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E-Book

Glückliche Kinder

Was sie stark und gesund macht

AutorWerner Bartens
VerlagVerlagsgruppe Droemer Knaur
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl336 Seiten
ISBN9783426421444
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Dr. med. Werner Bartens, renommierter Wissenschaftsjournalist der 'Süddeutschen Zeitung', ist selbst fünffacher Vater und kennt die Unsicherheiten, mit denen sich besorgte Eltern unter Druck setzen. Und gerade dadurch verhalten sich viele falsch. Werner Bartens gibt einen leichtverständlichen Überblick über neueste Forschungsergebnisse aus unterschiedlichen Disziplinen. Er trägt zusammen, was Kinder zu starken, an Körper, Seele und Geist gesunden Menschen heranreifen lässt, die in der Lage sind, jahrzehntelang den Stürmen des Lebens zu trotzen. Robustheit gegenüber Stress, psychischen und körperlichen Erkrankungen, eine optimistische Grundeinstellung und Lebensfreude wurzeln sehr oft in einer glücklichen Kindheit. Nach den Bestsellern »Körperglück« und »Glücksmedizin« wendet sich Werner Bartens den »Glücklichen Kindern« und ihren Eltern zu.

Dr. med. Werner Bartens, geboren 1966, hat Medizin, Geschichte und Germanistik studiert. Der leitende Redakteur der 'Süddeutschen Zeitung' wurde u.a. als 'Wissenschaftsjournalist des Jahres' ausgezeichnet. Er hat als Arzt und in der Forschung gearbeitet und ist Autor u.a. von Bestsellern wie 'Was Paare zusammenhält' und 'Körperglück'. https://www.youtube.com/channel/UCL7pQAF4Mek16CrpNEwF-ag

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Leseprobe

I. Bindung, Nähe, Selbstvertrauen


Kindern Kraft fürs Leben geben


Leben kann Last oder Lust sein. Doch wieso empfindet der eine Mensch im Alltag hauptsächlich Spaß und Freude, der andere Frust und Ärger? Liegt es allein am subjektiven Blick auf die Welt – ob das sprichwörtliche Glas als halb voll oder halb leer wahrgenommen wird? Und weshalb wirken manche Menschen permanent angestrengt und besonders anfällig für Stress? Andere hingegen erscheinen robust und widerstandsfähig – und bleiben das selbst bei den stärksten Belastungen. Einer fühlt sich stets überfordert im Beruf, vom Partner unter Druck gesetzt, und sogar die Freizeitgestaltung strengt ihn an. Er bekommt Magengeschwüre, Tinnitus, Herzrhythmusstörungen und leidet ständig unter grippalen Infekten. Ein anderer bleibt hingegen auch in größter Terminnot gelassen, kümmert sich hingebungsvoll um seine Freunde und die Familie und geht nebenbei noch aufwendigen Hobbys nach.

Stress kennt zwar jeder – aber der Umgang damit gelingt auf sehr unterschiedliche Weise: Die einen scheint Stress eher anzuspornen, die anderen hingegen zu zermürben und auf Dauer sogar krank zu machen. Forscher interessieren sich erst in jüngster Zeit intensiver für dieses Phänomen. Als Resilienz bezeichnen sie jene Fähigkeit, mit den Widrigkeiten des Lebens gut zurechtzukommen und körperlich wie psychisch robust zu bleiben. Wie das gelingen kann, dafür gibt es viele Erklärungen. »Frühe Erfahrungen legen den Grund für die neuronalen und hormonellen Reaktionen des Körpers auf Belastungen – und zwar ein Leben lang«, sagt Michael Meaney, Neurobiologe an der McGill University im kanadischen Montreal. Auf die Frage, ob der Mensch stärker durch die Natur, das heißt hauptsächlich durch die Gene, geprägt wird oder durch die Umwelt – damit sind Sozialisations- und Umgebungserfahrungen im Familien und Bekanntenkreis gemeint –, antwortet er mit einer klugen Gegenfrage: »Kann man sagen, was stärker zu einem Rechteck beiträgt, die Längs- oder die Breitseite?«

