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E-Book

Metallisierte Welt - auf den Spuren einer Subkultur

AutorMoritz Grütz
VerlagHirnkost
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl180 Seiten
ISBN9783945398715
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Noch hinter den höchsten Bergen, in den größten Wüsten und auf den kleinsten Inseln finden sich ein paar wackere Metalheads, die sich zu Bands zusammengeschlossen haben, Konzerte geben und Metal-Kultur leben. Doch wie fühlt sich ein Black-Metaller im sonnigen Kuba und welche Risiken birgt es, in Saudi-Arabien in einer härteren Musikgruppe zu spielen? Wie denkt ein Metalhead im von Bürgerkriegen zermürbten Libanon über die Glorifizierung von Gewalt in martialischen Songtexten und was geht eigentlich in der regionalen Szene von Madagaskar? Wie steht es in all diesen Ländern ganz generell um die gesellschaftliche und politische Akzeptanz dem Metal gegenüber? 'Metallisierte Welt - Auf den Spuren einer Subkultur' dokumentiert in über 30 Band-Interviews die Suche nach Antworten auf diese und viele weitere Fragen rund um das Thema Metal in unserer tatsächlich bis in den letzten Winkel 'metallisierten Welt'.

Moritz Gru?tz, Jahrgang 1988, ist passionierter Metal-Fan, Musiker und Konzertgänger. In den letzten zehn Jahren verfasste er als Musikredakteur fu?r verschiedene Online-Magazine u?ber eintausend metalbezogene Artikel. Er ist Chefredakteur des Metal1.info, eines der etabliertesten deutschsprachigen Online-Magazine fu?r Metal- und Rock-Musik.

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Leseprobe

1


DISTRICT UNKNOWN


Afghanistan

Mit Afghanistan assoziiert man hierzulande in erster Linie Krieg, Taliban und Mohnfelder. Aber Metal? Sully Omar von District Unknown berichtet aus einem Land, in dem Livemusik generell verpönt und das Zeigen der Devil Horns strafbar ist.

Unseren Recherchen zufolge seid ihr die einzige aktive Metal-Band aus Afghanistan. Stimmt das? – und wenn ja: Macht euch das traurig oder stolz?

Soweit ich weiß, sind wir tatsächlich momentan die einzige Metal-Combo in Afghanistan. Es gibt noch eine Hardrock-Gruppe namens White Page, aber ob die noch aktiv ist, weiß ich nicht. Wir sind natürlich stolz, dass wir sozusagen der Goldstandard für afghanischen Metal sind, aber das ist gewiss nicht unser primäres Ziel. Ich bin mir zwar darüber im Klaren, dass das unsere Band einzigartig macht, aber eigentlich ist es nebensächlich. Ich würde mir wünschen, es gäbe mehr Metal-Formationen in Afghanistan!

Aber es gibt zumindest noch mehr Metalheads, mit denen ihr eure Musik teilen könnt, vielleicht sogar so etwas wie eine Metal-Szene?

Es gibt einen ausgewählten und sehr exklusiven Kreis von Metalheads in Afghanistan – die meisten von ihnen kennen wir persönlich. So etwas wie eine Metal-Szene gibt es in Afghanistan aber nicht. Für Rock-Musik gibt es eine kleine Szene mit ein paar wenigen Bands, aber die meisten agieren von außerhalb des Landes. Wir teilen unsere Musik mit unserer Fanbase – da diese Gruppe gut vernetzt ist, bekommen diese Leute unser Material zumindest schnell zu hören.

Gibt es in Afghanistan auch weibliche Metal-Fans? Woran liegt es, dass weniger Frauen Metal hören als Männer?

Wir haben hier definitiv ein paar sehr begeisterte Metal-Fans in Afghanistan – darunter auch Frauen! Vielleicht ist Metal wegen seiner manchmal aggressiven Note Gender-verzerrt. Aber das ist kein allgemeingültiges Gesetz. Das gleiche Phänomen lässt sich ja auch im Hip-Hop, Rock oder Pop beobachten. Aber wir haben unseren Anteil an weiblichen Fans und wir sind sehr dankbar für diesen Support!

