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E-Book

Gesundheitsreform 2007

Nach der Reform ist vor der Reform

VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl329 Seiten
ISBN9783531917863
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Die deutsche Gesundheitspolitik gleicht einer immer währenden Baustelle. Dabei bildet die Gesundheitsreform 2007 nicht nur eine weitere Etappe in diesem Prozess, sondern mit ihr kam es auch zu Veränderungen der Akteurskonstellation. Denn wie kein anderes Feld der sozialen Sicherung zeichnet sich die Gesundheitspolitik durch eine vielfältige und komplexe Struktur konkurrierender Akteure aus, deren jeweilige Durchsetzungschancen in starkem Maße durch staatliche Einflüsse gefördert oder gemindert werden können. Der vorliegende Band zielt darauf ab, die Strategien der einzelnen Akteure zu identifizieren, um zu veranschaulichen und zu verstehen, wie sich am Beispiel der Gesundheitsreform 2007 durch staatlich organisiertes Handeln, die Machtressourcen der Akteure verändern. Bei diesen Analysen wird auch deutlich, dass für die Lobbyisten nach der Reform vor der Reform ist. In diesem Sinne wird auch beleuchtet, ob und wie mit der Reform auf die Herausforderungen des Gesundheitssystems reagiert wird und was dies für die Interessen der einzelnen Akteure bedeutet.


Prof. Dr. Wolfgang Schroeder lehrt Politikwissenschaft an der Universität Kassel.
Dr. Robert Paquet ist selbständiger Publizist und Berater im Gesundheitswesen sowie Redakteur des 'Gesundheitspolitischen Informationsdienstes - gid'.

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Leseprobe
"Herausforderungen für die Leistungserbringer: Von Kollektiv- zu Einzelverträgen (S. 147-148)

Herausforderungen für die Leistungserbringer

Robert Paquet

Das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) verändert die Handlungsmöglichkeiten und Machtpositionen der Leistungserbringer insgesamt erheblich und bestimmt das Verhältnis zwischen den Krankenkassen und ihren Vertragspartnern neu (vgl. auch Einleitung zum Kapitel „Kassen""). Das gilt jedoch für die verschiedenen Leistungserbringergruppen in unterschiedlichem Ausmaß und muß daher differenziert betrachtet werden. Grundsätzlich wurden zwar die Vertragsrechte der einzelnen Krankenkassen gestärkt (wodurch zugleich die Rolle der Kassenverbände geschwächt wurde).

Dabei wurde jedoch der gesamte stationäre Sektor im GKV-WSG überhaupt nicht berührt. Die zentralen Regelungen bzw. Veränderungen betreffen die niedergelassenen Ärzte. Die einzelvertraglichen Rabattverträge im Bereich der Arzneimittel wurden von der Großen Koalition allerdings schon vor dem GKVWSG im Rahmen des Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) eingeführt, entsprechen aber der konzeptionellen Weichenstellung des GKVWSG, die dort z.B. durch die Einführung einzelvertraglicher Ausschreibungen bei den Hilfsmitteln (§ 127 Sozialgesetzbuch (SGB V) ) eine weitere Bestätigung erfahren hat.

1 Niedergelassene Ärzte – Vertragssituation im Umbruch

Durch das GKV-WSG wird der einzelvertragliche Wettbewerb in den Kernbereich der ambulanten medizinischen Versorgung hineingetragen. Zwar gab es bis dahin schon durch die Möglichkeiten der Disease-Management-Projekte (DMP), der Integrationsversorgung und früher bereits der so genannten „Strukturverträge"" einzelvertragliche Möglichkeiten, die jedoch immer nur eine Nebenrolle gespielt haben und zum größten Teil auch von den etablierten Organisationen, den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen), umgesetzt worden sind.

Der qualitativ neue Schritt des GKV-WSG liegt in der Verpflichtung für alle Kassen, ihren Versicherten (einzelvertraglich vereinbarte) Hausarztmodelle anzubieten (§ 73 b SGB V) und in der generellen Möglichkeit, die ambulante ärztliche Versorgung, unabhängig von den KVen, in freien Verträgen mit Ärzten und ihren Gruppierungen zu vereinbaren (§ 73 c SGB V). Durch diese Regelungen haben einerseits die (einzelnen) Krankenkassen, unabhängig von ihren bisherigen (kassenartenbezogenen) Verbänden, Macht und Handlungsmöglichkeiten gewonnen.