Der Zauber der Berührung


»Babys zeigen mit ihrem Verhalten ja, was sie wollen. Es ist alles direkt da, so offensichtlich, so deutlich.«
Thomas Berry Brazelton, Kinderarzt aus Harvard

Am Anfang ist es nur ein etwa sieben Pfund schweres Wesen. Neun Monate wächst es im Dunkeln heran und kann in dieser Zeit weder hören noch sehen. So dachte die Mehrzahl der Mediziner noch vor 50 Jahren über Neugeborene. Mittlerweile weiß die Forschung, dass Föten während der Schwangerschaft nicht nur sehen und hören können, sondern auch viele andere Hirnleistungen vollbringen. Zwischen 100000 und 250000 Nervenzellen werden in manchen Schwangerschaftswochen pro Minute im Gehirn des Ungeborenen gebildet. »Dass schon der Fötus lernt, steht außer Frage«, sagt der Neurobiologe Niels Birbaumer von der Universität Tübingen. »Der Fötus träumt, wenn er schläft, und er reagiert auf äußere Reize und emotionale Einflüsse.«

Besonders wichtige Stimulationen für die Entwicklung eines Kindes sind freundliche Berührungen. Zuwendung und körperliche Nähe können gar nicht früh genug beginnen. Die Kinderpsychiaterin Heidelise Als aus Boston hat in etlichen Studien gezeigt, dass Frühgeborene sich besser entwickeln, schneller wachsen, weniger Hirnschäden bekommen, sich ihre Lungen und Herzen rascher kräftigen und sie früher entlassen werden können, wenn sie viel Wärme und Zuwendung erfahren.[2]

Dieses Phänomen lässt sich inzwischen auch neurobiologisch erklären, denn durch die sensuellen Impulse – das heißt, wenn die Kinder immer wieder gestreichelt und berührt werden – reift ihr Gehirn schneller, und die schützenden Markscheiden um die Nervenbahnen bilden sich dann früher. Das fördert die Vernetzung und Entwicklung und wirkt sich günstig auf alle Organsysteme aus.

Anfangs ist das Programm von Heidelise Als, die Pflege Frühgeborener individueller zu gestalten, auf viel Widerstand bei Schwestern und Ärzten gestoßen – die professionellen Heiler und Helfer fühlten sich offenbar davon in ihrem Tagesablauf gestört. Eltern, die Nähe und individuellen Umgang wollen, gelten im Krankenhaus ja traditionell als schwierig. »Vielen Schwestern wurden Nähe, Pflege und Wärme abtrainiert«, sagt Als. »Dabei sind die liebevolle Zuwendung und Pflege der Weg zur Heilung und nicht die Maschine.«

Inzwischen werden immerhin in vielen Kliniken die Intensivstationen für Frühgeborene anders gestaltet, und so gibt es beispielsweise mehr Platz zwischen den Inkubatoren, damit Mütter und Väter die Babys streicheln können. »Die Hände der Eltern sind wichtiger als jede Kuscheldecke«, so Als. »Jeder hat schließlich nur ein Gehirn im Leben. Es verdient es, dass man sich darum kümmert.«

Da der Tastsinn der erste Sinn ist, der sich beim Menschen entwickelt, kann er auch schon früh stimuliert werden. »Das Neugeborene macht bereits vielfältige haptische Erfahrungen«, sagt Maria Hernandez-Reif von der University of Alabama. Sie hat am Touch-Forschungsinstitut in Miami beobachtet, dass sich ein zu früh geborenes Zwillingspaar zunächst schlecht entwickelte, als es getrennt behandelt wurde. Nachdem die beiden zusammengelegt wurden, schlangen sie die Arme umeinander und erholten sich schneller.[3]

»Berührung ist die erste Sprache«, so Hernandez-Reif. »Verstehen kommt erst viel später als fühlen.« Das kennen schließlich auch Erwachsene. Manchmal hilft es viel mehr als jedes Wort, einfach nur fest in den Arm genommen zu werden. Bei Säuglingen kräftigt regelmäßige Berührung sogar die Knochen, beschleunigt die Entwicklung – zudem sind die Mütter dann weniger unruhig und depressiv, während Väter auf diese Weise mehr Nähe entwickeln.

