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E-Book

Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum: Eine Chance für die Professionalisierung der Pflege?

AutorStephan Lücke
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl65 Seiten
ISBN9783955497804
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Die Versorgung mit Gesundheitsleistungen gerät besonders im ländlichen Bereich durch die starke Zunahme älterer und chronisch kranker Menschen zunehmend unter Druck. Eine Neustrukturierung der Aufgaben der Gesundheitsberufe ist langfristig gesehen unumgänglich, um eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung aufrechtzuerhalten. Das ist Konsens. Doch wer macht was? Das ist bis heute umstritten. Die vorliegende Forschungsstudie geht der Frage nach, welche konkreten Tätigkeiten von Pflegenden hinsichtlich einer effektiven Gesundheitsversorgung künftig übernommen werden sollten. Grundlage dieser Untersuchung bildet eine empirische Studie, die anhand qualitativer Experteninterviews mit ausgewiesenen Pflegeexperten durchgeführt wurde.

Stephan Lücke (geb. 1979) arbeitete nach seiner Ausbildung zum Krankenpfleger sieben Jahre in verschiedenen stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen; 2004 bis 2009 Studium der Pflegewissenschaft an der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-Westfale

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 4, Versorgungskonzepte mit spezialisierter pflegerischer Praxis: Sowohl Pflegende als auch Ärzte erkennen die Notwendigkeit einer sektorübergreifenden Kooperation an. Das Konzept AGnES stellt ein Versuch einer veränderten Kooperation zwischen Hausärzten und nicht ärztlichen Gesundheitsberufen dar. Bei den Pflegeverbänden ist das Konzept jedoch umstritten. Im Folgenden sollen die genannten Versorgungsmodelle AGnES, Advanced Nursing Practice, Family Health Nurse und Case Management hinsichtlich ihrer pflegerischen Partizipation am Versorgungsprozess vorgestellt werden. Deren Eignung zur Sicherung einer qualitativ angemessenen Gesundheitsversorgung in medizinisch unterversorgten Regionen und deren Beitrag zur Professionalisierung der Pflege soll im empirischen Teil dieser Arbeit geklärt werden. 4.1, Konzept AGnES: In peripheren, ländlichen Räumen treten, wie bereits aufgezeigt, die Auswirkungen des demografischen Wandels besonders deutlich in Erscheinung. Die niedergelassenen Ärzte haben in diesen Regionen mit einem erheblichen Mangel an Nachwuchs zu kämpfen. Bereits in wenigen Jahren seien 'relevante Lücken in der ambulanten hausärztlichen Versorgung zu erwarten' (van den Berg/Hoffmann 2008: 49). Hier setzt das Konzept AGnES (Arztentlastende, gemeindenahe, E-Health-gestützte, systemische Intervention) an. Es geht auf ein vom Institut für Community Medicine der Universität Greifswald entwickeltes Konzept für von hausärztlicher Unterversorgung bedrohte Regionen zurück. Das Konzept AGnES wird seit dem Jahr 2005 im Rahmen verschiedener Modellprojekte in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt erprobt und praktiziert. Speziell geschulte Pflegekräfte und MFA führen Hausbesuche bei vornehmlich chronisch kranken Patienten durch, um Hausärzte zu entlasten. Sie übernehmen schwerpunktmäßig medizinische Routinetätigkeiten auf Delegationsbasis, teils kombiniert mit moderner telemedizinischer Technik (vgl. SVR 2007: 148; van den Berg und Hoffmann 2008: 49). Die Bezeichnungen der eingesetzten Pflegekräfte und MFA variieren von Bundesland zu Bundesland: In Mecklenburg-Vorpommern ist von der Telegesundheitsschwester die Rede, in Brandenburg wiederum nennt man sie Gemeindeschwestern. Trotz der unterschiedlichen Bezeichnungen und regional unterschiedlichen Ausgestaltungen basieren die Modellprojekte auf dem AGnES-Konzept der Universität Greifswald. Rückblick: Die Gemeindeschwester in der DDR Das Konzept AGnES geht auf das Berufsbild der Gemeindeschwester in der ehemaligen DDR zurück. Die Bezeichnungen Gemeindeschwester und AGnES wurden in den seit 2005 durchgeführten Modellprojekten bewusst gewählt, um Assoziationen der Bevölkerung an das alte Berufsbild und nicht zuletzt an Schwester Agnes der gleichnamigen Serie im DDR-Fernsehen zu wecken. Die Akzeptanz des Konzepts sollte auf diese Weise bei der Bevölkerung gefördert werden (vgl. Strupeit 2008: 514). Gemeindeschwestern gehörten in der DDR zum Netz der ambulanten Betreuung und hatten somit eine wichtige Bedeutung für das Gesundheitswesen. Als Schnittstelle - einerseits zwischen ambulanter und stationärer Versorgung und andererseits zwischen Arzt und Patient - waren sie für 'die medizinische und soziale Betreuung der Bevölkerung verantwortlich' (a.a.O.: 515). Die medizinische Betreuung umfasste Medikamentenkontrollen und -überwachungen, Wartung von Medizinprodukten, Wundmanagement, Beratungstätigkeiten für Mütter, Applikation von intravenösen Medikationen, teilweise die Durchführung von Entbindungen und Notfallbehandlungen. Im Rahmen der sozialen und pflegerischen Betreuung standen zudem Tätigkeiten der Grund- und Behandlungspflege und kommunikative Interaktion im Vordergrund. Zu ihren Aufgaben gehörten ferner verwaltungstechnische und organisatorische Aufgaben, hauswirtschaftliche Tätigkeiten sowie die Durchführung einer sogenannten Gemeindeschwesternsprechstunde, in der sie diagnostische Tests und Impfungen durchführten sowie Rezepte ausgaben (vgl. a.a.O.: 515f). Die Gemeindeschwestern betreuten von den Gesundheitsbehörden zugewiesene Territorien. Dies waren im ländlichen Bereich Dörfer oder Dorfgemeinschaften, im städtischen Bereich sollte die Zahl der zu Betreuenden 5000 Personen nicht übersteigen. Dennoch kam es in der Praxis auch vor, dass bis zu 30.000 Menschen betreut werden mussten (vgl. a.a.O.: 515). Die Gemeindeschwestern besaßen eine pflegerische Grundausbildung an medizinischen Fachschulen, so wie sie in der DDR üblich waren, zusätzlich war für die Tätigkeit als Gemeindeschwester eine ein- bis zweijährige Berufserfahrung, möglichst sowohl im stationären als auch ambulanten Bereich, sowie eine fachspezifische Weiterbildung erforderlich. Zudem war es Pflicht, sich kontinuierlich fortzubilden (vgl. ebd.). Die Gemeindeschwestern führten alle Tätigkeiten auf Anordnung des Arztes aus. Es gab also keine Vorbehaltsaufgaben, die sie autonom ausführten. In der Praxis dennoch erhielten die Gemeindeschwestern innerhalb ihres Tätigkeitsfeldes ein gewisses Maß an Autonomie, das jedoch vom Vertrauensverhältnisses zwischen ihr und dem kooperierenden Arzt abhängig war (vgl. a.a.O.: 516). Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde das Berufsbild Gemeindeschwester nicht weitergeführt, da es nicht in das bundesdeutsche Gesundheitssystem passte. Die Leistungen wurden teilweise von ambulanten Pflegediensten weitergeführt (vgl. a.a.O.: 514).
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