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E-Book

Graf Spee's letzte Fahrt

Erinnerungen an das Kreuzergeschwader

AutorHans Pochhammer
Verlagepubli
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl277 Seiten
ISBN9783745034639
Altersgruppe18 – 99
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,99 EUR
Das ostasiatische Kreuzergeschwader unter dem Kommando des Grafen Spee. Fesselnd wird die letzte Fahrt des ostasiatischen Kreuzergeschwaders geschildert. Der Autor gewährt tiefe Einblicke in das Geschehen beginnend mit dem friedlichen Auslandseinsatz bis hin zu den erfolgreichen Seegefechten bei Coronel und den Falkland-Inseln. Feindliche Übermacht besiegelte schließlich das Schicksal des Geschwaders.

Deutscher Fregattenkapitän der kaiserlichen Marine und früherem Ersten Offizier der S.M.S. 'Gneisenau'.

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Leseprobe

I. In Tsingtau


Der Ablösungsdampfer. Mannschaftswechsel. Übungen. Besuch des englischen Panzerkreuzers „Minotaur“. Unsere Kolonie Tsingtau. Das Kreuzergeschwader von 1914. Die Südseereise.

Ende Mai, Anfang Juni des Jahres 1914 prangte unsere ferne Siedelung Tsingtau im frischen Grün des kommenden Sommers. Der blaue, fast wolkenlose Himmel, die klare, durchsichtige Luft ließen sich die lieblichen Hügel mit den rotgedeckten Häusern, die scharfen Zacken der chinesischen Gebirge, die Bucht und das Meer zu einer herrlichen Landschaft zusammenschließen. Auf den Dampfern im Hafen rasselten die Winden unaufhörlich Tag und Nacht. Waren kamen und gingen, Chinesenkarren quietschten hochbeladen auf dem Wege zur Stadt, ringsum herrschte lautes geschäftiges Treiben.

Auch auf den Schiffen des Ostasiatischen Kreuzergeschwaders, denen Tsingtau als Stützpunkt diente, wurde lebhaft gearbeitet; denn der jährlich sich wiederholende Wechsel der halben Besatzungen stand unmittelbar bevor. Wo man hinsah, wurden Koffer gepackt, Kisten verlötet und zugenagelt, Bündel geschnürt; überall wurde Abschied gefeiert. Ehe die Heimkehrenden von Bord gingen, wurden sie ermahnt, auch weiterhin ihrem alten Schiffe Ehre zu machen. Sie mußten noch für einige Tage in Baracken an Land untergebracht werden, damit die Wohnräume für die Nachfolger instand gesetzt werden konnten. Dann kam der große Tag, der dem Leben da draußen immer einen Ruck vorwärts gab: Am 2. Juni lief der Ablösungsdampfer ein, diesmal die „Patricia“, mit etwa 1600 Köpfen an Bord. Von allen Seiten mit Hurra begrüßt, machte sie im Hafen fest. Nach wenigen Stunden stand die für „Gneisenau“ bestimmte Mannschaft mit ihren Kleidersäcken auf der Kohlenmole vor dem Schiffe angetreten, das ihr nun für zwei Jahre Heimat und Vaterhaus sein sollte; sah neugierig an dem grauen Rumpfe entlang und empor zu beiden Masten und den vier Schornsteinen, die aus solcher Nähe groß genug erscheinen mochten. Die Namen wurden aufgerufen, und jeder Mann erhielt eine kleine Papptafel ausgehändigt, auf der seine Schiffsnummer, sein Platz im Gefecht, im Boot, bei Reinschiff und allen Manövern verzeichnet war, wie auch die Division, zu der er jetzt gehörte. Die Vorgesetzten nahmen die ihnen zugewiesenen Leute in Empfang, ließen das mitgebrachte Eigentum in den Spinden verstauen, vorn in den Wohndecks der Mannschaft, und zeigten den Ankömmlingen, wo abends die Hängematten aufzuhängen seien, wo man das Essen holte, an welcher Back, welchem Tisch man es einnähme, und sorgten dafür, daß sie sich in der fremdartigen Umgebung bald heimisch fühlten. Die aus Deutschland eingetroffenen Offiziere und Deckoffiziere fanden sich schnell in ihrem Wirkungskreis zurecht, und der neue Kommandant S. M. S. „Gneisenau“, Kapitän z. See Maerker, übernahm von seinem Vorgänger, Kapitän z. See Brüninghaus, die Führung des Schiffes.

