Die wichtigsten Erfahrungen
Die Fachkräfte des Magnet haben erfahren, dass sie den Jugendlichen etwas zutrauen können. Denn obwohl diese als benachteiligt gelten, haben sie Fähigkeiten, die auch mit pädagogischer Unterstützung entfaltet werden können. Dabei ist es für Torsten König wichtig gewesen, „nicht zu große Schritte“ zu gehen und sich „von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen“. Die positiven Erfahrungen des Teams haben dazu geführt, dass es den Jugendlichen künftig mehr Beteiligung im Jugendhaus ermöglichen will. So möchte es den Jugendlichen die Beteiligung an Bewerbungsverfahren mit neuen Fachkräften eröffnen und den Thekendienst im Kinderbereich von ihnen organisieren lassen.
Die Jugendlichen haben erfahren, dass es Erwachsene gibt, die ihnen zutrauen, dass sie sich mit ihren Interessen und Themen selbstbestimmt einbringen und so das KJH mitbestimmen und mitgestalten können. Dies eröffnet ihnen Möglichkeiten zur Subjektbildung als gleichzeitige Erfahrung von Selbstbestimmung und gesellschaftlicher Mitbestimmung – wenigstens in der kleinen Gesellschaft des Jugendhauses.
„Ausgezeichnet!“
Mit der angeleiteten Übernahme von Eigenverantwortung für den Jugendbereich hat das Magnet einen wichtigen Schritt hin zu einem gesellschaftlichen Engagement der Jugendlichen vollzogen. Die Fachkräfte haben den Jugendlichen Mündigkeit unterstellt, was wiederum diesen die Möglichkeit eröffnet hat, eigen- und mitverantwortlich ihre Einrichtung zu gestalten und sich den Jugendbereich als ihren Raum anzueignen. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen hat es Torsten König geschafft, vertrauensvolle Beziehungen zu den Jugendlichen aufzubauen. Dies ist eine wichtige Basis für die weitere Förderung gesellschaftlichen Engagements.
Kinder- und Jugendhaus OASE
Leitung: Thomas Kunde
beteiligte Fachkräfte: Thomas Kunde, Jeanette Renning
Träger: Jugendamt Landeshauptstadt Magdeburg
Anzahl der Besucher/-innen: täglich etwa 40
Engagementprojekt: Graffiti-Projekt, viertägige Jugendfreizeit in der Einrichtung
Adresse: Pablo-Neruda-Straße 11, 39126 Magdeburg
Ziele und Schwerpunkte der Einrichtung
Das Kinder- und Jugendhaus OASE hat sich in den letzten Jahren, wie viele Kinder- und Jugendeinrichtungen in Deutschland, zu einem Stadtteilzentrum entwickelt, das sich nicht allein auf die Jugendlichen konzentriert, sondern auch Angebote für Kinder und Eltern organisiert. Die Jugendlichen stehen damit nicht mehr allein im Mittelpunkt der pädagogischen Arbeit. Die Teilnahme an GEBe war mit der Hoffnung verknüpft, den Fokus wieder auf diese Altersgruppe zu richten. Wir wollten „zurück zu den Wurzeln der Offenen Kinder- und Jugendarbeit“, so Thomas Kunde. Insbesondere erhoffte sich das Team Anregungen, wie es die Stärken der Jugendlichen besser herausarbeiten und an diese anknüpfen könnte. Außerdem hatten die pädagogischen Fachkräfte die Hoffnung, dass sie lernen würden, Angebote so zu organisieren, dass sie den Interessen der Jugendlichen mehr entsprächen und die Angebote dadurch attraktiver, aber auch effizienter würden.
Die Einrichtung befand sich in einem riesigen ehemaligen (DDR-)Kindergarten. Dieses Gebäude war in schlechtem baulichem Zustand und wurde nicht nur von der Jugendarbeit, sondern auch von anderen Gruppen genutzt. Der desolate Zustand der Räume schaffte für Jugendliche aber auch die Möglichkeit, diese Freiräume zu nutzen und Gestaltungsexperimente durchzuführen. Durch die vielfältigen Aufgaben der OASE ist die hauptamtliche Fachkraft Thomas Kunde zeitlich sehr belastet und kann sich nicht regelmäßig im offenen Bereich des Hauses mit den Jugendlichen beschäftigen.
Die Projekte in GEBe
Ausgangspunkt des Graffiti-Projekts in der OASE war ein Tisch: ein von den Jugendlichen beschmierter Couchtisch. In einer Abwesenheit des Pädagogen hatten die Jugendlichen den Tisch in der Sitzecke über und über mit Filzstift-Tags und Kritzeleien überzogen. Angeregt durch GEBe, überdachte das Team der Einrichtung die alten Hausregeln und verurteilte diesmal ausnahmsweise das Beschmieren des Tisches nicht, da der Bereich ja schließlich für die Jugendlichen da sei. So interpretierten die Fachkräfte das Handeln der Jugendlichen als eine Form der Aneignung des Jugendbereichs. Sie erkannten darin ein Potenzial für gesellschaftliches Engagement und suchten das Gespräch mit den Jugendlichen. Da der Tisch mit Graffiti-Tags bemalt war, lag es für Thomas Kunde nahe, den Jugendlichen vorzuschlagen, die Wände des Jugendbereichs mit Graffitis zu gestalten. Statt die Jugendlichen für ihr Handeln zu tadeln, eröffnete ihnen das Team die Möglichkeit, nicht nur einen Tisch, sondern einen eigenen Raum nach eigenem Geschmack zu gestalten.
