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E-Book

Grundbegriffe Ganztagsbildung

Das Handbuch

VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl957 Seiten
ISBN9783531911618
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis62,99 EUR
Ganztagsbildung ist zu einem Schlüsselbegriff in der gegenwärtigen Bildungsdebatte geworden, der neue Perspektiven auf ein umfassendes Bildungsverständnis in der Wissensgesellschaft eröffnet. Er kennzeichnet innovative Kooperationsformen zwischen Schule, Jugendhilfe und anderen soziokulturellen Einrichtungen, mit dem Ziel, allen Kindern und Jugendlichen eine ganzheitliche Erziehung und Bildung zu ermöglichen. Die 'Grundbegriffe' bieten als Handbuch erstmalig einen umfassenden Gesamtüberblick, in dem das Handlungsfeld terminologisch geklärt und systematisch erörtert wird. In ihrer bildungstheoretischen Fundierung und empirischen Verankerung werden Entwicklungen der Ganztagsbildung mit neuen Strukturen einer Politik des gerechten Aufwachsens verbunden und in bildungs- und sozialpolitischen Forderungen konkretisiert.

PD Dr. Thomas Coelen vertritt z. Zt. eine erziehungswissenschaftliche Professur an der Universität Siegen.
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Hans-Uwe Otto ist Senior Research Professor an der Fakultät für Erziehungswissenschaft an der Universität Bielefeld.

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Leseprobe
"Vereinbarkeit von Familie und Beruf (S. 187-188)

Karin Böllert

Die These, die durch den Begriff „Ganztagsbildung"" transportiert wird, lautet:

„Wenn sich moderne, d. h. gesellschaftliche Bildung überhaupt organisieren lässt, dann nicht durch eine Ausweitung von Schule als Unterricht und auch nicht durch eine angehängte Betreuung, sondern nur durch die Integration von formellem und nicht-formellem Lernen, also vor allem durch eine neue institutionalisierte Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe unter Einbeziehung von Eltern und Familien. (...) Gesellschaftliche Bildung ist keine allgemeine Zurüstung auf eine vielfach beschriebene – und ebenso oft favorisierte – bildungsbürgerliche Grundausstattung, sondern immer auch und insbesondere die Umsetzung zivilgesellschaftlicher Voraussetzungen im Kontext von Lernen, Erziehung und Wissen"" (Otto/Coelen 2004: 8-9).

Die durch den so genannten PISA-Schock in der Bundesrepublik ausgelöste Bildungsdebatte konzentriert sich nun aber weniger auf die Möglichkeiten der Umsetzung eines solchen Verständnisses von Ganztagsbildung, sondern ist eher dadurch charakterisiert, dass im schulischen Bereich – unter Beibehaltung des dreigliedrigen Schulsystems – auf die Schaffung von Ganztagsschulen gezielt wird. Die in der aktuellen Bildungsdebatte stattfindende Auseinandersetzung mit der Bedeutung frühkindlicher Bildungsmöglichkeiten und -erfahrungen führt außerdem zum Ausbau ganztägiger Angebote auch im vorschulischen Bereich, insbesondere im Kontext der Angebote für die unter 3-Jährigen. Beiden Strategien ist gemeinsam, dass somit explizit ganztägige Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche institutionalisiert werden (sollen), implizit aber auch weitere Zielsetzungen folgen. Eine dieser weiteren Zielsetzungen, um die es im Folgenden gehen wird, ist die Ermöglichung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit, womit zusätzlich zum gleichberechtigten Zugang von Frauen zum Erwerbsarbeitsmarkt die Erhöhung des Haushaltseinkommens von Familien und damit wiederum der Abbau familialer Armut angestrebt wird.

1 Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Familie und Beruf im internationalen Vergleich

Ein Blick auf die Beschäftigungsquote von Frauen in Deutschland macht deutlich, dass insbesondere Frauen mit kleineren oder mehreren Kindern erhebliche Schwierigkeiten haben, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Bei Vergleichen der Situation von Familien in unterschiedlichen westeuropäischen Ländern schneidet Deutschland am schlechtesten ab: die Geburtenrate ist hier die niedrigste, das Armutsrisiko für Alleinerziehende und Kinder am zweitgrößten, der Lohnabstand zwischen den Geschlechtern ist am höchsten und die Erwerbschancen von Müttern sind die niedrigsten (vgl. Gerzer-Sass 2006, Rüling 2007, Rüling/Kassner 2007), wohingegen z. B. in Schweden die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wesentlich besser gelingt:1 In Deutschland liegt die Beschäftigungsquote von Frauen ohne betreuungsbedürftige Kinder (unter 15 Jahren) bei 77 %, mit einem Kind bei 70 % und mit zwei oder mehr Kindern bei 56 %. Hingegen lauten die vergleichbaren Zahlen für Schweden: 82 % (ohne Kinder), 81 % (mit einem Kind) und 82 % (mit zwei oder mehr Kindern).