Endlose Mengen von Kisten und Ballen wurden in den nächsten Tagen zu uns cm Bord geschleppt, denn auch Vorräte für das vor uns liegende Übungsjahr waren herausgeschickt worden. Am Morgen des 9. Juni waren die Lösch- und Ladearbeiten beendet, und die abgelösten Offiziere und Mannschaften wurden auf der „Patricia“ eingeschifft. Als die Zeit der Abfahrt nahte, säumten sie die dem Lande zu liegende Steuerbordseite des Dampfers, standen dichtgedrängt auf den Promenadendecks und den, Bootsdeck und füllten die Wanten bis hoch zur Saling hinauf, während sich unten auf der Mole die Menge von den Schiffen und aus der Kolonie sammelte, um Kameraden und Freunden noch ein „Lebewohl!“ zuzurufen. Lange Heimatwimpel wehten von den Masten, ein jeder in blauer Schrift den Namen des Schiffes tragend, dessen nun scheidender Besatzungsteil ihn sich gefertigt hatte. Musik spielte hüben wie drüben und gab der fröhlich-ernsten Scheidestunde Wucht und Heimatstimmung. Um elf Uhr vormittags wurden an Bord die Leinen losgeworfen. Die Schlepper zogen an. Drei tiefe Töne des Dampfheulers forderten freie Bahn für die Ausfahrt. Während das riesige Schiff sich rückwärts langsam in Bewegung setzte, um weiterhin im geräumigen Hafen zu drehen, wechselten Heimkehrende und Zurückbleibende, die Mützen schwenkend, brausende Hurras, und „Holdrio, jetzt geht's zur Heimat!“, das unvermeidliche Abschiedslied der letzten Wochen, erklang noch einmal zwischen Schiff und Land, zum letztenmal für ein Jahr — bis auch die anderen drankämen zur Fahrt ins Vaterland. —

Es galt nun, die neue Mannschaft mit der alten möglichst schnell zu verschmelzen, so daß die Bedienung des Schiffes in allen Teilen sichergestellt war. Zunächst mußten die Leute die „Gneisenau“ genauer kennenlernen. Daß unser Panzerkreuzer, wie sein Schwesterschiff, die „Scharnhorst“, 11 600 t Wasser verdrängte, 144 m lang und fast 22 m breit war, und daß er 7/5 m tief ging, hatten sie schon auf dem Ablösungsdampfer erfahren, denn die lange Ausreise war mit Unterricht nützlich ausgefüllt worden. Auch die Bewaffnung wußten sie anzugeben: Die schwere Artillerie bestand aus acht 21-cm Geschützen, von denen vier in je einem Doppelturm vorn auf der Back und hinten auf der Schanze, und vier in Einzelkasematten auf dem Oberdeck im mittleren Teil des Schiffes aufgestellt waren. Hier standen auch in ebensolchen Kasematten, aber eine Treppe tiefer, auf dem Batteriedeck, die sechs 15-cm Geschütze der Mittelartillerie. Alle diese waren, wie auch die Wasserlinie, durch starken Stahlpanzer geschützt. Die leichte Artillerie dagegen, achtzehn 8,8-cm-Geschütze, fand sich über das ganze Schiff verteilt, von dem Wohnraum der seemännischen Unteroffiziere im Vorschiff über die Kommandobrücke und das Aufbaudeck bis hinten zur Kommandantenkajüte. Vier Torpedorohre, je eins im Bug, auf jeder Breitseite und im Heck, vervollständigten unsere Waffen, und drei Schiffsmaschinen, die aus achtzehn, in fünf Heizräumen aufgestellten Kesseln ihren Dampf bekamen, konnten den Schiffen eine Geschwindigkeit von fast 23 Seemeilen in der Stunde geben.

