Gewöhnlicher Beifuß
Artemisia vulgaris L.
Engl.: mugwort
SAMMELN | VERWENDEN | VERMEHREN |
Blätter: Mai-Juni Blüten: Juli-September Wurzeln: Herbst / Frühjahr | verdauungsanregend wildes Gewürz Gelenkbeschwerden Frauenheilkunde | Samen & Wurzeln ausdauernd Lichtkeimer |
Kaum zu übersehen ist der Beifuß im Sommer, wenn man ihm am Weges- oder Straßenrand begegnet. Dadurch, dass er mit Leichtigkeit mannshoch werden kann, stellt er eine stattliche und mächtige Pflanzenerscheinung dar.
Die Menschen gaben dem Beifuß deshalb Volksnamen wie „Mugwurz“ (mug = germanisch für wärmen, kräftigen) oder „Machtwurz“. Die Bezeichnungen „Sonnwendgürtel“ und „Schoßkraut“ deuten auf seine rituelle Verwendung bei Sonnwendfesten und seine Stellung als wichtiges, aber wohl zu dosierendes Frauenkraut in der Volksheilkunde hin.
DEN GEWÖHNLICHEN BEIFUSS ERKENNEN
Der Beifuß gehört zur Familie der Korbblütler. Er ist der wilde Verwandte des Wermuts. Im Volksmund ist er auch als „Wilder Wermut“ bekannt. Beide ähneln sich in ihrer Statur, unterscheiden sich aber in der Farbe und auch leicht in ihrer Wuchs- und Blattform.
Ab Ende April sprießen die ersten kleinen Pflänzchen aus der Erde. Die Blätter sind gefiedert und an der Oberseite glatt und sattgrün, an der Unterseite graufilzig. Der kantige Stängel hat oft rötliche oder bräunliche Längsadern. Im Laufe des Jahres verzweigt sich dieser immer mehr. Im Sommer sitzen am oberen Teil des Stängels kleine traubenartig angeordnete, eiförmige Blütenköpfchen. Diese sind grau behaart, die Blütenfarbe variiert zwischen gelb und rötlich. Der Wurzelstock des Beifußes ist flach und reich verzweigt. Prachtexemplare können über zwei Meter hoch werden.
Die Merkmale der jungen Beifußpflanze sind noch nicht vollständig ausgeprägt. Sie wird leicht verwechselt.
Der Stängel hat oft rötliche oder bräunliche Längsadern, kann aber auch grün sein.
Die Blattunterseite ist graufilzig.
Die Blattoberseite ist kräftig grün.
Die Blätter und Blüten des Beifußes riechen und schmecken stark würzig und leicht herb. Das intensive Aroma konzentriert sich vor allem in den Blüten. Der Geschmack ist im Vergleich zu dem des Wermuts weniger herb, dafür würziger. Beifuß ist eines meiner Lieblingsgewürze in der Küche (siehe S. 221: Kochen mit Wildkräutern und wilden Gewürzen).
Im jungen Pflanzenstadium bestehen VERWECHSLUNGSMÖGLICHKEITEN mit Eisenhut-Arten, auch mit dem giftigen Blauen Eisenhut (Aconitum napellus L.). Ebenso das Beifußblättrige Traubenkraut (Ambrosia artemisiifolia L.), als „ragweed“ bekannt, könnte mit dem Beifuß verwechselt werden. Die Wuchsform und die Blätter sind denen des jungen Beifußes ähnlich. Um diese Pflanzen sicher voneinander unterscheiden zu können, sollte man bis zur Blütezeit warten. In diesem Stadium sind die Erkennungsmerkmale des Beifußes schon gut ausgeprägt.
DEN GEWÖHNLICHEN BEIFUSS ERNTEN UND VERMEHREN
Die Blütezeit der Beifußpflanze reicht von Juli bis Oktober. Die Blätter werden vor der Blüte geerntet. Das blühende Kraut ab Juli bis September. Die Wurzel ab Oktober. Der Beifuß liebt warme und sonnige Standorte. Er kommt mit Trockenheit gut zurecht. Häufig ist er entlang von Wegen und Ufern zu finden. Auch sonnige Brach- und Schuttflächen besiedelt er gerne.
Die Blüten des Beifußes zur Blütezeit.
Die Wurzel des Beifußes ist reich verästelt.
Der Beifuß war früher ein hochgeschätztes Heil-, Gewürz-, und Räucherkraut. Es lohnt sich also, ihn am Grundstück stehen zu lassen oder ihn anzupflanzen. Der Beifuß ist ein ausdauerndes, staudiges Gewächs.
Zum Vermehren gibt es zwei Möglichkeiten: Ab Ende September erntet man die Beifußsamen. Reife Samen sind bräunlich. Diese werden im Frühjahr an einem sonnigen und trockenen Standort ausgesät. Der Beifuß ist ein Lichtkeimer, seine Samen dürfen nur maximal in Samenkornstärke mit Erde bedeckt werden. Wurzeln können an einem reichlich mit Beifuß bevölkertem Platz im Herbst oder Frühling gegraben und sogleich wieder an der gewünschten Stelle eingesetzt werden.