Afghanistan hat einen jahrelangen Krieg durchgemacht. Hat sich dadurch etwas für euch und andere liberal denkende Menschen zum Besseren gewendet?

Indirekt ja. Die Veränderung der politischen Landschaft hat den Boden bereitet für die fortschrittlich denkenden Teile der Gesellschaft, um Afghanistan weiterzuentwickeln und aufzubauen. Der Krieg hat aber weder unsere Musik beeinflusst noch irgendetwas wirklich zum Besseren gewendet. Er hat jedoch zumindest ermöglicht, dass unsere Musik heute besser verfügbar ist und dass die Gefahr, die von ultrakonservativen Gruppierungen ausgeht, etwas kleiner geworden ist.

Könnt ihr heute in der Öffentlichkeit zeigen, dass ihr Metal-Fans seid, beispielsweise durch den Kleidungsstil?

Wir sind keine typischen Metalheads in dem Sinne, dass wir uns auf bestimmte Art und Weise kleiden oder bestimmte Accessoires tragen, um unsere Szenezugehörigkeit kundzutun. Ich verbinde auch nicht automatisch Kleider oder Style mit Metal. Wir sind alle vielseitige Künstler und wir würden uns nicht auf schwarze Hosen, Ketten und schwarze Shirts limitieren wollen, um in das Metal-Klischee zu passen.

Wie seid ihr mit Metal in Berührung gekommen?

Jeder bei uns in der Band hat eine eigene Geschichte dazu, wie er zum Metal gekommen ist und wie ihn der Metal beeinflusst hat, bevor wir unsere Gruppe gegründet haben. Die Gründungsmitglieder von District Unknown sind zwei Brüder – da ging es mit Metallicas „S&M“-Album los und von da weiter … neue Musik von Freunden, neue Genres entdeckt und so weiter. Unser Schlagzeuger Pedram ist dann tiefer in speziellere Metal-Genres abgetaucht und hat seine Sammlung an unseren Bassisten weitergegeben, seinen Bruder Quasem, der 2004 vom Iran nach Afghanistan gekommen ist. Ich selbst bin, wie auch unser Sänger, über die Nu-Metal-Bands der Neunziger wie Tool, System Of A Down, Korn und die Deftones zu den härteren Klängen gekommen – geprägt von meiner Kindheit in den USA.

Steht ihr mit Metalheads außerhalb von Afghanistan in Kontakt?

Wir haben Kontakt und Korrespondenzen mit vielen Künstlern in und außerhalb von Afghanistan. Über das Internet sind wir mit Musikern vieler Nationalitäten aus allen möglichen Ländern in Verbindung.

Was bedeutet es, in Kabul Mitglied einer Metal-Band zu sein?

Wie du dir vorstellen kannst, ist es in Kabul schon schwierig, einen Proberaum zu finden – die Leute hier in Afghanistan reagieren nicht sonderlich gut auf laute E-Gitarren und Screams. Auch das Beschaffen der nötigen Ausrüstung mag etwas schwieriger sein als in anderen Ländern, aber wir hatten das Glück, Musiker zu kennen, die im Ausland arbeiten und deshalb Zugang zu Equipment haben. Nachdem unsere Band ansonsten im Großen und Ganzen noch in der Besetzung um das Gründer-Bruderpaar besteht, hatten wir zumindest nicht oft das Problem, neue Mitglieder finden zu müssen, auch wenn ab und zu auf einer Position gewechselt wurde.

Geht ihr damit, dass ihr in der Band spielt, ein persönliches Risiko ein? Wissen eure Familien von eurer Tätigkeit?

In Afghanistan in einer Metal-Gruppe zu spielen – oder eigentlich in jeder beliebigen Band – ist klar eine gegenkulturelle Aktivität. Deshalb gehen wir viele Risiken ein, von Todesdrohungen bis hin zu allen möglichen Sicherheitsproblemen. Zudem ist unser Risiko durch die Art Musik, die wir spielen, noch mal verstärkt. Unsere Familien wissen aber alle, dass wir in District Unknown aktiv sind. Sie sind sehr stolz auf uns und unterstützen uns. Wenn dem nicht so wäre, gäbe es diese Gruppe nicht. Einige unserer Bandmitglieder haben Verwandte, die selbst Musiker waren – die verstehen beides, die Bewegung der alternativen Musik in Afghanistan wie auch das damit einhergehende Risiko.

