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Gewalt für die Demokratie?

Die Kampfverbände von SPD und SDAP (1932-1934) im Vergleich

AutorSascha Brejora
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl113 Seiten
ISBN9783638034579
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Gesch. Europa - Deutschland - I. Weltkrieg, Weimarer Republik, Note: 1,6, Humboldt-Universität zu Berlin (Institut für Geschichtswissenschaften), 128 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Beschäftigt man sich mit der Geschichte Deutschlands und Österreichs zwischen den beiden Weltkriegen, dann steht in den meisten Fällen eine Frage im Mittelpunkt. Warum scheiterte die parlamentarische Demokratie in beiden Ländern in der Auseinandersetzung mit der faschistischen Bedrohung? Dabei spielte die sozialdemokratische Partei sowohl im Deutschen Reich, als auch in Österreich, zwangsläufig eine entscheidende Rolle. Beide zählten zu den mächtigsten Vertretern der organisierten Arbeiterschaft in Mitteleuropa und hatten von Anfang an entscheidenden Einfluss auf die Politik der nach dem I. Weltkrieg entstandenen Republiken. Während die österreichischen Sozialdemokraten letzten Endes zum Äußersten bereit waren und zu den Waffen griffen, blieben gewaltsame Erhebungen ihrer deutschen Genossen komplett aus. Warum verteidigten die österreichischen Sozialdemokraten im letzten Moment, wenn auch erfolglos, die Demokratie mit militärischer Gewalt , während es in der Weimarer Republik zu keiner bewaffneten Erhebung gegen die Feinde der Republik kam, obwohl sich beide, mit Schutzbund und Reichsbanner, die Instrumente dafür geschaffen hatten? Im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht die Frage, warum es trotz vieler Ähnlichkeiten und Verbindungen zwischen den beiden Sozialdemokratischen Parteien und ihren Kampfverbänden zu so unterschiedlichen Reaktionen kam, als die bürgerliche Rechte tatsächlich begann, die parlamentarische Demokratie zu zerstören.

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Leseprobe

I. Einleitung


 

Beschäftigt man sich mit der Geschichte Deutschlands und Österreichs zwischen den beiden Weltkriegen, dann steht in den meisten Fällen eine Frage im Mittelpunkt. Warum scheiterte die parlamentarische Demokratie in beiden Ländern in der Auseinandersetzung mit der faschistischen Bedrohung? Dabei spielte die sozialdemokratische Partei sowohl im Deutschen Reich, als auch in Österreich, zwangsläufig eine entscheidende Rolle. Beide zählten zu den mächtigsten Vertretern der organisierten Arbeiterschaft in Mitteleuropa und hatten von Anfang an entscheidenden Einfluss auf die Politik der nach dem I. Weltkrieg entstandenen Republiken. Während die österreichischen Sozialdemokraten letzten Endes zum Äußersten bereit waren und zu den Waffen griffen, blieben gewaltsame Erhebungen ihrer deutschen Genossen komplett aus. Warum verteidigten die österreichischen Sozialdemokraten im letzten Moment, wenn auch erfolglos, die Demokratie mit militärischer Gewalt[1], während es in der Weimarer Republik zu keiner bewaffneten Erhebung gegen die Feinde der Republik kam, obwohl sich beide, mit Schutzbund und Reichsbanner, die Instrumente dafür geschaffen hatten?

 

Im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht die Frage, warum es trotz vieler Ähnlichkeiten und Verbindungen zwischen den beiden Sozialdemokratischen Parteien und ihren Kampfverbänden zu so unterschiedlichen Reaktionen kam, als die bürgerliche Rechte tatsächlich begann, die parlamentarische Demokratie zu zerstören.

