„Ältestes Baudenkmal des Samlandes
-Wallfahrtsort zur Madonna auf der Mondsichel“
Die Grundsteinlegung des im westlichen Vorort Juditten gelegenen Gotteshauses erfolgte 1255. Die Wallfahrtskirche gilt als das älteste Baudenkmal des Samlandes.
Der eigentliche Bau erfolgte – nicht ganz gesichert – ab 1288 bis in den Anfang des 14. Jahrhunderts hinein, zunächst als Wehrkirche, obschon sie gerade um 1300 ein beliebter Wallfahrtsort war. Jedenfalls gehörte die Kirche zu den ältesten Baudenkmälern des Samlands.
Die Juditter Kirche, Ansicht von 1898
Quelle: Foto aus „Walter Dignath/Herbert Ziesmann, Die Kirchen im Samland“ entnommen.
Quelle: Abbildung aus Adolf Boetticher, Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Ostpreussen, H. 1, Das Samland, 2. durchgesehene und erw. Aufl., Königsberg
Im Rautenberg-Stadtplan von 1931 wird die Kirche als „Kapelle“ aufgeführt. Im Gisevius-Plan von 1928 und im Pharus-Plan von 1934 wird sie überhaupt nicht erwähnt.
Überliefert sind die Baujahre von 1276 bis 1294, auch 1298. Wie üblich wurde mit dem Chor begonnen. Das Hauptmaterial bestand aus Granit, die Ecken aus Backstein. Die Mauern waren sehr stark und enthielten keine Strebepfeiler. Charakteristisch waren die gerippten Dreieckskappen. Der Chor war ursprünglich flach gedeckt und erhielt sein Steingewölbe 1330 - 1340. Das auffallend niedrige Kirchenschiff wurde 1430 angefügt, mit ebenfalls starken Mauern und ohne Strebepfeiler. Zunächst war eine flache Eindeckung vorhanden. Die Einwölbung erfolgte nach der Mitte des 14. Jhs. Den gotischen Westgiebel zierten Blenden, die auf das Feldsteinmauerwerk aufgesetzt wurden.
Detail der Fresken, (27. v. 42),
Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Farbdiaarchiv, Aufnahme Rudolf Schulze-Marburg, 1943/44
Nebenstehend der voll-ständige Blick auf den Blend-bogen.
Innenansicht vor 1945, Quelle: Alte Postkarte, Archiv
Jüngstes Gericht (38. von 42)
(24. von 42) (30. von 42)
Quelle: 3 x, Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Farbdiaarchiv, Aufnahme Rudolf Schulze-Marburg, 1943/44
Über den Eindruck, den das Innere des Kirchenschiffes auf den Besucher gemacht hatte, berichtet Helga Kutz-Bauer (Beschreibung einer Trauerfeier im Jahre 1815) in ihrem Buch „Königsberger Schnittmuster“: Carine saß „wie benommen in der Juditter Kirche, sah die die Feldsteinwände der alten Wehrkirche nachdenklich an: „Wie lange schon sind die gestorben, die diese Steine behauen haben und aufeinander fügten, wer erinnert sich wohl ihrer, wer erinnert sich meiner …?“. Und an einer weiteren Stelle schreibt H. Kutz-Bauer: „Hier hatte sie das Gefühl der Geborgenheit, es war ein breites, niedriges Gewölbe mit schön geschwungenen Bögen, man spürte, diese Gebäude stand seit Jahrhunderten und würde noch Jahrhunderte überdauern.“
Der Turm stand ursprünglich allein und hatte - aus Gründen der Schutzfindung im Kriegsfalle - keine ebenerdig beginnende Treppe. Eine enge Steintreppe führte aus dem Langhaus in dessen Stirnrand nach oben. Erst spät wurde Turm und Kirchenschiff verbunden. Die backsteinerne Turmbasis stammt aus dem Ende des 14. Jahrhundert.
Die tonnengewölbte Quervorhalle zwischen Turm und Schiff entstand 1820 aus einer um 1470 errichteten Familiengruft von Roeder. In der Gruft befanden sich auch die sterblichen Überreste des alten Feldmarschalls Johann von Lehwaldt, der die Schlacht von Groß Jägersdorf geleitet und verloren hatte. Die Sakristei befindet sich im Norden und wurde im 15. Jh. angebaut (vgl. S. 15).
Die Kirche 1943,
Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Farbdiaarchiv, Aufnahme Rudolf Schulze-Marburg, 1943/44
Der Oberbau war ursprünglich Fachwerk, wurde aber Ende des 16. Jahrhunderts verändert.