Bindungsforscher erkennen immer deutlicher, dass auch die kognitive Entwicklung bei Kindern viel früher beginnt, als bisher angenommen – und durch Zuwendung und liebevolle Berührung stimuliert werden kann. Gisa Aschersleben von der Universität Saarbrücken hat 56 Mutter-Kind-Paare untersucht: »Kinder können schon im Alter von sechs Monaten einfache Handlungen als zielgerichtet verstehen.«[4] Die Untersuchung der Babys im Alter von zehn Monaten hat ergeben, dass die Kinder sensitiver Mütter einfache Zusammenhänge – etwa ob schwere oder leichte Kugeln weiter rollen – besser verstehen als Kinder, deren Mütter eher abweisend waren und ihre Kleinen seltener berührten.[5] »Zudem entwickeln sich Sprache, Ausdauer und soziale Kompetenz besser, wenn Kinder sich sicher gebunden fühlen.«

Auch das Verständnis dafür, dass Handlungen emotional sind, ist bei Kindern offenbar schon früh vorhanden. »Ein mentales Bewusstsein gibt es seit der Geburt«, hat Maria Legerstee von der York University in Toronto herausgefunden. »Es wird durch Zuneigung verstärkt, und es ist besonders die mütterliche Sensibilität, die Kinder sozial und emotional macht.«[6] Die Befunde anderer Forscher, etwa zur Entwicklung eines eigenen Selbstverständnisses, deuten ebenfalls darauf hin, dass Kinder schon viel früher wichtige Entwicklungsschritte vollziehen, als bisher Lehrmeinung war. »Im Vorschulalter sind die Förderprogramme schon zu spät dran«, sagt Mechthild Papousek von der Ludwig-Maximilians-Universität in München. »In breiten Kreisen verstummt und verarmt die Kommunikation in den Familien, da muss man schon früher etwas tun.«

Damit die Bindung zwischen Eltern und Kindern von Anfang an gestärkt wird, hat Karl Heinz Brisch in München das Programm SAFE (Sichere Ausbildung für Eltern) initiiert, das es längst auch in anderen Städten gibt.[7] Eltern können in den Wochen vor und nach der Geburt ihre Ängste verstehen lernen und einen feinfühligen Umgang mit dem Baby einüben. »Kinder triggern manchmal traumatische Erfahrungen der Eltern und holen deren eigene Geister aus dem Kinderzimmer hervor«, so Brisch. Darauf sollte man vorbereitet sein. Eine liebevolle Beziehung zum eigenen Kind kann schließlich gar nicht früh genug beginnen.

Frühe Nähe macht robust und stark


Eine frühe, enge und warmherzige Bindung kann dauerhaft psychische Stabilität verleihen. Nicht nur für die nächsten Tage, Wochen und Monate, sondern ein ganzes Leben lang. Kinder, die im achten Lebensmonat besonders fürsorglich von ihrer Mutter behandelt wurden, profitierten in einer großen Untersuchung noch 30 Jahre später davon und blieben zeitlebens weniger anfällig für Stress.[8] Ein Forscherteam um die amerikanische Sozialepidemiologin Joanna Maselko von der Duke University hat dies eindrucksvoll beschrieben. Die Wissenschaftler bewerteten die Bindung zwischen 482 Müttern und ihren Kleinkindern während eines umfangreichen Entwicklungstests. Drei Jahrzehnte später wurde die emotionale Stabilität der mittlerweile Erwachsenen erneut beurteilt. Wer als Kleinkind besonders liebevoll von seiner Mutter betreut worden war, klagte im mittleren Alter über weniger Ängste, war seltener feindselig und aggressiv gestimmt und konnte auch besser mit Belastungen umgehen. »Biologische Erinnerungen setzen sich schon früh fest und können später im Erwachsenenalter verletzlich oder eben auch widerstandsfähig gegenüber Problemen machen«, sagt Maselko. In einer anderen Untersuchung hatte ihre Arbeitsgruppe...

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