Wie handhabt ihr es mit Live-Auftritten?

Konzerte sind hier in Afghanistan ein schwieriges Thema. Das ist eine enorme Herausforderung, was die Sicherheit angeht: Jedes Konzert, sogar mit traditioneller Musik, bedarf hoher Sicherheitsstandards. Deshalb finden Konzerte von unserer Combo – abgesehen von ein paar Festivalauftritten – nur hinter verschlossenen Türen und ausschließlich für geladene Gäste statt. Die Anzahl der Fans variiert, aber sie werden immer kontrolliert und es werden aus Sicherheitsgründen nie mehr eingelassen, als der Kapazität der Location entspricht. Das Risiko einer Racheaktion müssen wir mit dem, was wir tun, in Afghanistan aber in Kauf nehmen. Mit District Unknown haben wir deshalb in den letzten sieben Jahren in Afghanistan fast nur auf solchen privaten Underground-Events gespielt und unsere Live-Präsenz insgesamt sehr niedrig gehalten, um die Gefahren, die damit einhergehen, in Afghanistan in einer Metal-Band zu spielen, möglichst gering zu halten. Wir bleiben aus Sicherheitsgründen großen Events fern, außerdem vermeiden wir unkontrollierte Berichterstattung. Dafür haben wir beispielsweise auf dem SAARC-Festival in Indien gespielt, was uns ermöglicht hat, uns einem viel größeren Publikum zu präsentieren.

Ein öffentliches Konzert würde euch also über die Maßen in Gefahr bringen?

Öffentliche Konzerte oder andere Metal-Veranstaltungen zu organisieren ist hier nahezu unmöglich – Live-Musik ist in Afghanistan ganz allgemein einfach mit einem Stigma behaftet. Da hat sich zwar schon viel getan, aber das zu ändern ist ein sehr langsam ablaufender Prozess und es gibt noch viel Luft nach oben. Der Begriff Gefahr ist untertrieben, wenn man sich die Risiken anschaut, die damit verbunden sind, bei einem beliebigen „alternativen“ Musik-Event öffentlich zu spielen.

Im Internet kann man lesen, dass ihr früher auf der Bühne Masken getragen habt, um euch vor Extremisten zu schützen.

Früher haben wir Masken aufgesetzt, um unsere Identität zu verschleiern, während wir auf der Bühne stehen. Aber diese Zeiten sind vorbei. Wir tragen die Masken jetzt schon seit fünf Jahren nicht mehr. Wie gesagt: Durch den kontrollierten Zugang zu unseren Konzerten haben wir nicht mehr das Gefühl, dass wir uns oder unsere Musik tarnen müssen. Außerdem wurden die Masken irgendwann einfach zu einer ungewollten Ablenkung von unserer Musik.

Könnt ihr euer Album frei verkaufen, beispielsweise auf Konzerten?

Als wir noch Konzerte in Afghanistan gespielt haben, war unser erstes Album noch nicht veröffentlicht. Unsere im August 2014 erschienene Platte „[Anatomy Of A 24 Hour Lifetime]“ gibt es seitdem online weltweit über viele verschiedene Händler.

Ihr habt euch dem Progressive Metal verschrieben. Welche Bands haben euch dahingehend am meisten beeinflusst?

In District Unknown gibt es eine große Bandbreite an Einflüssen – die alle aufzuzählen wäre ermüdend. Jonathan Davis von Korn, Mikael Åkerfeldt von Opeth, Steven Wilson von Porcupine Tree und Gruppen wie Anathema, Metallica und System Of A Down sind aber definitiv dabei. Für Teile der Band zählen auch Avantgarde-Künstler wie John Cage und Björk zu den musikalischen Vorbildern. Mich selbst haben vor allem der Nu- und später der Post-Metal geprägt. Wir versuchen, traditionelle Arrangementstrukturen zu vermeiden – unsere Musik kann von abstrakten, experimentellen Soundlandschaften bis hin zu harten, fetten, tiefer gestimmten und dissonanten Powerakkorden mit invertierten...

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