Zwar hat in den letzten Jahren die Intensität der Forschung über die Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zugenommen, dennoch herrscht zwischen der normativen Forderung und den tatsächlich gelebten Verhältnissen eine nicht unerhebliche Grauzone. Fragen danach, wie weit gegenwärtig die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verwirklicht ist, wie die entsprechenden Wünsche und Vorstellungen von Frauen und Männern aussehen, was die gelebte Form für das Wohlbefinden des Einzelnen bedeutet, lassen sich annäherungsweise mit dem DJI-Familiensurvey beantworten (vgl. Bien 2006)."
Inhaltsverzeichnis
Systematisches Verzeichnis5
Inhaltsverzeichnis6
Einleitung13
Zur Grundlegung eines neuen Bildungsverständnisses14
1 Adressaten, Kategorien und Prozesse23
Kinder25
Jugendliche34
Eltern43
Heterogenität53
Soziale Ungleichheit63
Generationsbeziehungen und Generationenverhältnisse71
Gender und Koedukation81
Ethnie und Migration90
Entwicklungsaufgaben99
Bildung, Lernen, Erziehung, Sozialisation108
Informelles Lernen118
Subjekt- und Identitätsbildung127
Bewältigung136
Spiel145
Erwerb sozialer Kompetenzen154
Förderung163
2 Anlässe, Themen und Handlunsgfelder172
Vereinbarkeit von Familie und Beruf174
Demographischer Wandel182
Kompetenzen192
Partizipation200
Devianz und Delinquenz209
Schulaversion und Schulabsentismus219
(Gewalt-)Prävention228
Bewegung und Sport239
Kunst und Kultur249
Ethik und Religion258
Beruf und Arbeit266
Gesundheit275
Nachhaltige Entwicklung285
Pädagogik der Frühen Kindheit295
Übergang Kindergarten – Primarschule305
Spezielle Bildungseinrichtungen315
Schulsozialarbeit324
Politische Jugendbildung333
Übergänge in den Beruf für benachteiligte Jugendliche342
3 Lernwelten, Institutionen und Perspektiven351
Familien353
Peergroups364
Medien(-Kontextualisierung)374
Internet Communities384
Nachhilfeangebote393
Freizeit, Freie Zeit, Muße und Geselligkeit404
Ferieneffekte414
Geschichte der schulbezogenen Jugendhilfe426
Jugendvereins- und -verbandsarbeit436
Offene Kinder- und Jugendarbeit446
Didaktische Konzepte in der Kinder- und Jugendarbeit455
Hilfen zur Erziehung464
Betreuung474
Organisationsentwicklung der schulbezogenen Jugendhilfe483
Geschichte der modernen Ganztagsschule494
Grundschulen in ganztägiger Form504
Didaktische Konzepte von Ganztagsschulen515
Rhythmisierung525
Unterricht534
Mittagsessen und Schulhof543
Hausaufgaben553
Rechtsfragen der Ganztagsschule562
Schulautonomie571
Schulentwicklung579
Kooperation von Bildungsorten589
Organisationsformen ganztägiger Bildungseinrichtungen597
Kooperationsbeziehungen an Ganztagsschulen609
Agenturen für Ganztagsbildung621
Lokale und regionale Netzwerke628
Reformpädagogische Diskurse über die Ganztagsschule639
Zeitstrukturen (vor-)schulischer Bildung in Europa648
Jugendbildungsarbeit in Europa658
Demokratiepädagogik in der Schule668
Demokratiebildung in der Jugendarbeit678
Architektur von Bildungseinrichtungen688
Sozialraumorientierung und Raumaneignung698
Kommunale Jugendbildung706
Bildungslandschaften715
4 Personal, Professionen und Teams724
Erzieherinnen726
Lehrerbildung736
Diplom-Pädagogen und Sozialpädagogen747
Ehrenamtliche und Honorarkräfte759
Kooperation unter Pädagogen769
Personelle Kooperation und Fortbildung779
5 Theorien, Evaluationen und Planungen789
Wissensgesellschaft791
Entgrenzung800
Bildungspolitik als Sozialpolitik809
Chancengleicheit im deutschen Bildungswesen819
Kinderrechte und radikaldemokratische Bildungspolitik827
Kommunalpädagogik836
Diskursanalyse zu „Ganztagsbildung“846
Evaluation856
Anspruch und Wirklichkeit von Ganztagsschulen866
Qualität von unterrichtsnahen Angeboten an Ganztagsschulen877
Wirkungen von Jugendarbeit in Kooperation mit Schulen885
Wirkungen außerunterrichtlicher Angebote an Ganztagsschulen896
Bildungsberichterstattung905
Kommunale Bildungsplanung915
Städtische Bildungspolitik924
Bezüge zwischen Politik, Verwaltung und Wissenschaft934
Epilog941
Bildung als Projekt der Moderne942
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren949
Sachregister956

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