 1981: zit. n. Hirschauer 1989: 101). Hirschauer betont an dieser Stelle: Die Vorstellung einer Initialunterscheidung trägt nur unter dieser Voraussetzung und nur für die Geschlechtskennzeichnung eines Individuums. Die kulturelle Wirklichkeit zweier Geschlechter kann nicht aus einem Unterschied der Genitalien 'folgen', da sie Geschlechtszeichen nur im bereits bestehenden Kontext dieser Wirklichkeit sind (Hirschauer 1989: 101). Zudem führt Hirschauer an, dass die Biologie vorsätzlich nach Eigenschaften und Unterschieden zweier Geschlechter sucht, da sie zweifelsfrei an die oben aufgeführte kulturell etablierte Alltagstheorie der Zweigeschlechtlichkeit anknüpft. Dabei nutzt die Biologie ganz einfach Alltagsmethoden der Geschlechtszuschreibung, weil sich somit ihr Untersuchungsgegenstand identifizieren lässt, 'denn zur Feststellung von 'Geschlechtsunterschieden' und (biologischen) 'Geschlechtsmerkmalen' müssen immer bereits 'Geschlechter' unterschieden sein' (Hirschauer 1989: 102). Die Beschreibung des Geschlechts ist also kein direktes Abbild der Natur, sondern eine von gesellschaftlichen Vorstellungen geprägte soziale Praxis (vgl. Küppers 2012). Bei Unterscheidungen, die sich auf das biologische Geschlecht des Menschen zur Unterscheidung zweier Geschlechter berufen, ist völlig außer Acht gelassen worden, dass die Biologie selbst eine gesellschaftliche Unternehmung ist (vgl. Küppers 2012).
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