Beim Pflanzen muss man beachten, dass Beifuß über zwei Meter hoch werden kann und sich dementsprechend auch in der Breite Platz verschafft. Er ist winterhart und sät sich selbst aus. Wenn der Standort gut passt, entsteht mit der Zeit eine üppige Beifuß-Staude.
BEIFUSS: EIN WÜRZIGER, WÄRMENDER KRAFTSPENDER!
Der Beifuß regt die Verdauung an. Bei allgemein schwacher Verdauung, verdorbenem Magen, aber auch Durchfall findet der Beifuß als Tee oder Gewürz Anwendung.
Er ist ein besonderes Würzkraut. In der Küche verfeinert man traditionell besonders fettige Speisen wie Gans, Ente oder Aal mit Beifuß.
Waschungen und Sitzbäder helfen bei Hämorrhoiden und Geschwüren. Gemeinsam mit Honig stillt ein Tee aus Beifuß Husten. Als Badezusatz oder Zusatz zu Salben kräftigt er müde Beine und lindert Rheuma und Gicht.
Bei Frauenbeschwerden wie Weißfluss, Scheiden-, Blasen- oder Eierstockentzündung bieten sich ebenfalls Sitzbäder in Beifußtee an. Beifußtee, in der ersten Zyklushälfte getrunken, fördert den Eisprung, in der zweiten Zyklushälfte das Einsetzen der Menstruation.
In der Traditionellen Chinesischen Medizin werden mit glühenden Kügelchen oder Kegeln aus Beifuß (Moxa) Körperpunkte behandelt, um schlechte Energien aus dem Körper auszuleiten und Wärme zuzuführen.
| Achtung: Beifuß kann die Wehentätigkeit fördern, nicht in der Schwangerschaft verwenden! Beifußtee sollte allgemein nur in Maßen und nicht wiederholt über einen längeren Zeitraum getrunken werden. Allergiker gegen Korbblütler können auf Beifuß reagieren. |
AUS FRÜHEREN ZEITEN
Durch Pollenfunde bei archäologischen Ausgrabungen konnte bestätigt werden, dass der Beifuß bereits zur Zeit der Neandertaler verwendet wurde. In Gräbern hat man neben anderen Heilkräutern auch die Reste von Beifuß gefunden, der wohl ein Teil der Grabbeigabe war.
Bei den Germanen galt der Beifuß als „älteste der Wurze“. Der Gattungsname Artemisia geht auf Artemis, der griechischen Göttin der Jagd, der Wildnis und der Geburt, zurück. Sie ist die Hüterin der Frauen und Kinder, und die Herrin der Tiere. Mit einem geflochtenen Gürtel aus dem Wildkraut sprangen die Germanen über das Sonnwendfeuer in die zweite Jahreshälfte und warfen ihn danach rituell in die Glut, um mit ihm schädliche „Gifte“ zu verbrennen.
Der Beifuß war in früheren Zeiten ein Hebammenkraut. In bestimmten Phasen der Geburt wurde den Frauen Beifuß, in Wein oder Bier gesotten, eingeflößt, um sie zu kräftigen und die Geburt zu beschleunigen. Auch um den Bauch oder das rechte Bein gebunden, sollte Beifuß das Gebären erleichtern.
Schon allein das Mitführen von Beifuß hat laut Überlieferung eine große Wirkung. So sollte ein Reisender immer Beifuß bei sich tragen, um von den Schäden giftiger Tiere verschont zu bleiben. Ein Amulett aus Beifuß stärkt laut altem Glauben die Ausdauer und schützt vor Krankheit.
RÄUCHERN MIT DEM GEWÖHNLICHEN BEIFUSS
Der Beifuß ist ein altbekanntes Räucherkraut. Zum Räuchern werden die getrockneten Blütenrispen verwendet. Er vertreibt schädliche Energien, öffnet den Geist und klärt dessen Wahrnehmung.
Der Beifuß war früher Bestandteil schamanischer Rituale, er sollte das Tor zur Geisterwelt öffnen. Die Wildpflanze wurde in sakralen Stätten ausgelegt und verräuchert. In einer Räuchermischung eignet sich der Beifuß wegen seines wärmenden und reinigenden Charakters gut zum weihnachtlichen Räuchern rund um die Wintersonnenwende und in den Raunächten. Die Raunächte sind die „Zwölf Nächte“ vom 25. Dezember bis zum 6. Jänner, in denen, so glaubte man, die Percht gemeinsam mit den wilden Winterstürmen und ihrem erschreckenden Gefolge an Totengeistern über die Lande polterte. Diese Zeit um den Jahreswechsel nutzte man gerne zum Orakeln.
SO KANN DER BEIFUSS VERWENDET WERDEN |
| Es gibt nichts, was der Beifuß nicht kann. Frische oder getrocknete Blüten und Blätter ergeben ein hervorragendes Gewürz für fettiges Fleisch, Milchprodukte oder Hülsenfrüchte (siehe S. 242: Wilde Gewürze). In einem selbst hergestellten Kräutersalz macht sich sein... |