Grundlagen der Tumortherapie
Malignes Wachstum beginnt mit der malignen Transformation einer Zelle oder Zellgruppe. Die maligne Transformation und die Entwicklung zum malignen Gewebe werden vermutlich durch karzinogenetische und/oder karzinoproliferative Faktoren ausgelöst. Bereits mit Tumorentstehung und Tumorwachstum assoziierte Noxen wie chemische Substanzen, Viren, ionisierende Strahlung u.a. können durch genetische Faktoren, kokarzinogene Noxen, das Versagen immunologischer Abwehrmechanismen, nutritive Faktoren oder durch eine verstärkte Gewebsproliferation (ausgelöst u.a. durch Hormone) begünstigt werden.
Während gesunde Zellen einen für das Gewebe typischen Phänotyp ausbilden und an der Organisation eines spezifischen Gewebes teilnehmen, zeigen Krebszellen typischerweise eine auf Zellproliferation fokussierte Änderung von Rezeptorbesatz, Genexpression und Metabolismus. Das Wissen um Biologie von Wachstumsfaktoren, Signaltransduktion, DNA-Replikation, Genregulation und Zellteilung sind deshalb für das Verständnis von Tumorentstehung und -therapie wesentlich.
Grundsätzlich können zum malignen Wachstum führende genetische Veränderungen unter anderem auf aktivierte Onkogene und unterdrückte Tumorsuppressorgene zurückgeführt werden. Aktivierte Onkogene führen zu überschießendem Wachstum und Zellteilung, sie unterdrücken die physiologische Apoptose (programmierter Zelltod) und bedingen den Verlust der Gewebsintegrität. Unterdrückte Tumorsuppressorgene verursachen eine fehlerhafte DNA-Replikation, den Kontrollverlust über den Zellzyklus, den Verlust der Orientierung und Adhäsion im Gewebe sowie eine gestörte Interaktion mit dem Immunsystem. Neben den Onkogenen und Tumorsuppressorgenen haben neue Aspekte wie DNA-Methylierung und Genaktivierung durch microRNA eine Bedeutung.
Die Krebsstammzelltheorie beruht auf der Annahme maligner Zellen mit Stammzelleigenschaften, die wesentlich für das Wachstum eines malignen Tumors sind, Eigenschaften wie Differenzierung und Selbsterneuerung aufweisen und durch eine relative Resistenz gegen übliche Chemotherapeutika Rezidive verursachen können.
In den letzten Jahren konnten die genetischen Ursachen für manche hereditäre Tumorentität geklärt werden. Im Bereich der Gynäkologie betrifft dies insbesondere das hereditäre Mamma- und Ovarialkarzinom sowie das hereditäre non-polypöse kolorektale Karzinom (HNPCC). BRCA1 und BRCA2 sind Tumorsuppressorgene, die Proteine kodieren, die den Zellzyklus regulieren. Mutationen dieser Gene erhöhen das Risiko insbesondere an Mamma- und/oder Ovarialkarzinom zu erkranken. Das HNPCC oder auch Lynch-Syndrom erhöht neben dem Risiko für kolorektale auch das Risiko für Endometriumkarzinome.
Malignome werden lokal und systemisch behandelt, die Therapien können kombiniert und sequenziell angewendet werden. Nach der Zielsetzung werden kurative und palliative Ansätze unterschieden.
Lokale Therapie
Operative Therapie
Die chirurgische Resektion zur vollständigen Entfernung aller Tumorzellen ist in Frühstadien maligner Erkrankungen kurativ, eine Operation kann darüber hinaus unter palliativen Gesichtspunkten indiziert sein:
zur Reduktion der Tumorzellmasse und zur Minderung von Beschwerden im Lokalbereich
zur Verbesserung der Wirksamkeit anderer therapeutischer Maßnahmen wie Chemo-, Radio- oder Immuntherapie
zur Prognosebeeinflussung bei einzelnen metastatischen Herden oder Lokalrezidiven (bei chirurgischer Entfernung lokaler Rezidive oder isolierter metastatischer Prozesse sind Heilungen möglich)
Strahlentherapie
Die vollständige Beseitigung eines Tumors ist durch die Strahlentherapie möglich, die Strahlentherapie kann daher in kurativer Zielsetzung als
alleinige Maßnahme (u.a. beim Zervixkarzinom),
in Kombination mit der Operation (u.a. beim Endometriumkarzinom),
in Kombination mit der zytostatischen Hormon- und Chemotherapie (u.a. beim Mammakarzinom) eingesetzt werden.
Mit palliativer Zielsetzung wird die Strahlentherapie eingesetzt:
bei lokalisierten Schmerzzuständen
bei drohenden Knochenfrakturen
bei Funktionsbeeinträchtigung vitaler Systeme durch den Tumor (u.a. zerebrale Metastasen)
Die bei der Bestrahlung auf das Gewebe übertragene Energie wird als Dosis bezeichnet, die hierfür verwendete Einheit heißt Gray (Gy). Für das Erreichen des jeweiligen Bestrahlungszwecks ist eine ausreichend hohe Dosis in dem zu bestrahlenden Areal, dem Zielvolumen, erforderlich. Die in diesem Areal applizierte Dosis wird als Zielvolumendosis (ZVD), früher Herddosis (HD), bezeichnet.