Um Zweck und Lage der Räume und ihrer Einrichtungen nun auch durch den Augenschein zu erfassen? wurden die neuen Leute täglich in Gruppen durch das Schiff geführt und nach allen Richtungen in ihren neuen Pflichten unterwiesen. Dann folgten Übungen im Feuerlösch- und Verschlußdienst, auf den Gefechtsstationen, in den Booten. Nebenher gingen Instandsetzungsarbeiten am Schiffskörper und den Maschinen, Die neuen Vorräte wurden in Lasten und Hellegatts verstaut oder, soweit man sie erst später brauchen wollte, in Lagerschuppen an Land: der Platz ist ja an Bord ein bißchen beschränkt. Sobald wie möglich gingen die Schiffe zu kleineren Fahrten in See. Torpedo- und Artillerieschießübungen, Bootsmanöver, Rollenexerzieren, Landungsdienst wechselten ab, und in anregendem Eifer spielten Vorgesetzte und Untergebene sich schnell miteinander ein.

Mitten in diese erste Ausbildungszeit fiel der Besuch des englischen Panzerkreuzers „Minotaur“, mit dem Geschwaderchef Vizeadmiral Jerram an Bord. Was der gerade jetzt bei uns wollte, wo er eigentlich wissen konnte, daß es uns schlecht paßte, so kurz nach dem Mannschaftswechsel, haben wir damals viel besprochen. Und im Lichte späterer Ereignisse glaube ich: wir gingen nicht fehl in der Annahme, daß er sich unsere Kriegsbereitschaft zu dieser Zeit ein bißchen ansehen wollte. Aber es war ja alles so friedlich in der Welt! Ein englisches Geschwader lag zu Besuch in Kiel, und dort wie hier freute man sich wohl, die Berufsgenossen begrüßen zu können, hatten wir doch alle in englischen Häfen viel Gastfreundschaft genossen. Im Sommer 1905 hatte ich mit dem Torpedoboot „D 6“ die Kaiserliche Jacht „Meteor“ nach Southampton gebracht, einige Tage dort gelegen und auch dem Einlaufen der französischen Verbrüderungsflotte zugesehen. Ein englischer Seeoffizier, den ich damals kennenlernte und dem diese plötzliche Freundschaft mit dem Erbfeinde nicht recht gefallen wollte, meinte halb scherzend, man sollte doch die Verständigung der Völker einmal ganz uns Seeleuten überlassen. Von jeder Nation sechs Schiffe, die sich zusammen in eine stille Bucht legten, die würden die strittigen Fragen schon regeln, so daß alle Teile dauernd zufrieden sein könnten. Ganz unrecht hatte er vielleicht nicht, denn das gemeinsame Element schafft zwischen Seefahrern ein Band, das nicht nur bei schönem Wetter hält, und Hilfe in Bedrängnis und Gefahr bis zum Einsatz des eigenen Lebens ist keine Seltenheit auf dem Wasser, gleichgültig, welche Landesflagge über dem Notsignal weht. Und wo Seestreitkräfte verschiedener Nationen gegen gemeinsame Widersacher zusammenwirken mußten, ist schnelle Verständigung über das Wo? und Wie? wohl die Regel gewesen. Gerade die beiden Ostasiatischen Geschwader, das englische und das deutsche, haben das wiederholt bewiesen, am schlagendsten in der Seymour-Expedition 1900 gegen Peking. So bestanden auch zu meiner Zeit freundschaftliche Beziehungen zwischen beiden. Waren wir nahe beieinander, so beglückwünschten wir uns durch Funkspruch zum neuen Jahr. Die deutschen Kanonenboote und Kleinen Kreuzer lagen viel mit englischen Schiffen zusammen, und die Großen Kreuzer pflegten nicht nach dem Süden zu gehen, ohne in Hongkong vorzusprechen, dem starken britischen Stützpunkte in China. Was wir daher auch über den jetzigen Besuch der „Minotaur“ denken mochten, es war klar, daß sie gut auf- genommen werden mufzte. Deshalb befahl unser Geschwaderchef, Vizeadmiral Graf von Spee, „Scharnhorst“ und „Gneisenau“ sollten zum Empfang an der Hafenmole liegen, wo für das englische Flaggschiff ein Platz freigehalten wurde. Am 12. Juni um 10 Uhr vormittags lief die „Minotaur“ ein....

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