5. Herr Fischer (S. 384-385)
Bei Herrn Fischer handelt es sich um einen Patienten, der nach eigener Einschätzung in seinem Leben bislang von schwerwiegenden Krankheiten verschont geblieben ist. Anfang 2003 war diese Sprechstundeninteraktion aufgezeichnet und für die Zirkelsitzung ausgewählt worden, weil die Herdecker Projektgruppe glaubte, es könne sich um einen Asthma-Patienten handeln. Der Patient hatte die Empfindung, dass er morgens nach dem Aufstehen und nach dem Essen kaum noch Luft bekam. Die Verdachtsdiagnose „Asthma" des behandelnden Arztes hatte sich dann jedoch nicht bestätigt. Wir verzichteten daher zunächst auch auf Interviews mit dem Patienten und dem Arzt. Dr. Starke (geb. 1959) ist Internist und betreibt seit mehreren Jahren eine Hausarztpraxis. Im Jahre 2004 wurde dieser Fall dann doch für ein Bilanzierungsgespräch ausgewählt und dieses im Zirkel diskutiert. Das Gespräch hatte also keine therapeutische Funktion, der Patient kam nicht, um sich behandeln zu lassen, sondern auf Bitten des Arztes.
Das Interview mit dem Patienten wurde erst nach diesem zweiten Gespräch durchgeführt.38 Dieser Fall unterscheidet sich von den anderen erheblich. Es handelt sich daher um einen Kontrastfall. Dieser Patient hatte zum Zeitpunkt des Bilanzierungsgespräches subjektiv eigentlich keinen stärkeren aktuellen Leidensdruck. Die Symptomatik hat er weiterhin, sie hat sich aber gebessert. Er hat kein Asthma. Arzt und Patient gingen davon aus, dass es sich hier nicht um eine schwerwiegende Erkrankung handele. Er hat zwar eine beginnende Arthrose in den Knien, bewältigt diese Situation aber weitgehend selbst durch Gymnastik. Wegen dieser Erkrankung wurde er von einem Orthopäden behandelt, nicht von Dr. Starke.
Erstes Sprechstundengespräch
Nach der Begrüßung fordert der Arzt den Patienten auf, darzustellen, weshalb er komme. Der Patient berichtet. Während des Berichtes regiert der Arzt häufig mit einem „ja" als Rezeptionssignal. Morgens, wenn er aufstehe, sagt der Patient, habe er das Gefühl, dass er kaum noch Luft bekomme. Er sei dann ausgesprochen kurzatmig. Nach dem Essen habe er dann das Gefühl, dass es ihm alles zuschnüre. Er versuche dann „anzustoßen", denke, es müsse Schleim kommen, aber es komme nichts. Er habe Brausetabletten verschrieben bekommen, die auch tagsüber helfen würden. Aber eigenartigerweise habe er dieses Phänomen, das ihn schon irgendwie beunruhige, nur morgens oder nach dem Essen.
Der Arzt sagt, er wolle gleich mal schauen, und arbeitet dann am Computer. Er fragt, ob man bei ihm schon von Asthma gesprochen habe, von der Schilderung her höre es sich so an, als wenn es auch etwas Asthmatisches sein könne. Da könnten die Bronchien morgens zu sein. Der Patient erwähnt das Wort Allergie (Äußerung kaum verständlich), woraufhin der Arzt nachfragt, ob bei ihm schon mal ein Allergietest gemacht worden sei, was der Patient verneint. Der Patient sagt, irgendwo beunruhige ihn das, weil er nicht richtig durchatmen könne, er sei ausgesprochen kurzatmig. Der Arzt schlägt dem Patienten vor, dass man, wenn er noch Zeit habe, gleich einen Allergietest machen könne. Außerdem schlägt er vor, einen Lungenfunktionstest zu machen. Er holt das Gerät und schlägt dem Patienten vor, es auszuprobieren.
Der Patient pustet hinein und der Arzt stellt fest, dass der Wert jetzt 650 betrage, was ganz in Ordnung sei. Nur wenn der Wert morgens um die 300 liege, stimme etwas nicht mit der Lungenfunktion. Er empfiehlt Herrn Fischer, diesen Wert in ein Heft einzutragen, und schlägt vor, jetzt nach vorne zu gehen, um den Allergietest zu machen. Der Patient erwähnt seine Tabletten und der Arzt erwidert, erst einmal müsse man die Diagnose haben. Man müsse feststellen, ob es Asthma oder etwas anderes sei.