Die perkutane Bestrahlung wird mithilfe einer Strahlenquelle außerhalb des Körpers vorgenommen. Zur Anwendung kommt Strahlung im Megavoltbereich (ultraharte Röntgenstrahlung, Elektronenstrahlung). Mit der Photonenbestrahlung (ultra harte Röntgenstrahlung) werden in der Tiefe des Körpers gelegene große Volumina erreicht, während mithilfe der Elektronenstrahlung oberflächliche Schichten bestrahlt werden. Die Applikation ausreichend hoher Zielvolumendosen in großen, zum Teil unregelmäßig geformten Körperarealen ist unter Berücksichtigung der begrenzten Strahlentoleranz umliegender gesunder Organe häufig nur mithilfe einer individualisierten Bestrahlungsplanung möglich, bei der Computertomografie, Kernspintomografie, Positronenemissionstomografie (PET) und Bestrahlungsplanungs-Rechner eingesetzt werden. Die perkutane Strahlentherapie wird mit in der Regel fünf Bestrahlungen pro Woche fraktioniert durchgeführt und erstreckt sich insgesamt über einen Zeitraum von 4–6 Wochen. Ihre Verträglichkeit ist in erster Linie abhängig von dem bestrahlten Volumen sowie von den mitbestrahlten Normalorganen (u.a. Darm, Harnblase, Schleimhaut). In Abhängigkeit von dem Gesamtzustand der Patientin, den Nebenwirkungen der Strahlentherapie und organisatorischen Bedingungen kann die Bestrahlung ambulant oder stationär durchgeführt werden.
Bei der Strahlentherapie gynäkologischer Malignome kommt besonders häufig die Methode der Brachytherapie zur Anwendung. Bei ihr befindet sich die Strahlenquelle in unmittelbarem Kontakt mit dem Tumor. Die Behandlungsform wird deshalb auch Kurzdistanz- oder Kontakttherapie genannt, sie kann intrakavitär (in natürlichen Körperhöhlen) oder interstitiell (im Tumorgewebe) durchgeführt werden. Sie ermöglicht die lokale Applikation extrem hoher Dosen, wobei aufgrund eines steilen Dosisabfalls in der näheren Umgebung des Applikators die weitere Umgebung keine nennenswerte Dosis erhält. Die Brachytherapie kann als alleinige Behandlungsform oder in Kombination mit einer perkutanen Bestrahlung durchgeführt werden.
Die klassische Brachytherapie mit Radium-226 erbrachte über Jahrzehnte aufgrund der günstigen Dosisverteilung gerade in der Bestrahlung gynäkologischer Malignome sehr gute Ergebnisse. Da die Radiumquelle mit relativ geringer Intensität strahlt, handelt es sich um eine Low-Dose-Rate(LDR)-Behandlung, bei der die Liegedauer des Nuklids etwa 20 Stunden betrug. Die Dosierung erfolgte in schematischer Form auf Referenzpunkte. Die lang andauernde Applikation war mit einer Strahlenexposition des Personals verbunden, sodass das Radium durch die After-loading-Technik abgelöst wurde.
Hierbei werden ungeladene Applikatoren an oder in den Tumor gebracht und ferngesteuert mit einem Radionuklid (u.a. Iridium-192) beladen. Bei Afterloading-Geräten kommen sehr kleine Strahlenquellen zur Anwendung, sodass zum Teil auf die bei Radiumapplikationen erforderlichen Narkosen verzichtet werden kann.
Grundsätzlich unterscheidet man die Low-Dose-Rate-Brachytherapie von der High-Dose-Rate-Brachytherapie, welche sich durch die Art des eingesetzten Radionuklids unterscheiden. Bei Verwendung hoher Dosisleistung kann die Dosis in erheblich kürzerer Zeit appliziert werden (etwa 15 Minuten), sodass derartige Bestrahlungen auch ambulant durchgeführt werden können. Da bei hoher Dosisleistung die strahlenbiologische Wirkung nicht nur auf den Tumor, sondern auch auf das Normalgewebe erheblich erhöht ist, muss das hieraus entstehende Risiko für Nebenwirkungen durch eine verstärkte Fraktionierung ausgeglichen werden. Afterloading-Geräte ermöglichen nicht nur eine schematische Dosierung auf Referenzpunkte, sondern erlauben auch eine individualisierte Bestrahlung, die sich an der Form des vorliegenden Tumors orientiert.
Die Durchführung derartiger individualisierter Bestrahlungen erfordert eine Bestrahlungsplanung unter Verwendung von Computertomografie, eventuell Kernspintomografie und eines Bestrahlungsplanungsrechners.
Bei der Kombination von Brachytherapie mit perkutaner Bestrahlung sind individualisierte Dosisrechnungen für kritische Organe (u.a. Blase, Rektum) auf der Basis von Dosismessungen erforderlich. Die Bestrahlungsmodalitäten müssen hinsichtlich der...