 

Bei meinen Recherchen fiel mir auf, dass das Reichsbanner sowohl in der umfassenden Literatur zur allgemeinen Geschichte der Weimarer Republik, als auch in den zahlreichen Arbeiten zur Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) im speziellen, nur sehr wenig Beachtung gefunden hat. Deshalb finde ich es interessant zu untersuchen, welche Rolle das Reichsbanner bei der Verteidigung der parlamentarischen Demokratie spielte. Um einer Antwort auf diese Frage näher zu kommen, werde ich in meiner Arbeit das Reichsbanner mit dem Schutzbund vergleichen.[2] In den Kapiteln über den Aufbau, die Struktur und die Entwicklung beider Kampfverbände beschreibe ich zunächst deskriptiv die politischen Rahmenbedingungen und erläutere die Charakteristika des Reichsbanners und des Schutzbundes. Im anschließenden analytischen Teil meiner Arbeit werde ich im Rahmen der historischen Abläufe zwischen 1932 und 1934 und anhand des gemachten Vergleichs die Ergebnisse formulieren, um abschließend die Frage zu beantworten, weshalb das Reichsbanner, im Unterschied zum Schutzbund keinen militärischen Widerstand leistete.

 

Versucht man sich dieser Fragestellung zu nähern, so wird man mit einer umfangreichen Literatur konfrontiert. Sich mit der Geschichte der Weimarer Republik bzw. der I. Republik Österreichs zu beschäftigen, bedeutet mit Sicherheit nicht, sich auf unbetretenen Pfaden zu bewegen.[3]

 

Das Scheitern der Weimarer Republik ist auch nach über siebzig Jahren unzweifelhaft eines der am intensivsten behandelten Themen in der deutschen Geschichtsschreibung. Nach wie vor gilt dabei Karl Dietrich Erdmanns Diktum aus dem Jahre 1955, nach dem alle Forschung über die Weimarer Republik, mehr oder weniger zwangsläufig unter der Frage nach ihrem Zusammenbruch stehe.[4] Die frühesten Auseinandersetzungen mit diesem Thema, namentlich von selbst Betroffenen und Mitwirkenden dieser Zeit, sind gekennzeichnet von dem Versuch, eigene Schuld oder Versäumnisse zu relativieren und dem jeweiligen politischen Gegner oder außenpolitischen Einflüssen die Hauptverantwortung aufzuerlegen.[5] Allerdings wurden vereinzelt auch eigene Fehler eingestanden wie z.B. bei Otto Bauer[6] oder die eigene Partei massiv kritisiert, wie z.B. von Julius Leber.[7]

 

Erst zehn Jahre nach Kriegsende erschien die umfassende Arbeit Karl Dietrich Brachers über „Die Auflösung der Weimarer Republik“, in der er ein weitgefächertes Ursachenbündel für das Scheitern der Demokratie verantwortlich machte.[8] Von den von ihm ausgemachten Strukturproblemen erwies sich der Übergang von den parlamentarischen zu den präsidialen Reichskabinetten im Jahre 1930 als besonders kontrovers und fruchtbringend. Namentlich Werner Conze widersprach Bracher in seiner Auffassung, die Präsidialkabinette seit 1930 seien schon als Vorgeschichte zum Dritten Reich zu werten, sondern vielmehr eine Chance zur Rettung der Republik, welche jedoch durch verschiedene Einflüsse keine Wirkungsmacht erlangten.[9] Zu den wichtigsten Folgen dieser Bracher/Conze-Kontroverse gehört das 1960 von Erich Matthias und Rudolf Morsey herausgegebene Sammelwerk „Das Ende der Parteien 1933“, welches seitdem neben dem Werk Brachers zu den Standartarbeiten zur Weimarer Republik gehört.[10]

 

Obwohl es bis jetzt keine umfassende Aufarbeitung zur Geschichte der Verbände und Parteien  gibt,  erschienen in den folgenden Jahren eine Vielzahl hochspezialisierter Detailstudien zu diesem Themenbereich.

