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Grundlagen der Elektronenspektroskopie

Theorie der Anregung und Deaktivierung von Molekülen

AutorHermann Rau
VerlagWiley-VCH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl350 Seiten
ISBN9783527692675
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis66,99 EUR
Quantenmechanische Aspekte der Erzeugung und Deaktivierung angeregter Elektronenzustände stellen die theoretische Grundlage der Elektronenspektroskopie dar. Ausgehend vom Experiment wird zunächst die Beschreibung von Molekülzuständen durch Wellenfunktionen eingeführt. Didaktisch geschickt folgt eine ausführliche Diskussion der Erzeugung von angeregten Zuständen, zusätzlich wird auch das Thema 'optische Aktivität' erläutert. Die verschiedenen Kanäle der Deaktivierung angeregter Zustände werden umfassend diskutiert, mit einem besonderen Schwerpunkt auf strahlungsloser Deaktivierung durch Elektronenübertragung. Aufbauend auf langjährigen Vorlesungsnotizen optimal zum vorlesungsbegleitenden Lernen, Dank des modularen Aufbaues aber auch zum punktuellen Nachschlagen und Auffrischen von Wissen geeignet!

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Leseprobe

1
Experimentelle Daten


UV/VIS-Spektroskopie oder Elektronenspektroskopie nennt man die Messung, Auswertung und Deutung der Phänomene der Wechselwirkung von elektromagnetischer Strahlung des sichtbaren und ultravioletten Spektralbereichs mit Materie. Diese Vorlesungen beschränken sich auf die Elektronenspektroskopie an Molekülen bei zeitlich kontinuierlicher Anregung.

1.1 Was beobachtet man bei Versuchen zur UV/VIS-Spektroskopie?


Bei der Absorption von Licht beobachtet man die Abschwächung der Intensität eines Lichtstrahls beim Durchgang durch eine Probe, deren Ausmaß, Frequenzabhängigkeit und Polarisation für das Probenmaterial charakteristisch ist. Die Absorption ist normalerweise wellenlängenabhängig, sie wird durch einen Graphen, das Absorptionsspektrum, dargestellt, in dem die Extinktion E (engl. absorbance A)

(1.1)

(dimensionslos) als Funktion der Wellenlänge λ aufgetragen ist. I0 ist die auf die Probe auffallende Strahlungsintensität1), I die Intensität der Strahlung nach Durchgang durch die Probe. Besonders bei verdünnten Lösungen, wo das Lambert-Beer’sche Gesetz

gilt, ist die Verwendung des Extinktionskoeffizienten ελ (l mol−1 cm−1), also der auf die Einheitskonzentration (in mol l−1) und Einheitsschichtdicke (in cm) bezogenen Extinktion, die bessere Darstellung.2) Manchmal wird auch der Absorptionsquerschnitt eines Moleküls als σ = (ln 10/NA)ε (cm2) als Absorptionsmaß herangezogen.

Der Graph E = f(λ) bzw. E = f() ist das Absorptionsspektrum, das für jeden Stoff eine charakteristische Eigenschaft ist. Die Darstellung in Wellenlängen λ ist nicht energielinear, deshalb werden die Spektren oft in Wellenzahlen = 1/λ (in cm−1) dargestellt, denn dann entspricht einem bestimmten Abschnitt auf der Wellenzahlenskala der gleiche Energiebetrag unabhängig davon, ob das UV- oder IR-Spektralgebiet betrachtet wird. In der Wellenlängendarstellung sind die Absorptionsbereiche im UV im Vergleich zur Wellenzahlendarstellung visuell schmaler, im roten Spektralgebiet ist es umgekehrt. Trotzdem ist die Wellenlängenskala weit verbreitet, wahrscheinlich, weil die Spektren bei Gitterspektrometern in Wellenlängen direkt anfallen.

Im Spektrum von Molekülen lassen sich bestimmte mehr oder weniger gut gegeneinander abgegrenzte Wellenlängengebiete feststellen. Ein solches Absorptionsgebiet wird Bande genannt, es entspricht einem bestimmten Elektronenübergang, wie wir später besprechen werden. Dieser Elektronenübergang bestimmt auch die Größe E bzw. ε, oft auch selbst Intensität genannt. Die Intensität kann für dieselbe Probe über Zehnerpotenzen variieren, weshalb sie oft logarithmisch aufgetragen wird (Abb. 1.1). Man spricht von „verbotenen“ und „erlaubten“ Übergängen. Die Absorptionsintensität einer Bande kann auch in der Größe Oszillatorstärke

Abb. 1.1 Absorptionsspektren (a) schematisch log ε vs. (b) Anthracen (—), trans-Azobenzol(---), linear E vs. λ.

gefasst werden. f ist dimensionslos, und in der Zahl vor dem Integral sind nur Naturkonstanten zusammengefasst.