Welche (gegebenenfalls neuen) Gruppierungen und Koalitionen sich dabei auf dieser Seite der Vertragspartner entwickeln werden, bleibt abzuwarten. Einfluß und Handlungsmacht gewonnen haben aber auch die einzelnen Ärzte bzw. ihre Gruppierungen, so weit sie konzeptionell und organisatorisch – unabhängig von den KVen – handlungsfähig sind. Das gilt zur Zeit insbesondere für die Hausarztverbände und die so genannten „MEDIVerbünde"".

Andere Gruppierungen müssen sich erst noch so weit institutionalisieren, dass sie Vertragskonzepte vorlegen und als Vertragspartner glaubwürdig und abschlußfähig sind. Eindeutige Verlierer der aktuellen Reform sind die KVen, an denen außerdem das unangenehme „Geschäft"" hängenbleibt, die Finanzierung der mit anderen Vertragspartnern geschlossenen Einzelverträge aus dem System der kassenärztlichen Gesamtvergütung herauszurechnen. Das Vertragsmonopol der KVen ist damit gebrochen, der „Sicherstellungsauftrag"" für die flächendeckende ambulante ärztliche Versorgung hat einen wesentlichen Schock erlitten.

Was jahrzehntelang völlig unumstritten war, ist nun offen in Frage gestellt. Obwohl der Unmut über die KVen, auch bei ihren eigenen Mitgliedern, in den letzten Jahren deutlich gewachsen ist, konnte sich doch niemand so richtig vorstellen, wie man ohne diese Organisationen auskommen könnte. Seit dem GKV-WSG wird – gerade bei den niedergelassenen Ärzten – darüber offen diskutiert. Dass die CDU/ CSU im GKV-WSG noch verankert hat, dass auch die KVen nach § 73 b Abs. 4 als Vertragspartner für die „hausarztzentrierte Versorgung"" auftreten dürfen, hat dabei nur den Stellenwert eines Rückzugsgefechts. "
Inhaltsverzeichnis
Inhalt5
Vorwort9
Gesundheitsreform 2007 – Akteure, Interessen und Prozesse11
Experimentelles Regieren unter den Bedingungen der Großen Koalition30
Motor der Reform und Schaltzentrale: Die Rolle des Bundesministeriums für Gesundheit in der Gesundheitsreform 200732
Die Bundesländer bei der Reform der GKV50
Konsens im Dissens? Konflikte in der Gesundheitsreform der Großen Koalition58
Die SPD und die Gesundheitsreform 2007: Vom Gesundheitsfonds zur Bürgerversicherung?77
Die Union zwischen Gesundheitsfonds und Rettung der PKV89
Bündnis 90/ Die Grünen und die Gesundheitsreform 2007: Das harte Brot der Opposition1103
Zur Verfasstheit gesetzlicher und privater Krankenversicherungsunternehmen nach der Gesundheitsreform 2007112
Krankenversicherung im Umbruch118
Gesundheitsreform 2007: Die Kassen unter Druck126
PKV und die Gesundheitsreform 2007: Verhinderung eines „ schleichenden Todes“136
Herausforderungen für die Leistungserbringer: Von Kollektiv- zu Einzelverträgen147
Die Krankenhäuser und die Gesundheitsreform 2007152
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Gesundheitsreform 2007159
Die pharmazeutische Industrie und die Gesundheitsreform 2007175
Soziale Selbstverwaltung: Von der klassischen Beteiligungs- zur professionalisierten Effizienzinstitution?188
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und die Gesundheitsreform 2007198
Die Gewerkschaften und die Gesundheitsreform 2007204
Der Gemeinsame Bundesausschuss und die Gesundheitsreform 2007: Auch künftig Organ der Selbstverwaltung211
Patientenbeteiligung im Gemeinsamen Bundesausschuss222
Kommunikation von Reformen am Beispiel der Gesundheitsreform 2007229
Gesundheitspolitik und neue kommunikativmediale Entwicklungsmuster237
Wissenschaftliche Politikberatung und Gesundheitsreform 2007247
Anhang256

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