 

Geleitet von der Frage wer oder was für das Scheitern der Republik und den Sieg des Nationalsozialismus die Verantwortung trägt, wurden neben den Parteien auch einzelne Zeiträume und gesellschaftliche wie politische Akteure und Institutionen der Weimarer Republik näher untersucht. Dabei ist festzustellen, dass der jeweilig behandelte Zeitraum bzw. Themenkomplex eng mit der aktuellen Standortgebundenheit der Historiker zusammenhängt.[11] Mit der Zeit bildeten sich zwei konkurrierende Deutungsmuster heraus. Während einige Historiker die Rolle der Institutionen (wie die des Reichspräsidenten) oder der politischen Machteliten (wie Bürokratie, Justiz, Militär und Wirtschaft) in den Vordergrund stellen[12], argumentieren die Verfechter der „Selbstpreisgabe“ Weimars, die Republikaner hätten die politische Macht leichtfertig aus ihren Händen gegeben.[13]

 

Dabei rückte die organisierte Arbeiterschaft bei vielen Historikern ins Zentrum des Interesses. War sie doch zunächst als Geburtshelfer der größte Aktivposten auf Seiten der Republik und des weiteren durch ihre parteipolitische Tätigkeit und schiere Größe sicherlich befähigt die Institutionen in ihrem Sinne zu beeinflussen.

 

So findet sich für keine andere Partei eine so große Auswahl an Literatur, zumal seit dem Erscheinen von Heinrich August Winklers drei Bände umfassenden Geschichte der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik eine äußerst materialreiche Überblicksdarstellung vorliegt.[14]

 

Daher konnte ich für meine Arbeit auf eine, im Vergleich zu anderen politischen Parteien und Bewegungen, breite Basis an Literatur zurückgreifen. Betrachtet man diese Literatur gerade für das Deutsche Reich genauer, so fällt auf, dass sie sich in zwei Erklärungsmuster teilt. Die eine Richtung, von Bracher bis Hans Mommsen sieht den Grund des Scheiterns darin, dass die Sozialdemokratie den Weg zur Volkspartei nicht konsequent zu Ende gegangen ist und sich mit einem in ihren Augen überholten marxistischen Erbe selbst schwächte. Die andere Seite, z.B. repräsentiert durch Georg Fülberth und Jürgen Harrer[15], sah in eben jenem reformorientierten Weg den entscheidenden Fehler und hielt den Verzicht zu weitgehenden sozialistischen Weichenstellungen gerade zu Beginn der Weimarer Republik als den Anfang vom Ende. Auch wenn diese Zweiteilung in die strategischen Erklärungsmuster „Reform“ oder „Revolution“ natürlich stark vereinfacht ist, so ist sie dennoch deutlich erkennbar.[16]

 

Beide sozialdemokratischen Parteien akzeptierten die bürgerliche Demokratie als Basis ihrer Politik. Sie bildeten zur Verteidigung dieser Grundlage sogar eigene Wehrverbände, von denen der Schutzbund in Österreich den Charakter einer paramilitärischen Parteiarmee hatte. Dabei war es schon erstaunlich genug, dass sich beide Parteien überhaupt Kampfverbände schufen, obwohl eine gewisse Distanz gegenüber dem Militarismus ein entscheidender Faktor in der sozialdemokratischen Tradition war und ist.

 

Mit einer Gegenüberstellung der Organisation des Reichsbanners einerseits und seinem österreichischen Pendant, dem Schutzbund, andererseits, möchte ich, anhand der für die Sozialdemokratie eher untypischen Organisationsform „Kampfverband“, darstellen, welche Rolle beide Verbände bei der Verteidigung der Demokratie spielten.[17] Bei meiner Untersuchung von Vorteil war, dass sich die Literaturbasis über die österreichische Sozialdemokratie als ebenso günstig darstellte wie für die SPD im Reich, wenn man von einigen Einschränkungen absieht. Zunächst war es mir im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, wegen  der räumlichen Entfernung eine intensive Archivrecherche zu betreiben und zum anderen setzte die Erschließung der Quellen zur I. Republik in Österreich, im Vergleich zur Bundesrepublik, relativ spät ein. Die meisten Archive wurden erst in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts der Öffentlichkeit und damit auch der Bearbeitung durch Historiker zugänglich gemacht.[18]

 

Im Allgemeinen lassen sich bei der Beurteilung der Politik der Parteien in der I. Republik Österreichs, insbesondere die der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei...

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