Wird nicht natürliches, sondern linear polarisiertes Licht, d. h. Licht, dessen elektrischer Feldvektor nur in einer, der Polarisationsebene, schwingt, für die Absorptions- oder Emissionsspektroskopie eingesetzt, so kann man unter Ausrichtung der Moleküle der Probe relativ zur Polarisationsrichtung des Lichts (Fixierung des molekularen und äußeren Koordinatensystem gegeneinander) verschiedene Absorptionsintensitäten für verschiedene Polarisationsrichtungen beobachten (Abb. 1.2). Die dimensionslose Polarisation

Abb. 1.2 Absorption eines Cyaninfarbstoffes in Polyvinylalkohol-Folie (—). Bei Festlegung des molekularen und äußeren Koordinaten-system gegeneinander durch Streckung der Folie: lineare Polarisation des Lichts (---) parallel und (…) senkrecht zur Streckrichtung. Polarisation der längstwelligen Bande in Richtung der Längsachse, der kürzerwelligen senkrecht zur Längsachse.

(1.4)

wird dann durch die unterschiedliche Absorption eines linear polarisierten Lichtstrahls und des um 90° gedrehten Pendants gemessen. Bei linear polarisiertem Licht erhält man eine Information über die Richtung der Ladungsverschiebung im Molekül beim Elektronenübergang, die Polarisationsrichtung des Übergangs.

Bei Verwendung von zirkular polarisiertem Licht erhält man Information über eine Moleküleigenschaft namens Chiralität. Es wird eine Größe Circulardichroismus definiert, die molare Elliptizität, die die Differenz der Absorption von links- und rechtspolarisiertem Licht charakterisiert

(1.5)

mit der gebräuchlichen historisch bedingten Einheit grad cm2 dmol−1, [Θ] kann auch negativ sein. Der Graph [Θ] gegen Wellenlänge oder Wellenzahl ist das CD-Spektrum (Abb. 1.3). Auch hier gibt es, analog zur Oszillatorenstärke (1.3), eine Angabe über die CD-Intensität durch Integration über die CD-Bande: die Rota-torstärke

Abb. 1.3 Absorptions-(—) und CD-Spektren (…) eines chiralen Ru[methylbipyridyl]2+-Komplexes.

(1.6)

R hat die Dimension Debye ⋅ Bohr’sches Magneton (C2 m3 s−1), die Zahlen vor dem ersten Integral enthalten wieder nur Naturkonstanten.

Bei Emissionsspektren wird die Intensität der ausgesandten Strahlung ebenfalls in Abhängigkeit von Wellenlänge oder Wellenzahl dargestellt (Abb. 1.4). Die Emissionsintensität, Iem(λ) ist ein Ausdruck für die Zahl der ausgesandten Lichtquanten. Das gemessene Iem(λ) wird als Emissionsspektrum meist direkt (d. h. relativ zu einem bestimmten Wert, z. B. dem Wert des Maximums) aufgetragen. Es ist also, im Gegensatz zum Absorptionsspektrum, ein Graph von Quanten bzw. deren Energie gegen die Wellenlänge. Durch eine Zusatzmessung an einem Standardstoff kann man die integrierte relative Emissionsbande einer Probe auf die bekannte absolute des Standards beziehen, also wieder ein Verhältnis herstellen. Bezogen auf die Anregungsintensität ist dieses dann die dimensionslose Quantenausbeute Q. Bei der Emission ist auch die Lebensdauer τ des angeregten Zustandes eine wichtige Messgröße. Sie ist maximal, wenn die Emission die einzige Art der Deaktivierung des angeregten Zustands ist. Diese Lebensdauer wird die natürliche oder Strahlungslebensdauer τ0 genannt, sie hängt mit der Übergangswahrscheinlichkeit zum angeregten Zustand und damit mit der Absorptionsintensität zusammen:

(1.7)

Abb. 1.4 Absorptions- und Fluoreszenzspektrum von Benzol in Lösung. Man beachte die Spiegelbildsymmetrie.

Je intensiver die Absorptionsbande, d. h. je größer die Absorptionswahrscheinlichkeit, desto größer auch die Emissionswahrscheinlichkeit, desto kürzer also auch die Strahlungslebensdauer. Die gemessene Lebensdauer τ kann kleiner sein und sogar gegen null gehen, wenn andere Deaktivierungskanäle so effektiv sind, dass die Emission gelöscht wird. Die Lebensdauer hängt mit der Emissionsquantenausbeute zusammen:

(1.8)

In einigen Versuchsanordnungen wird auch die Intensität oder Winkelverteilung der Lichtstreuung gemessen, z. B. bei der Raman-Spektroskopie.

Die Spektren sind ein Abbild der Energielagen der Elektronenzustände im atomaren oder molekularen System. Atomspektren sind reine Elektronenspektren. Dagegen bestimmen im Molekül nicht nur die Elektronenbewegungen das Spektrum, sondern auch Schwingungen der Atome gegeneinander und Rotationen des Gesamtmoleküls, die alle ebenfalls als Zustände charakterisiert werden können. Mit geringer Erfahrung kann man auf den ersten Blick zwischen einem Atom- und einem Molekülspektrum unterscheiden: Das Atomspektrum ist ein Linienspektrum, das Molekülspektrum zeigt breitere Absorptions- oder Emissionsbanden (Abb. 1.5). Dies hat seinen Grund darin, dass ein einzelnes Atom keinen Partner hat, gegen den es schwingen kann und dass auch die Rotationen des Atoms nicht angeregt sind. Interessiert man sich nur für die Elektronen- plus Schwingungsbewegungen, so spricht man von vibronischen Zuständen, einer Kombination von Elektronen- und Schwingungsbewegungen. Mit ihnen werden wir uns hier beschäftigen.

Abb. 1.5 Termschemata und Spektren von Atomen und...

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