Insbesondere vor der Reformation in der Zeit des Hochmeisters Konrad von Jungingen war Juditten ein beliebter Wallfahrtsort zur Madonna auf der Mondsichel, aber auch noch danach bis ins 18. Jh. hinein. Dieser Wunderglaube wurde dadurch beflügelt, dass der Orden 1454 ein Heiligenbild „Muttergottes auf dem Halbmond“ stiftete.
Mondsichelmadonna,
Quelle: H. M. Mühlpfordt, Königsberger Skulpturen
Mühlpfordt schreibt dazu: „Überlebensgroße Maria mit Kind, die auf einen dichtverhüllten, in der Mondsichel liegenden weiblichen Kopf tritt. Unter der Mondsichel eine Konsole mit Engelsköpfchen. Das Bildwerk, dessen Rückseite unbearbeitet ist, stand rechts vom Altar auf dem Fußboden des Chores, mit starken Eisenstiften vor dem Umfallen bewahrt. Zuletzt kam es ins Schloßmuseum. Holz, bunt, aus der Zeit Konrads von Jungingen (1395 – 1407 /Boetticher, 1485 /Ulbrich, um 1515 Dehio).
Nebenstehend: Mondsichelmadonna im Chor der alten Königsberger Schloßkapelle
„Unsrer libem frawen Bilde Am Pfeiler“,
Quelle: Zentralinstitut für Kunstgeschichte, Farbdiaarchiv, Aufnahme Rudolf Schulze-Marburg, 1943/44
1963 hat Friedrich Lahrs im Ostpreußenblatt nachgewiesen, daß die Statue identisch war mit „unsrer libem frawen Bilde Am Pfeiler“, die in der alten Königsberger Schloßkapelle in geringer Höhe über dem Fußboden an einem Pfeiler hing. Er stützt diese geistvolle These auf Rechnungsbücher des Ordens aus den Jahren 1504/05, laut denen die Madonna am Pfeiler renoviert wurde, wobei sie die Perlen ihrer Krone zurück erhielt, die ihr während des Sturmes auf das Schloß beim Aufstand 1454 lt. Kaspar Hennebergers „Erclerung der preussischen grössern Landtaffel oder Wappen“ geraubt worden waren. In der Reformation wurde sie dann der einstmals vielbesuchten Wallfahrtskirche Juditten übergeben, was umso mehr den Tatsachen entsprechen dürfte, weil andere Nachrichten über die Herkunft in Juditten fehlen. Dies Hypothese Lahrs hätte allerdings zur Voraussetzung, daß das Bildwerk vor 1454 geschaffen sein müßte und tatsächlich aus der Zeit Konrads von Jungingen, wie Boetticher wissen will, oder von einem seiner nächsten Nachfolger stammt. Die Muttergottes auf dem Halbmond ist in den Kriegs- und Nachkriegswirren verlustig geworden. 1948 wurde sie aber noch fotografiert.
Die größte Anzahl der bis auf den heutigen Tag erhaltenen Denkmäler schuf der Königsberger Bildhauer der nächsten Generation Stanislaus Cauer (1867-1943). Seit 1907 war er Professor für Bildhauerei an der Königsberger Kunstakademie. Er verstarb während des Krieges und wurde auf dem Friedhof der Juditten-Kirche (heute: Heilige Nikolauskathedrale) beigesetzt. Sein Grab blieb nicht erhalten. Die bekanntesten Werke von Cauer - Schillerdenkmal, "Nach dem Bade" und "Zwei geflügelte weibliche Relieffiguren, Genien mit Kranz und Füllhorn" - schmücken die Stadt bis heute.
Seit der der Reformation wirkten nachstehende Pfarrer an der Kirche:
Johann Cramer, bis 1533,
Johann N. N., bis 1534,
Wenceslaus Jencker, bis 1535,
Paul Cosninck, bis 1554,
Michael Schönwaldt, ab 1570,
Urban Meyer, 1574–1619,
Rüdiger Jacob, 1612–1620,
Joachim Neresius, 1620,
Heinrich Haltermann, ab 1621,
Jacob Stanislai, 1630–1638,
Johann Settegast, 1638–1643,
Christoph Rhode, 1643–1663,
Simon Böhm, 1663–1682,
Christoph Schultz, 1682–1692,
Johann Lemcke, 1692–1697,
Christoph Gottsched, um 1700 - 1715,
Johann Meyer, 1715–1737,
Johann Gottlieb Sier, 1738–1749,
Georg Wilhelm Augar, 1750–1798,
Theodor Stein, 1798–1810,
Dietrich...