Der Vorschlag fand Zuspruch und so entstand ein Graffiti-Projekt, in dem die Jugendlichen die Wände des Jugendbereichs selbstbestimmt gestalten konnten und handelnd aktiv wurden. Anfangs arbeiteten sie (vor allem eine Gruppe von drei Jungen) sehr unregelmäßig an dem Projekt. Aber je aktiver die Jugendlichen in ihrem Bereich wurden, desto regelmäßiger kamen sie auch. Regelmäßigkeit entstand auch dadurch, dass Thomas Kunde ihnen garantierte, trotz seiner starken Arbeitsbelastung und knappen Zeit jeweils mindestens drei Stunden in der Woche fest mit ihnen zu verbringen. Durch die Erfahrung, nun einen Teil der OASE mitbestimmen und mitgestalten zu dürfen, was durch die Graffitis real sichtbar wurde, erhöhte sich auch die Verbindlichkeit des Projekts. So forderten die Jugendlichen irgendwann von sich aus längere Öffnungszeiten ein. Sie entwarfen und sprayten die Bilder selbstständig. Die Fachkräfte standen den Jugendlichen dabei mit Rat zur Seite.
Auf die Hilfe des Teams griffen die Kids vor allem dann zurück, wenn sie neues Material wie Farbdosen benötigten, aber auch, wenn sie eine Wand fertig gestaltet hatten. Sobald sie mit ihrer Arbeit zufrieden waren, baten sie um die Rückmeldung des Teams und forderten Anerkennung für ihr selbstbestimmtes Handeln ein. Kam es zu Konflikten zwischen den Jugendlichen oder zwischen den Fachkräften und den Jugendlichen, wurde eine Diskussionsrunde einberufen, in der die Konflikte dialogisch geklärt werden konnten. Eine Schwierigkeit für die Fachkräfte war zum Beispiel, dass die Jugendlichen anfangs das Streichen einiger Regeln zum Anlass nahmen, auch andere Regeln zu hinterfragen, zu kritisieren oder schlicht nicht einzuhalten. Die Regeln mussten in diesen Fällen vom Team erläutert und neu begründet werden. Anfangs empfanden einzelne Fachkräfte dies als Überforderung. Nachdem das Team sich gemeinsam darauf verständigt hatte, Regeln immer wieder neu mit den Jugendlichen auszuhandeln, wenn diese an Grenzen gestoßen waren, empfanden die Fachkräfte das Vorgehen später eher als Entlastung. Sie waren nicht mehr einem ständigen Zwang ausgesetzt, die Regelverstöße der Jugendlichen zu sanktionieren.
Die positiven Erfahrungen, die das Team im Projekt machte, veranlassten es zum einen dazu, den Jugendlichen auch zu ermöglichen, eine Außenwand der OASE zu gestalten, und zum anderen, ihnen außerhalb des Graffiti-Projekts mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten zu geben. Auf Vorschlag der Jugendlichen entstand beispielsweise eine kleine viertägige Jugendfreizeit im Gebäude der OASE. Die Jugendlichen übernachteten im neu gestalteten Jugendbereich, bestimmten das Programm und entschieden gemeinsam über die Schlafenszeiten. Mittlerweile haben die Ideen von GEBe Auswirkungen auf den Kinderbereich. Auch dort beginnen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Regeln zu überdenken und einen neuen Umgang damit zu suchen.
Was die Einrichtung verändert hat
Für Thomas Kunde hat sich das Projekt vor allem auf die Beziehungen zwischen den Fachkräften und den Jugendlichen ausgewirkt. Es habe eine Öffnung der Jugendlichen gegenüber dem Team stattgefunden. Indem die Jugendlichen gemerkt hätten, dass da jemand ist, der ihnen etwas zutraut, sei Vertrauen entstanden, so Kunde. Die Diskussionsrunden hätten zu einer besseren Kommunikation zwischen den Fachkräften und den Jugendlichen beigetragen. Aber auch die Kommunikation der Fachkräfte untereinander sei durch die kontinuierliche gemeinsame Reflexion besser geworden.
Entscheidend sei aber nicht zuletzt die veränderte Herangehensweise der Pädagoginnen und Pädagogen, sagt Kunde. Erst als diese sich zurückgenommen und nicht mehr versucht haben, alles zu regeln, zu organisieren und zu sanktionieren, hätten die Jugendlichen Raum zur Mitgestaltung und Mitbestimmung bekommen, den sie schnell bereitwillig und verantwortungsbewusst ausgefüllt hätten. Das Team habe außerdem wahrgenommen, dass sich durch die Anerkennungserfahrungen auch das Selbstwertgefühl der Jugendlichen positiv entwickelt hat.
Die wichtigsten Erfahrungen
„Überdenke jede Regel, die du bisher hattest, und frag dich, ob sie notwendig ist.“ Dies sei für das Team einer der wichtigsten Grundsätze der Herangehensweisen in GEBe gewesen. Regelverstöße zum Anlass zu nehmen, die verletzten Regeln...